Donnerstag, 27. Dezember 2012
Im Ruhrgebiet



Wir warten auf das nächste Eis.


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Donnerstag, 6. Dezember 2012
Das bunte Leben
Vorvorneulich, Sie sehen es an der Vegetation, welche da stattlich tut, was sie zu tun pflegt, nämlich vegetieren und zwar prall gefüllt mit Chlorophylle, da lief ich, das Kind zu beruhigen und andere Geburtstagsgäste nicht zu stören, ein wenig durchs Viertel was in diesem Fall auch Auen sind und sang ansichtig des AKW`s dem Kinde vor:
Stadt Hamburg an der Elbe Auen,
Wie bist du stattlich anzuschauen!
Mit deinen Türmen hoch und hehr
Hebst du dich schön und lieblich sehr.




Und da, Herr Kid, da sah ich diese Gemarkung, fühlte mich an Sie erinnert und dachte daran, wie sehr es Sie freuen würde, würde ich Ihnen dies schöne Stück Anspielung mitbringen und vergaß ob all meiner Freude, es Ihnen zu schicken.

Vielleicht lag es aber auch daran, dass ich einen Teil der Geburtstagsfeier im Schlafzimmer des Gastgeberin verbrachte, was früher auch schonmal vorkam, einzig der Grund dafür ist ein anderer.

Sachen gibt es....






Zwischendurch, in heimischen Gewässern und in sammelnder Funktion, folgte ich dem Weibe zum Einkauf und sah diese schicke Promo:





"Oha!", entlud sich verbal das Blitzlicht der Erkenntis, welches durch gar düster Widerspinst nichtlinearer Gedankenströme zuckte und so einen Moment der Erhellung ermöglichte:

Warum soll mich die Meinung derer überzeugen, die den Scheiß eh schon mögen?

Ich würde schreiben: Goar Nich!

Liebe Werber: Ich wünsche mir mehr Überzeugendes zum Produkt. Das da ist ein bisschen wie:

10.000 Lemminge fanden nach dem Sprung erfolgreich den Tod. Spring auch Du!

Ihr Penner.


Danach wurde mir die Ehre zuteil, einen Betrieb in DK zu besichtigen.

Dort, Herr Kid, musste ich schon wieder an Sie denken, denn just in dem Moment, an dem wir diese Kontrollstation passierten, zeigte die Waage 37 und ein bisschen Gramm an.

Danach dann natürlich nicht mehr.

Ergo nahm ich die Herausforderung an und versuchte mal Ihren Namen, Herr Kid, zu erwiegen.



Hat aber nicht funktioniert, weil der Herr, der im nachfolgendem Bild oben links zu sehen ist, mich fuchsteufelsfreundlich anblickte, dass mir fast der Finger, mit welchem ich die Waage manipulierte, vor Schreck steif bleiben wollte. Welch gefährliche Geschichte und alles nur fürs Blog.


Dann zog es mich nach Belgien, ein Werk zu besichtigen. Das war so unspektakulär, dass dieses Bild der Strassenbahn nach Moskau und der Witz dazu das einzig Nennenswerte blieb. Leider kann ich den Witz nicht wiedergeben, weil ich ihn beim Lachen veratmet habe.

Nach diesem Trip war ich wieder bei einem Geburtstag. Kollegen der Frau. Ärzte. Alles St.Pauli Fans. Alle. Und zwar richtige. Habe ich also geschwiegen, zugehört und erfahren, dass Kacken der Sex des Alters ist. Das lässt das Altern in anderem Licht erscheinen. Den restlichen Abend habe ich zu großen Teilen wieder im Schlafzimmer der Gastgeberin verbracht.





Dann war ich Amsterdam. Wieder mal. Diesmal in einem Design-Hotel, wo, wegen der Schubladen, nicht wahr, Fahrräder an die Decke gehänkt wurden.




"Wenn schon Klischee", sprach ich, behindert durch eine alkoholdurchtränkte Zerebralstruktur und auf der Couch dort lümmelnd zum Kollegen, "sollten sie auch Käse an die Decke hängen."

Nie lachte der Kollege lauter und danach haben wir überlegt, wie wir diesen geilen Teppich klauen könnten. Teufel Alkohol.



Anderen Tages war ich geladen und zwar zum Ausflug. Es fuhr vor das rote Boot der Liebe, für Lovers.

"Na hoffentlich ist der Name da nicht Programm", sprach ich zur Kollegin und weiter frug ich in die Runde: "Haben die ein WC an Bord? Ich müsste sonst nochmal bevor ich mich einschiffe."

Raten Sie mal, was danach los war -: Stimmt!



Dann krachten wir durch die Grachten, Rotwein floss, dass Essen war zu vernachlässigen, die Aus- und Einsichten aber nicht und so eine Art Speiserundfahrt durch Amsterdam kann ich nur empfehlen.


Dann war ich in Berlin. Dort in "Mitte" war ich zu einem Business-Lunch verabredet und habe sage und schreibe 29,-€ für ein Wiener Schnitzel bezahlt. Dazu wurde ein Klecks Kartoffelsalat gereicht.

Wenn das schon nicht obszön war, dann doch die Anzahl der Leute, die sich mitten in der Woche den gleichen Luxus leisteten. Erstaunlich.... auch die Rückfahrt im ICE.

Ein Abteil fast für mich allein, ein Emai-System, das nicht funktionierte und somit eine Zeit nur für mich. War schön.




Danach kam Amsterdam nochmal. Morgens hin und abends zurück. Dort gibt es ein WTC, weswegen ich hier schreiben kann: War ich im WTC auf dem WC, war OK... denn dieses WC war eine architektonische Offenbarung. Ebenso wie dieses neue Chillout-Area auffem Flughafen.




Früher, nicht wahr, das saß man nur auf so Liegen und hatte freien Blick auf das Rollfeld. Heute geht der Trend zum Naturersatzerlebnis.

Da fand ich mich also wieder und zwar mittemang einer künstlichen Dschungelkulisse, die 1A auch mit Vogelgezwitscher beschallt wurde, als Chefchen anrief und fragte, wo ich denn sei und ich antwortete wahrheitsgemäß: "Im B-Dschungel, hol mich hier raus."

Seine Antwort habe ich ob all des naturnahen Getöses und der Durchsagen nicht verstanden.

Auf jeden Fall habe ich neulich auf dem Rückflung von Frankfurt im Lufthansa-Magazin gelesen, dass in Frankfurt Airport die größte Lufthansa-Lounge im Flugsteig A-Plus ihren Dienst aufnahm.

In der wiedergegebenen Pressemitteilung war auch zu lesen, dass die neue Konzeption von Kunden maßgeblich mitbeeinflußt wurde und daher "...finden sich unter anderem hinterleuchtete Wände, beispielsweise mit Waldmotiven, die ein entspanntes Ambiente generieren."

Aha.

Das nehme ich gern auf und möchte natürlich meinen letzten Lesern ein entspannendes Ambiente bieten, weswegen Sie, falls nicht schon geschehen, jetzt die Lautsprecher auf volle Pulle stellen und sich ganz dem entspannenden Layout des Coves hingeben sollten.





Dann kam Warschau.

Es gibt von HH nach Warschau genau zwei Direktflüge. Morgens und abends, weswegen ich hier schreiben kann: Ich bin mit dem letzten Flug rausgekommen...Gott, hört sich das super dramatisch an, finde ich.

Als ich mit dem Kollegen auf den Check in wartete, las ich im gefundenen Feuilleton der NZZ einen interessanten Artikel mit der Überschrift: "Die Missgunst im Vorlesungssaal".

Unter anderem hieß es da:

"...Wer von Neidern umgeben ist, kann versuchen, dies zu akzeptieren. (...) Keine gute Technik ist es allerdings, die eigenen Erfolge zu verstecken, um nicht aufzufallen. (...) Viele würden dahin erzogen, ihre Talente und Kompetenzen eben nicht zu zeigen. Gelungenes darzustellen, ist aber für das Selbstwertgefühl wichtig. (...)
Am besten, sagt die Psychotherapeutin, umgebe man sich mit Leuten, die sich mit einem freuten. Unter echten Freunden ist Neid seltener."

Interessant, nicht? Leite sich ein jeder selber ab, was das für ihn bedeuten kann.

Warschau bei Nacht, sieht aus wie HH bei Nacht

Wir sind dann mit dem Taxi zum Hotel und diese Fahrt hat fast länger gedauert als der Flug. Je weiter wir das urbane Treiben verließen, desto unheimlicher wurde es.

"Wieviel Cash hast du eigentlich dabei?" fragte ich den Kollegen.

"So 80,- €. Wieso?"

"Ob man hier für 200,- € erstochen wird?"

Fand der Kollege nicht lustig.



Ich indess fand nicht lustig, dass die Hotelküche um 22.00 Uhr schloss und ich deswegen nur einen Schokoriegel und Bier bekam.

Es tröstete mich einzig die Erwartung eines baldigen leckeren Frühstücks und dann kam das:





Hierdurch entdeckte ich aber meine Liebe für Hochland Streichkäse in der Geschmacksrichtung Smietankowy und fragte mich, ob die CSI-Spezialisten vielleicht an der Käsestarre erkennen können, wie lange eine Goudascheibe schon vor sich hin trocknete? Die meine zeigte sich nämlich wenig kooperativ und ließ sich partout nicht in die ihre Ausgangslage zurück klappen. Sachen gibts...





Dann entdeckte ich noch dieses, wie ich finde, recht innovative Verfahren der Müllvermeidung der Verpackungsindustrie und frug sogleich via meinem Kollegen, wie oft denn diese Truhen gereinigt werden und die Antwort war: "Wieso reinigen? Ist doch TK."

Aha. Ein bisschen mehr Pragmatismus für Deutschland, bitte sehr.

Und vor der Tür dann dieses spektakuläre Beweisfoto:




Thomas Anders lebt, nur falls Sie sich auch schonmal gefragt haben sollten, was aus dem eigentlich wurde. Allerdings, wie es dann immer ist, ein Rätsel gelöst, ein anderes taucht auf: Seit wann gibt es die Modern Talking-Band?



Kurz darauf flog ich nach Brüssel. Darüber gibt es nix Spannendes, außer die Begegnung mit Jackie, der Stewardess, deren Lächeln mich mit der Wucht eines 360PS TwinTurbo umhaute, also recht gewaltig.

Ich hatte ein Schicketticket doch leider setzte sich ein übelriechender Mopsmensch neben mich und als das "Bording completed" ertönte, da nahm ich sofort Blickkontakt mit Jackie auf, die auch sogleich auf mich zugelächelt kam und erwartungsfroh die Wortstellerei eröffnete mit:" Sir?"

Also fragte ich, ihre Chefrolle vollends anerkennend, ob ich mich denn umsetzen dürfte, weil es doch recht eng ist und in der Economy war fast alles frei.

Daraufhin antwortete Jackie, dass sie mal fragen müsste, wegen der Gewichtsverteilung.

Aha. Das war mir neu. Hatte ich das richtig verstanden?

Kurz darauf kam sie zurück und meinte, dass dies kein Problem wäre und was soll ich sagen?

Jackie hat sich den ganzen Flug über im Rahmen meines ursprünglichen Tickets ganz rührend um mich gekümmert.

Ich fand das sehr nett und aufmerksam, habe ich ihr auch gesagt, als ich das Flugzeug verließ. Da glosste Jackie gleich noch mehr beim Lächeln.





Vor dem Rückflug kehrte ich mit Chefchen noch in der Lounge ein und da saß dieser Herr.

Ich sagte zu Chefchen: "Wenn du rüber gehst und ihn fragst, ob er Robert Redfort ist, hol ich dir einen Kaffee."

Was glauben Sie?

Wirklich?

Stimmt.






Über den Dächern Hamburgs sah es dann so aus und ich habe 4 Minuten gerbraucht, um herauszufinden, an welches Album-Cover mich diese Szenerie erinnert. Wenn Sie schneller sind, sagt das nur etwas über Ihre Sachkenntnis aus.

Irres Licht auf jeden Fall. Auch im Stadion.




Da war ich mit Markus. Im Langnese-Familien-Block.

Auch eine hübsche Erfahrung: Keine Bierduschen, keine Bengalos, keine Fahnenstangen, die das Augenlicht bedrohen und vor allem: Keine fliegenden Kippen.

Wenn dann noch keifende Mütter Stadionverbot erhielten, wäre das ne echte Alternative, dieser Familien-Block





Dann war ich nochmal woanders und da saß ein richtiger Flugkapitän neben mir. Ich wußte gar nicht, dass deren Mützen "Stirndruckfrei" sind. Ach, was schreib ich, ich wußte nicht mal, dass es soetwas überhaupt gibt, "Stirndruckfrei" und dann noch als B-Patent. Irre.

Soll keiner sagen, man lernte nix in der freien Wildbahn.

Definitiv nicht stirndruckfrei bleiben für mich Flüge wenn ich am Fenster sitze. So oft ich nun schon geflogen bin, ich kann mich jedes Mal dafür begeistern und immer glotze ich wie blöd aus dem Fenster. Ich hoffe, dass wird immer so bleiben.

Besimmt, oder?

Ich mein bei der Aussicht?





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Sonntag, 11. November 2012
Vaterherz


Und dann hörte ich mich rufen, dass wir nun aber pronto in die Klinik müssen, denn das, was ich sah, schien mir mehr als bedenklich.

Also düsten wir noch vor Ladenöffnung, was deutlich am geringen Verkehrsaufkommen zu spüren war, am Samstag schnell Richtung Kinderkrankenhaus …. in dieser Situation hätten Sie nicht vor mir fahren wollen.

Am Empfang der Notaufnahme saß eine welke Dame, deren Charakter mir knitterig erschien, denn sie fragte sehr enervierend nach, in einer Situation, in der es mir nicht schnell genug gehen konnte.

Ich zügelte mich aber, hatte ich doch mal gelernt, auch in solchem Stress sachlich und ruhig Name, Anschrift und Anliegen vorzutragen. So auch hier. Viel später an diesem Wochenende sollte ich feststellen, dass diese Damen und Herren in der ZNA eines Kinderkrankenhauses einen Knochenjob haben. Besonders wegen der Eltern.

Ich blieb ruhig und die Dame stellte fest, dass wir nicht ganz unbegründet da waren. Sie notierte alles, drückte uns einen Aufnahmezettel zur Ausfüllung in die Hand und wies uns an, nochmal eben Platz zu nehmen. Wir würden gleich abgeholt.

War auch so.





Nach 10 Minuten kam eine sehr nette Schwester, die uns in ein Behandlungszimmer begleitete. Ich, immer noch darauf bedacht, äußerlich ruhig zu wirken, bemerkte so beiläufig wie es mir möglich war, dass dies eine nette Station sei und ja auch so gut wie nix los wäre. Die Schwester lachte und meinte, dass dies eher die Ausnahme sei. Stimmte. Habe ich an dem Wochenende dann auch festgestellt.

Es dauert auch nicht lang, da erschien die diensthabende Ärztin. Typ Barbie, beidseitig gestiefelt bis kurz unters Articulatio genus, in einer Jeans, bei der ich mich fragte, wie Frau Doktor da eigentlich reinkam. Das blonde Haar war zu einem Pferdeschwanz gebunden und sie trug einen Pullover, der geographisch gesprochen, bis nach Mogadischu ausgeschnitten war und dadurch ein Blick nach Canberra ermöglicht wurde.

Frau Doktor wirkte sehr nett und vor allem kompetent, sah sich Cabkid an und meinte dann sofort:

„Da faxen wir gar nicht lange rum. Wir machen eine Sono und ich rufe meinen Chef dazu.“

Im Sono-Raum trafen wir dann auf den Chef-Doktor, der sich im Rahmen des bildgebenden Verfahrens ein solches, nämlich Bild, machte und mit unserer netten Doktorin übereinstimmte, dass es zwar einen Befund gäbe, dieser aber nicht eindeutig sei, weswegen Cabkid auf jeden Fall zur Beobachtung in der Klinik bleiben müsste.

Da überschnitten sich dann bei mir zwei Gefühlslagen und neutralisierten sich zu einem Nix. Zum einen gab es keinen eindeutigen Befund, was hoffen ließ. Zum anderen konnte Cabkid nicht wieder mit nach Hause, was mir bedenklich erschien.

Bezogen wir also das Zimmer auf der Säuglingsstation, welches eigentlich sehr nett war. Es handelte sich, wie alle Zimmer der Station, um ein Familien- und somit Einzelzimmer.

Cabwoman blieb beim Kind, während ich nach Hause fuhr, die relevanten Dinge zu holen. Es war bereits mittags, der Verkehr hatte deutlich zugenommen und Sie hätten mich nicht hinter sich haben wollen.

Zurück in der Klinik, in deren Notaufnahme sich ein buntes Potpourri aus Hamburgern verschiedener Milieus und damit auch Ethnien vereinte, war ich, ansichtig des martialisch wirkenden Kopfverbandes Cabkids etwas geschockt. Ich ließ mich aber überzeugen, dass es nur so schlimm aussah.

Na dann.

Den Nachmittag verbrachten wir mit Lesen und Kaffee und Kaffee und Lesen, bis Frau Doktor vorbei kam, sich Cabkid anschaute und meinte, dass da wohl nochmal ein Sono nötig wäre, da die zwischenzeitlich verabreichten Medikamente zwar das Kind sehr friedlich sein ließen, es aber keine Besserung der Symptome gab.

Gingen wir also dahin.

Es hatte indessen begonnen zu regnen, der Sonoraum lag im Halbdunkeln, nur die Lichter des Eingangsbereichs, gebrochen durch die regennassen Scheiben, beleuchteten den Raum, es war fast heimlich.

Cabkid lag friedlich auf der Liege und ließ alles mit sich geschehen. Frau Doktor umkurvte wieder und wieder mit der Sonde den zu betrachtenden Bereich und sagte irgendwann:

„Tja, es ist nicht eindeutig. Und das wird es auch nicht. Ich habe mit meinem Chef gesprochen und wir sind uns zu 95% sicher, dass wir es mit Medikamenten hinbekommen. Es bleiben aber 5% Restrisiko, die wir nur mittels OP ausschließen können. Wir möchten, dass sie das wissen und sich überlegen, wie wir vorgehen wollen.“

BAM.

Darauf, meine Damen und Herren, war ich nicht vorbereitet, oder ich hatte es verdrängt, aber auf jeden Fall zog es mir kurz den Boden weg und ich hätte vor Ohnmacht, Angst und diesem Entscheidungszwang heulen können.

Frau Doktor merkte das und sagte, sie würde kurz den Raum verlassen, sodass Cabwomen und ich uns beraten könnten, doch, ganz ehrlich, was gibt es da zu beraten?

Cabwoman schaltete schneller und fragte die Ärztin, was diese tun würde, wäre es ihr Kind.

„Ich würde operieren“, antwortete sie ohne zu zögern, weswegen es auf mich sehr überzeugend wirkte.

„Hören Sie, ich will Sie hier nicht belabern, dass Sie einer OP zustimmen. Ich sage Ihnen nur, wie sich der Sachverhalt darstellt. Die letzte Entscheidung treffen Sie. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass wir im Falle einer OP diese jetzt sofort machen. Dieser Eingriff wäre eine Notoperation, weswegen es ein erhöhtes Risiko gibt. Die Anästhesistin, die eine sehr gute ist, würde Ihnen das gleich erklären.“

BAM.

Und nochmal. In meinem Job nennen wir das Salami-Taktik.

Während ich noch hadert und nicht meinen Blick von Cabkid wenden konnte, wie es da so friedlich bei seiner Mutter auf dem Arm saß, hörte ich eben diese sehr klar sagen:

„Ich will die 5% ausschließen können. Oder was meinst Du?“

Und als ich sie ansah, sah ich die Tränen in Ihren Augen und wusste, dass sie in diesem Moment nicht so stark war, wie es ihre Worte vermuten ließen und ich stimmte zu, denn auch ich erkannte, es gibt nur diesen Weg, auch wenn er einem eine Scheißangst macht.

Frau Doktor sagte: „Gut, dann leite ich alles in die Wege. Sie müssen auch gar nicht wieder auf Station. Wir machen das jetzt sofort. Ich hole eben die Kollegen.“

Und dann war sie weg und wir allein. Jeder für sich und eine Verlustangst machte sich in mir breit, die mich wissen ließ, ich würde es nicht verwinden, würde diesem kleinen Menschen, meinem Kind, jemals etwas geschehen. Jemals. Völlig egal, ob in dieser Situation oder einer anderen. Ich liebe diesen Menschen unvergleichbar und werde alles tun, ihn zu stützen und zu schützen.

Und allein die Vorstellung, das Kind jetzt wegzugeben, in die Verantwortung anderer, Fremder, drehte mir das Herz rum. Und doch muss man manchmal seine eigene Angst bezwingen, seine eigenen Tränen unterdrücken, um denen eine starke Schulter zu sein, die sich auf dich verlassen und das tat ich.

Die Anästhesistin erschien und erklärte und erklärte und erklärte und bei all den vielen Wenn und Könnte konnte einem ebenfalls Bange werden, aber das war dann auch schon egal. Endlich waren die Formalien durchstanden und der OP vorbereitet.

Eine Schwester kam und wollte Cabkid in einem Bett abholen. Wir sprachen uns dagegen aus und trugen es persönlich in den OP und übergaben das Kind direkt an die Anästhesistin.

Sie erklärte uns, dass mit kompletten Vorlauf das Procedere ca. eine Stunde dauern würde und wir uns dann wiedersähen.

Und dann gingen sie. Mit unserem Kind. Die Tür schloss sich und wir standen zu zweit und sehr allein vor dem OP, als wir plötzlich Cabkid schreien hörten und nie fühlte ich mich trauriger und ohnmächtiger und amputierter als in diesem Moment. Dieses kleine Herz beansprucht sehr viel Platz in meinem.

Wir gingen zum Zimmer und stellten fest, dass wir beide nix weiter gegessen hatten. Nach kurzem Überlegen rief ich C+M an, erklärte ihnen die Situation und fragte, ob sie vorbeikommen und irgendein Fast Food Zeugs mitbringen konnten. Und dann zeigte sich, was Freundschaft bedeutet:

C+M wollten sich eigentlich HSV vs. Bayer in der Sportsbar anschauen und hatten auch schon Essen bestellt. Aber, so erklärten Sie mir, das wäre nun auch egal. Sie würden nur schnell aufessen und sich gleich auf dem Weg machen.


Um dies richtig einzuordnen, muss man wissen, dass M ein großer HSV-Fan ist. Sehr groß.

Um die Gewissheit reicher, dass Essen käme, hatte wir nun nix mehr, was oberflächlich ablenken konnte und warteten. Kurz. Dann entschieden wir in den Wartebereich am OP zu wechseln, gerade so, als könnten wir damit etwas bewirken. In Wahrheit ging es wohl nur darum, beschäftigt zu sein.

Wir unterhielten uns über dieses, jenes, nix von Belang und im Gespräch vermeidend, die zarte Decke der vermeintlichen Sorglosigkeit des anderen durch unbedachte Äußerungen zu durchbrechen

Da, ganz unvermittelt, stand der Chef-Doktor vor uns. Leger in Ich-habe-Feierabend-Kleidung und war scheinbar nicht minder erschrocken, uns zu sehen.

„Ach. Da sind Sie noch.“

„Und?“

„Hat man Ihnen das noch gar nicht mitgeteilt? Also, der Befund ist gut. Nix Ernstes. Bekommen wir mit den Medikamenten hin. Die OP hat das Kind gut überstanden und es ist bereits wach. Wir brauchen jetzt ein paar Minuten, um zu sehen, wie stabil das Kind ist. Ich denke Sie können gleich zu ihm. Schönen Abend noch.“

Wir sagten artig Danke und wenn es hörbar gewesen wäre, hätte man das Getöse der vom Herz fallenden Steine sicherlich bis was weiß ich wohin gehört. In Millisekunden fiel das Sorgenkorsett von mir und ich fühlte eine Erleichterung wie bis dahin noch nie. Vaterherz.

Alsbald rief man uns. Cabkid war wach, aber neben der Spur. „Normal“, sagte die Ärztin, „das legt sich bis morgen.“


Dann ging es aufs Zimmer. Das Kind wurde gerade verkabelt, als C+M mit einer McD-Tüte im Raum standen. Selten haben wir uns darüber so gefreut, dass die beiden unsere Freunde sind. Wir erklärten Ihnen alles und sorgenvoll blickte C auf Cabkid: „Was machst du nur für Sachen?“ Super Patentante!

M und ich gingen rauchen. Musste für mich sein. Mit der Beschwingtheit der Erleichterung sagte ich zu M, dass dies wohl nur der erste Besuch des Kindes wegen in einem Krankenhaus sei.

„Stimmt“, entgegnete M. „Ich kenne sie alle. Ich war schon 8-mal mit J im Krankenhaus. In dem hier auch. Damals ist er aus der Hüpfburg gefallen.“

„Tolle Aussichten. Und übrigens: Danke. Und: Entschuldigung, dass wir euch den Abend verdorben haben.“

„Egal. Nach der Info konnten wir eh nicht ruhig das Spiel anschauen.“

„Trotzdem. Wir machen das wieder gut.“

Und dann gingen wir wieder ins Zimmer.





Cabkid schlief. C+M verabschiedeten sich und auch ich merkte, wie müde ich war. Die Stadt war schon längst zur Ruhe gekommen, es regnete noch immer, im Zimmer war es still und die Maschine ließ wissen das Herz- und Atemfrequenz ok waren, die Sauerstoffsättigung auch. Ich verabschiedete mich von Cabwoman und fuhr nach Hause. Sie hätten mich ruhig hinter sich haben können.

Zwei Gläser Rotwein und ich fiel in einen tiefen Schlaf.

EPILOG

All das passierte letztes Wochenende. Am Montag letzter Woche wurden wir entlassen. Seit dem ging es nur bergauf und heute, wo ich dies schreibe, ist Cabkid so in Form, als wäre nie etwas gewesen. Erstaunlich, was ein so kleiner Mensch so wegstecken kann.

Unser Dank gilt den Mitarbeiten des Kinderkrankenhauses Altona und natürlich Euch, C+M!


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