Mittwoch, 4. Juni 2025
26 Kilometer

Unsere Zeit war knapp. Der Trip kurzfristig angesetzt. Die Kollegin war noch nie in New York. Sie klagte über die wenigen Stunden. Es fehlte ihr die Zeit für Sightseeing.

Es ist geschäftlich, sagte ich. Ich weiß, es ist nur so spannend für mich, entgegnete sie.

Wir landeten am Freitag - JFK. Umziehen auf dem widerlichsten Flughafenklo meines mir bekannten Universums. Der Uber brauchte 1,5 Stunden. Normal wären 20 Minuten gewesen. There's nothin' you can't do (yeah) (okay) Now you're in New York.

Routiniert spulten wir zusammen den Termin runter. Ich mag sie. Sie versteht ihren Job. Viel zu spät waren wir im Hotel. Die Aussicht versöhnte. Ein wenig.

Samstag. Ich versprach ihr, mich zu beeilen. Wurde nicht wirklich etwas. Zu kritisch die Inhalte mit unserem Partner aus Brooklyn.

Irgendwann nachmittags. Sie hat die Zeit mit Arbeiten im Hotel verbracht.

Hättest du jetzt Zeit, fragte sie. Nein. Aber ich nehme sie mir.

Wir liefen durch die Straßen, sahen die Ecken, spürten den Puls der Stadt, die Menschen. Mehr brauchte es nicht. Sie ertrank in den Eindrücken. DAS ist unglaublich, grinste Sie mich an. So ging es mir auch mal.

Ich hatte im Snob-Magazin für Snobs wie mich gelesen, dass es im Mercer Labs eine immersive Ausstellung gibt. Wollte ich hin. Wir waren in NY, wir hatten den ganzen Nachmittag.

Wann sieht man das im besten Deutschland aller Zeiten, fragte ich sie.

Ja, aber die Sonne scheint, die Stadt ist der Wahnsinn, warum wollen wir in ein Museum?

Weil es keines ist.

150$ ärmer & 2 Stunden später standen wir wieder auf dem Broadway.

Das war das Beste am ganzen Trip, jubelten ihr Augen, während sie sprach, dass es absolut irre war.

War es. Fand ich auch.

Zurück zum Hotel. Völlig erschöpft eine schnelle Pasta und zwei Bud. Schlafen. Es wurden 26km zu Fuß für mich. 32km für sie. Sagten die schlauen Uhren. Und die wissen es fast genau.

Sonntag. Ein Frühstück im Diner, denn das im Hotel war grotte. Einmal noch den Vibe spüren, sagte sie und: Ich lade dich auch ein.

Danach Flughafen. Weingetränkter löchriger Schlaf. Landen um 08:30 in Hamburg.

Kurz zu Hause im Gäste-WC erschrocken. Die Cabwoman hat dort ein Katzenbild aufgehängt. Sieht man nur durch den Spiegel, wenn die Tür geschlossen ist.

Die Frau angetextet via WhatsApp. Antwort: Das hängt da schon ein halbes Jahr. Echt? Kannste mal sehen, wie lange ich nicht mehr im Gäste-WC war. Smiley Zwinker.

10:30 Termin im Büro. Die Woche startet und die Kollegin
fragt: Ist das immer so?

Wie so?

































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Donnerstag, 29. Dezember 2022
Fractured moments N°14

Ich traf Herrn L. in Barcelona. Das war gar nicht der Plan, da ich mit Herrn S. aus ganz anderen Gründen vor Ort war. Umso mehr freute ich mich, Herrn L. zufällig mal wieder zu sehen.

Wir kennen uns schon lange. Wir arbeitenden seinerzeit gemeinsam für das Imperium. Er in leitender Funktion in Spanien und Portugal, ich für Deutschland und Österreich. Viele Tagungen und Treffen endeten mit Herrn L. in irgendwelchen Sportbars, weil gerade Barcelona spielte.

Er rühmt sich, noch nie ein Spiel dieser Mannschaft verpasst zu haben und seit über 30 Jahren Dauerkartenbesitzer zu sein. Ob all das stimmt, weiß ich nicht.

Als das Imperium damals einen neuen Imperator bekam ändert sich alles. Die gewohnten Werte wurden drangegeben und plötzlich hatte ich Boston Consulting im Haus. Es machte keinen Spaß mehr.

Ich sprach meinen damaligen Chef in der Zentrale darauf an. Er schien mir auch nicht glücklich, vertrat aber eine Meinung, die nicht seine war.

Es kam zu der denkwürdigen Zusammenkunft in Hamburg. Mein Ex-Chef mietete ein Konferenzraum in exponierter Lage für ca. 30 Leute. Wir trafen uns zu zweit.

Er redete viel. Worüber? Ich habe die Inhalte komplett vergessen.

Am Ende der gegenseitigen Standpunktbeschreibung zog er einen Umschlag aus der Tasche und sagte: „Ich bin vom Board beauftragt, dir diese Summe anzubieten. Du darfst dafür aber für einen Zeitraum von 2 Jahren ab Erhalt nicht kündigen.“

Ich nahm den ungeöffneten Umschlag, steckte ihn ein und sagte: „Ich werde es mir anschauen und mich bei dir melden.“

„Ja, bitte tu das. Ich brauch allerdings bis morgen, bevor ich zurückfliege, von dir eine Entscheidung.“

Sie boten verdammt viel Geld. Nur fürs dableiben. Obszön.

Ich beredete es mit Cabwoman.

Nochmal.

Und nochmal.

Am nächsten Morgen standen wir beide im Bad und ich sagte zu ihr: „Ich weiß, dass ist sehr viel Geld. Wir könnten es gut gebrauchen: die Kinder, …alles richtig. Aber ernsthaft? Ich kann nicht. Ich hätte immer das Gefühl mich prostituiert zu haben. Ich würde zwei Jahre den Tanzbären in der Manege machen. Kurz: Ich werde ablehnen.“

Das schreibt sich schneller runter, als es damals über die Lippen zu bringen. Es war ein Kampf. Ich fühle mich für meine Familie verantwortlich und weiß um die Pein finanzieller Sorgen.

Umso mehr freute mich Cabwomans Reaktion. Sie gab mir einen Kuss und sprach: „Du wärest nicht der Mann, den ich geheiratet habe, wenn du anders entscheiden würdest.“

Ich habe noch am selben Tag gekündigt. Mulmig war mir, sicher, aber es war eine nie bereute Entscheidung.

Herrn L. in Spanien ging es damals ähnlich. Auch er war einer der Wenigen, die Rückgrat zeigten und sich nicht kaufen ließ. Und an all das musste ich denken, als ich diesen alten Kerl in knitterigem Anzug vor mir sah.

Er erzählte mir von den wirren Entwicklungen seines beruflichen Lebens seit seinem Ausstieg und erklärte voll Stolz, dass er nun Teilhaber einer Firma in Tanger, Marokko, wäre. Die Geschäfte liefen endlich gut.

Schnell kam sein Vorschlag, dass wir etwas gemeinsam aufbauen sollten.

Wir haben dafür Regeln.

Also fuhr ich hin.

Nicht allein.

Ich nahm eine junge Frau mit, die sich kurz vorher bei uns beworben hatte, auf eine Stelle, die ich mit einer anderen Person besetzte. Dennoch fand ich ihre Art und Weise überzeugend und habe etwas in ihr gesehen, was sich zwischenzeitlich auch bestätigte. Also bot ich ihr eine Stelle in einem gänzlich anderen Bereich an und sie sagte zu.

Es war ihre erste Dienstreise. Sie machte sich Sorgen wegen ihrer fehlenden Erfahrung, der richtigen Kleidung, dem richtigen Verhalten, eigentlich wegen allem.

„Du fährts mit, damit du die Erfahrung machst. Fehler dürfen gemacht werden, das nennt man Lernen. Du lernst gerade. Ende.“

Es war ein toller Besuch. Erstaunlich, wie sehr zumindest in diesem urbanen Umfeld dieses sogenannte Entwicklungsland unserem Standard gleicht.

Auch geschäftlich ließ sich alles sehr gut an. Die Ziele waren schnell beschrieben, die Verantwortlichkeiten und Aufgaben verteilt.

Keine 2 Monate später erreichte mich die Nachricht von Herrn L., dass er seinen Anteil an der Firma verkauft hätte und nun was ganz anderes machen wolle. Ich könnte ihn aber immer gern in Barcelona besuchen. Dazu gab es eine neue Office-Adresse und einen Kontakt zu einer Person, die von nun an übernehmen würde.

Alle Versuche einer Kontaktaufnahme mit dieser Person blieben bisher erfolglos. Die mit Herrn L. auch.

 
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Dienstag, 27. Dezember 2022
Fractured moments N°13

Wir waren dann in Atlanta. Ich saß mit O. vor einem Starbucks und er haderte noch immer mit sich, weil ich unsere Getränke bezahlte, da er sein Portemonnaie im Hotel vergaß.

„Ist nicht schlimm, den nächsten bezahlst dann du“, hörte ich mich sagen und er entgegnete mit der polterigen Art, die ihm so eigen war: „Du bist hier mein Gast! Verstanden?“

Klar.

Später im Jahre 2022 werde ich ihn nach Hamburg einladen, in dem teuerste Hotel der Stadt einquartieren und er wird dann mein Gast sein und die Gräben, die sich in Atlanta auftaten, werden überwunden sein. Das wussten wir da noch nicht.

Ein wandelnder Lumpenhaufen kam auf uns zu und fragte:

„Habt Ihr einen Dollar für mich?“

O: „Warum soll ich dir einen Dollar geben?“

LH: „Weil du einen hast, ich nicht.“

O: „Such dir einen Job, dann hast du auch einen Dollar.“

LH: „Ich könnte dich auch erschießen und dir alle deine Dollar wegnehmen.“

O: „Versuchs.“

Bei diesem Teil der Konversation wurde mit etwas mulmig. O. gehört nicht zu den Menschen, die leere Versprechungen oder Drohungen aussprechen. Die Person hat das wohl auch gespürt und trollte sich.

Zwei Tage später werde ich in den News hören, dass keine zwei Blocks von unserem Hotel entfernt ein junger Mann als Kollateralschaden bei einem Raubüberfall auf einen Kiosk ums Leben kam. Er stand vor einem Restaurant, rauchte und wurde von einem Querschläger tödlich getroffen.

„Könnte uns auch passieren“, sagte der Kollege zu mir.

„Ja, sicher, der Mensch könnte bei allen möglichen unpassenden Gelegenheiten sterben. Das ist das Verrückte am Leben.“


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