Sonntag, 18. September 2011
Strangefolk

Ganz erstaunlich, was dem Berliner so beliebt.

Ich finde die Hochrechnung zur Wahl in Berlin recht erstaunlich.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird sich das Ergbnis mehr oder minder in dieser Verhältnismäßigkeit einpendeln und die Tatsache allein, dass vier der fünf Parteien eher in der linken Ecke zu verorten sind, gibt Rätsel auf.

Was sagt diese Art der Fragmentierung einer politischen Grundströmung über die Linke in Deutschland aus und werden wir zukünftig für jede Bedürftigkeit und Randgruppe eine Partei haben?

Wie kann eine Interessengruppe, die der Piratenpartei mal vorausging, sich in dieser Form als politische Kraft in Berlin etablieren und von nunmehr ca. 9% der Wählenden als die optimalste Option betrachtet werden?

Und warum lamentieren vor diesem Hintergund Wowereit und Künast von Erfolgen, wenn es Ihnen nicht gelang, die Wähler der Piraten von sich zu überzeugen, obwohl sich deren Wahlprogramm nur wie eine Essenz der Progamme der Großen ausnimmt?

Ich finde das alles sehr merkwürdig, warne aber schonmal. Wenn Sie wissen wie die Story dieses Liedes endet, werden Sie wissen, was ich meine. Man könnte meinen, die singen von den Piraten:


Then one day Strangefolk arrived in the town.
They came in camouflage, hidden behind dark glasses, but no one noticed them: they only saw shadows.
You see, without the Truth of the Eyes, the Happyfolk were blind.


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Da springt mir sofort eine Frage ins Gesicht: Wo sehen Sie denn da 4 linke Parteien, werter Herr Cabman?

Die Linke sind links, der Rest ist doch eher mitte rechts angesiedelt und die Piraten kann man nur schwer einordnen. Vielleicht könnte man da diesen neuen Begriff linksliberal aus der Schublade holen.

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Eher links. Links von der Mitte sozuschreiben und Sie wollen doch nicht allen ernstes behaupten, die SPD wäre mitte rechts?

Egal.

Mir ging es darum, dass eine Volkspartei es doch schaffen müsste, die Bedürfnisse des Volkes in einem angemessenen Maße in Ausführung ihrer Politik auf sich zu vereinigen. Oder?

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Dazu müsste man jetzt weit ausholen,
aber die gesellschaftlichen Voraussetzungen, unter denen die Volksarteien diesen Spagat einstmals besser schafften als heute, haben sich eben auch geändert. Ich halte wenig davon, die Wahlentscheidung platt mit einer Kaufentscheidung im Supermarkt gleichzusetzen, aber der Individualisierungstrend, der uns eine schier unüberschaubare Auswahl allein an Erdbeermarmeladen beschert, macht halt auch vor der Politik nicht halt. Dann kommt noch verschärfend hinzu, dass das repräsentative System eben nicht das tut, was es eigentlich sollte, nämlich den Bürgerwillen in politisches Handeln umzusetzen. Und die Gründe dafür liegen allesamt im spätkapitalistischen Schweinesystem sind vielschichtig, Lobbyismus, Wirtschafts- und Finanzinteressen, die EU-Bürokraten, die Bündniszwänge, you-name-it...

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@cabman: SPD steht für: Hartz 4, Deregulierung des Finanzmarktes, Senkung des Höchststeuersatzes (und Sarrazin) Das ist für mich mitte rechts.

Aber wie es mark793 schon schreibt (und auch eindeutig die besseren Worte dafür in Petto hat) ist es egal welche Partei an der "Macht" ist, solange die Macht woanders angesiedelt ist.

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Moin Herr Mark, als Stiefelhalter des spätkapitalistischen Schweinesystems muss ich gerade etwas arbeiten, möchte Ihnen auf Ihren Kommentar aber nachher etwas ausführlicher antworten. Kommt also.

@Geschichtenerzähler: Die Deduktion der Haltung eines Einzelnen auf die breite Masse ist für mich unzulässig. Wo kämen wir denn hin, wenn alle Blogger nach meinen Einträgen bewertet werden würden?
Was die anderen angesprochenen Punkte betrifft, so gebe ich Ihnen in Ansätzen recht, sehe aber dahinter keine mitte rechts Tendenz, sondern einen Realismus, welcher der Linken abgeht. Romantische Politik ist der Opposition vorbehalten.

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@cabman:
Da Ihnen meine metaironische Distanzierung von dem Topos des Schweinesystems ja nicht entgangen ein dürfte, sehe ich der Antwort schon freudig gespannt entgegen. (Ich darf vielleicht auch präzisieren, dass ich die Grenze zwischen System und Schweinesystem nicht unbedingt da ziehe, wo privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen in Gewinnerzielungsabsicht handeln. Sie als Rädchen in einem solchen Getriebe würde daher auch nicht unbedingt als Stiefelhalter des Systems betrachten).

Zu Studizeiten war Wahlforschung übrigens ein Steckenpferdthema von mir. Ich bin damit schon lange nicht mehr "in touch", finde solche Fragestellungen aber immer noch recht interessant.

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@Mark:

Tachen Herrn Mark.

Sorry, mein Fehler, ich vergaß, hinter meinen Kommentar ein Smiley oder so zu machen, denn natürlich ist mir Ihre Ironie nicht entgangen. Meine Antwort ist demnach auch leicht missverstehend, sollte aber eher eine Retour und demzufolge auch ironisch sein. Können Sie mal sehen, wie schlecht nonverbale Kommunikation funktioniert und wie wichtig Einstellungsgespräche sind ;-)führen muss, oder?

Das bedeutet, dass es Grund- und Leitsätze geben muss, dass ich für die Sache und nicht den Machterhalt kämpfe, dass ich etwas bewegen und erreichen will und eben nicht um meiner Selbstwillen agiere. Führen bedeutet: Ein Ziel aufzeigen und einen möglichen Weg dahin.

Und das ist das Problem: Wenn die Kanzlerin uns erst erzählt, die Kernenergie wäre alternativlos, um dann 3 Monate später einen politischen u-turn hinzulegen, der alles davor Gesagte schlicht der Lüge überführt und es bleibt ohne Konsequenzen.

Da frage ich mich: Wird hier Politik fürs Volk gemacht, oder agiert da eine politisch Kaste/Elite, einzig ihrem Machterhalt dienend?

Ich glaube Letzteres ist der Fall und demnach behaupte ich mal: Wären die sogenannten Volksparteien geerdet, hätten sie ein Verständnis dafür, was Lieschen Müller und Ylmaz Ögüdik umtreibt, es würde keinen Platz für Piraten geben. Und das allein ist mein Vorwurf, ansonsten bitte ich die Länger der Antwort zu entschuldigen und verspreche: Demnächst wieder Seichteres! ;-)


PS Ich habe das alles hier schonmal niedergeschrieben und die Zerfaserung prognostiziert:

http://cabman.blogger.de/stories/1105301/

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Ich stelle grade fest,
dass herr vert weiter unten schon vieles aufgeschrieben hat, was mir so ähnlich zum Thema Piraten auch im Kopf rumging. Der Punkt ist auch: So etwas wie ein leicht feststellbares Allgemeinwohl liegt bei vielen Themen aufgrund der zunehmenden Komplexität des Daseins nun mal nicht in der Luft, vielleicht ist es auch ein Durchgangsstadium in einem politischen Reifeprozess des Wählers, von Volksparteien nicht mehr die one-size-fits-all Lösung für alle Lebensfragen zu erwarten. Eigentlich ist es ein Wunder, dass es überhaupt so lange auf diese Weise funktioniert hat, den Leuten das Gefühl zu geben, es ginge dabei auch nicht zu allerletzt um ihre Interessen.

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It was only fire and then – nothing.

Die Söhne (und Töchter?) Jack Sparrows entern das Rote Rathaus und die Menge glotzt mehr oder weniger erstaunt.

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Das NOTHING am Ende ist das, was zu befürchten bleibt. So ähnlich wie beim HSV.

Und nein, ich glotze nicht, ich wundere mich über die Motivtion, eine solche Partei zu wählen.

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Na, ich weiß nicht, ob der HSV diesen Vergleich verdient hat.

Zum Wahlergebnis: Das ist doch nix Ungewöhnliches. Eine Protestwahl im klassischen Sinne. Lieber Piraten als die NPD in meinen Augen. Wenn man so hört, warum viele (hauptsächlich junge) Wähler die Piraten gewählt haben, dann weil sie denen eher etwas abnehmen als den Etablierten. Mag sein. War bei anderen Parteien am Anfang auch oft so. Das sind die "Ehrlichen". Politikverdrossenheit, die normalerweise zum Zuhausebleiben geführt hätte, bildet sich in einem Kreuz bei den Piraten ab.

Und dass die Grünen eine linke Partei sind, nunja... Bei der SPD kann man Ansätze erkennen, die Richtung der Regierungszeit unter Schröder wieder zu wechseln und sei es nur aus wahltaktischem Kalkül, die Grünen hingegen sind in meinen Augen zumindest wirtschaftspolitisch alles andere als links.

Interessant ist für mich, dass es die erste Landeswahl in der Geschichte der Bundesrepublik ist, in der keine Partei über der 30% Marke liegt. Sterben die Volksparteien also ganz langsam aus? Und wenn ja, was heißt das für stabile Mehrheiten in diesem Land? Bekommen wir italienische Verhältnisse in unseren Parlamenten oder renkt sich das dennoch so ein, dass die Legislaturperioden komplett zu Ende regiert werden?

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Der HSV ärgert mich etwas.

Und nochmal: Eher links. Diese Unterscheidung mag haarspalterisch erscheinen, ist aber notwendig.

Und was macht für etablierte Parteien die Wahl der Piraten aus Protest besser, als die der NPD, wenn es sich am Ende um eine Protestwahl handelt, die nicht darauf ausgelegt ist, ein zukunftsorientiertes Handeln und Agieren zu ermöglichen, sondern Unmut kundzutun?

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Ob es fuer die etablierten Parteien einen Unterschied macht, weiss ich nicht, aber fuer mich macht es einen Unterschied, ob die Nazis ihren braunen Mist in einem Parlament von sich geben duerfen, legitimiert vom Volk oder ob da Piraten sitzen.

Der HSV hat zumindest mal die Reissleine gezogen heute. Ob es jetzt bergauf geht? Ich wuerde es begruessen.

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Sie sollten die Macht, die Kraft und die Herrlichkeit der aufgeklärten Bürger nicht unterschätzen. Insofern sehe ich da keine Gefahr und wenn es einmal so sein sollte, dass der braune Rotz en gros durch die Parlamente zieht, hat dieses Land ein ganz anderes Problem.
Und nochmal: Eine Protestwahl bleibt für mich eine vergeudete Wahl.

Und das mit Oenning: Besser spät als nie. Nur einmal wieder nicht verlieren. Nur einmal. Danke!

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die piraten sind nach den grünen die zweite postmaterialistische partei, die den sprung in ein parlament geschafft hat. derzeit sind sie eine große projektionsfläche für überwiegend junge menschen, deren lebenswirklichkeit scheinbar von anderen parteien nicht vertreten wird.
m.e. haben sie tatsächlich ideen zur transparenzsteigerung in politischen abläufen - entscheidend wird sein, ob die aktiven den sprung aus der virtualität in die tägliche und ermüdende parlamentskärrnerarbeit schaffen. und eben auch liefern... daran sind schließlich schon ganz andere gescheitert.

sollten auf diesem wege menschen für die gestaltung komplexer politischer prozesse angesprochen werden, die sich bisher ansonsten verweigern, kann das auch für ein eingefahrenes parlamentarisches system belebend sein.
das berliner ergebnis wird vorerst solitär (oder auf stadtstaaten beschränkt) bleiben - bis die grünen als stabile politische kraft in flächenländern etabliert waren, vergingen schließlich auch jahrzehnte. und es hätte auch schief gehen können. ein gewaltiger kraftakt der neuen sozialen bewegungen war das; dieser reale politische unterbau fehlt der piratenpartei bisher. "netzpolitik" allerdings ist etwas ganz neues, dessen bedeutung sich möglicherweise erst in den nächsten jahren heraus dstellen wird. vielleicht braucht es diesen anstoß, damit die grünen mehr als ein paar warme worte ins parteiprogramm schreiben. mittelfristig könnte ich mir durchaus eine lose assoziation vorstellen.

die zeit sogenannter volksparteien könnte dem ende zugehen, das ist lediglich der längst fällige nachklapp zur schon länger untergegangenen brd. sie müssen in zukunft tatsächlich um ihre inhaltliche entwicklung ringen und beziehen ihr existenzrecht nicht länger aus dem schlichten dasein an sich. die spd hat es bitter lernen müssen, was es bedeutet, politische identität neu definieren zu müssen, die cdu folgt jetzt gut zehn jahre später. beide werden es überleben und das begrüße ich ausdrücklich. wenn man allerdings statt identitätsentwicklung weiterhin nur auf einen "markenkern" schielt... tja. da sieht es dann düster aus.

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In Belgien haben sie gar keine Regierung. Geht scheinbar auch, irgendwie.

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in schland gibt's dafür seit geraumer zeit kein wahlgesetz. Wenn uns merkel jetzt um die ohren fliegt, schaffen wir hier vielleicht auch so etwas...

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