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Freitag, 23. Mai 2008
Und immer wieder...
cabman, 18:11h
Und dann war ich letzte Woche in diesem Brüssel. Dienstlich. Es gibt nicht viel zu berichten, da all dass, was zu berichten wäre nicht das ist, was von Interesse scheint in diesen mühevollen Tagen, wo die Kultivierung des Nichts einen Höhepunkt nach dem anderen erfährt, dieses nicht mal wortgewaltig.
Daher halte ich nur fest, dass Deutschland - gemessen an seiner geographischen, sowie ökonomischen Größe - im Mini Europa eher unterrepräsentiert bleibt und ich, wenn ich denn bezahlt hätte, wohl eher ärgerlich gewesen wäre. Nicht wegen Deutschland, sondern deswegen und da es der Kollegen Wille war, wir dann auch noch in diesem Atomium zu Brüssel rumkraxeln mussten, was meiner einer weder witzig noch interessant fand, denn zu eng sind mir doch die Röhren und zu laut die Japanischen Touristen.
Daher lieber etwas hierzu, denn der Erkenntnisgewinn war und ist ungeleich höher:
Beim Anlanden an bekannter Lokalität sah ich schon Weitem meine Lieblingsbardame, die bisweilen zu hysterischer Kostümierung neigt, doch an diesem Abend eher strukturell konventionell gekleidet (Jeans und Ringelshirt) auf wackeligem Barhocker vor der Tür pausierend rauchte.
„Ihr habt bestimmt da drinnen Rauchverbot.“ eröffnete ich die Konversation und bemerkte nicht ungerührt, dass ein Lächeln ihre Mundwinkel umspielte, als sie mich sah.
„Natürlich“ sagte sie, „wie haben aber auch einen Raucherraum. Da kannste mal sehen, wie lange du schon nicht mehr hier warst. Wo haste denn gesteckt?“
„Ach, wo soll ich anfangen? Es trifft es wohl am besten, wenn ich sagte, ich war vom Leben verschüttet.“
„So, so.“ Sie schmunzelte.
Weiter kamen wir jedoch nicht, weil sich hinter uns eine Diskussion entwickelte und zwar zwischen dem Türsteher, ein Typ, den Sie nicht als Feind haben möchten und einem Duo abgerissener Gestalten.
Der größere von Beiden erklärte mit schwerem russischen Akzent, dass er nur mal kurz rein wolle, ein Bier trinken mit seinem Kumpel und danach gleich wieder abhauen würde. Der Türsteher blieb davon gänzlich unbeeindruckt und erklärte aber doch, dass er einen Sonderpreis machen könnte. Einer müsse bezahlen und beide dürfen rein.
„Ich hab nur noch 5 Euro“, war die entschuldigende Antwort des Russen; der Türsteher blieb hart und so hörte ich mich sagen: „Ich bezahl den Eintritt für den einen.“
Ungläubiges Schweigen gepaart mit erstaunten Blicken ließ für kurze Zeit die Welt still stehen.
„Mann, Alter, das geht doch nicht, dass du für mich bezahlst.“ sagte der kleinere Kerl und brach damit die Stille.
„Willste rein, oder nicht?“
„Klar.“
„Dann machen keinen Aufriss, sondern geh rein.“ antwortete ich und an den Türsteher gewandt:
„Ich bezahle gleich für ihn mit.“
Während der Türsteher immer noch ein wenig ungläubig dreinblickte, enthuschten die beiden Gestalten hinein.
Meine Lieblingsbardame lachte sich eins und meinte, dass sie mir dafür einen ausgebe, was mich sehr freute und so bezahlte ich für mich und die beiden, was bei rein wirtschaftlicher Betrachtung gerade mal 3,-Euro waren, denn an den Eintritt ist ein Verzehrcoupon gebunden im Wert von ebenfalls 3,-Euro. Ich glaube, dass Universum wird mich dafür mal belohnen, oder hat es schon, denn drin traf ich auf Frau J., die Dame, die sich schon mal umbringen wollte.
Ich habe mich ehrlich gefreut sie wieder zu sehen, denn eigentlich nehme ich mir viel zu wenig Zeit für solche Begegnungen.
Wir verkrümelten uns allzugleich in die Raucherlounge, in der sie so nette Couches stehen haben und in der es eher ruhig ist und unterhielten uns.
„Was macht die Liebe?“ wollte ich wissen, denn diese Thematik war bis dato die allbeherrschende.
„Ich bin es nicht mehr.“
„Was?“
„Verliebt. Ich bin frei in meinem Kopf und in meinem Herzen, aber ich fühle mich nicht gut damit. Leichter vielleicht, aber nicht gut. Es fehlt etwas. Es fehlt die Hoffnung.“ Und während sie dies sagte, lehnte sie sich zurück, in die Couch, und sie schlürfte an ihrem Wasser.
„Tja. Die Hoffnung --- ich glaube sie ist ein Geländer für die Seele, etwas an dem sie sich festhält. Ist das Geländer weg, fängt sie an zu taumeln, oder so ähnlich und es braucht etwas Neues zum Festhalten.“
Sie hörte ruhig zu, ihre Augen verengten sich zu Schlitzen, wie immer wenn sie nachdachte. Dann beugte sie sich zum Tisch, stellte ihr Glas Wasser ab und nestelte eine Zigarette aus meiner Schachtel.
„Ich weiß nicht“, sprach sie und blies blauen Dunst in rotbeleuchtete Atmosphäre.
„Das Drängendste, das wirklich Schlimme, ist diese Sehnsucht, dieses unvollständige Gefühl, dieser brennende Wunsch nach einem Partner, einen Menschen, der dir die Leere nimmt, besonders an Wochenenden. Ich hasse es, allein in meinem Bett aufzuwachen, allein die Wochenenden zu planen und Kuscheln. Mir fehlt Kuscheln, eindeutig. Irgendwie bin ich nur ein Bruchstück.“
Sie sagte dies ganz unaufgeregt, eher analysierend als bedauernd und schaute mich mit erwartungsvollen Augen an. Doch was mehr konnte ich sagen, als all ihre Wünsche und Gedanken zu verstehen? Ich wusste genau wovon sie sprach.
„Ich denke es wird sich regeln. Der passende Mensch für dich war einfach noch nicht dabei.“
„Wie soll ich ihn den Treffen? Ich arbeite nur noch, im Juni mach ich meine erste eigene Ausstellung, ich freu mich, doch es nimmt mir Zeit und das ich heute hier bin, ist auch eher die Ausnahme. Ich hätte damals nie mit Sven Schlussmachen sollen.“
„Hast du aber und es gab bestimmt einen Grund dafür. Wir erinnern immer nur die guten Seiten, die schönen Dinge. “
„Bestimmt. Der Grund warum wir nicht mehr zusammen sind ist der, dass ich immer abhaue wenn es problematisch wird. Immer.“
„Aber wenn du es schon weißt, dann kannst du es doch ändern?“
„Ja, sicher, mir fehlt nur noch jemand, der mit mir dieses Wagnis eingeht.“
„Dann lass uns auf die Tanzfläche und schauen, ob wie einen galanten Kerl für dich finden.“
Sie grinste während sie sich aus der Couch quälte: „Manchmal bist du nur doof.“
„Ich weiß, deswegen sind wir ja Freunde.“
Ich tanzte immer dann, wenn sie nicht tanzte - zu unterschiedlich unsere Geschmäcker. Augenpaare hefteten sich an sie, ich sah es genau, doch sie nahm davon nichts wahr, wie auch?
„Ich glaube, wir werden hier nicht fündig. Nein, eigentlich weiß ich es - von Püppie.“
„Ja. Es ist deprimierend.“
„Wollen wir gehen? Ich bring dich nach Hause.“
„Ja, lass uns gehen. Morgen kommt meine kleine Schwester und ich muss das ganze Wochenende Sightseeing mit ihr machen. Das wird anstrengend genug.“
Und so verließen wir den Tempel der duften Musik und wurden von einer lauschigen Nacht empfangen, die milder nicht hätte sein können. Ein kurzer Weg zum Wagen hin und als wir davor standen, fing sie an zu meckern, weil sie meinte, der Saab hätte mir besser gestanden.
„Ja, der hier ist neu.“
„Aber es ist ein Bonzen-Auto.“
„Vielleicht, aber mach nicht den Fehler den Menschen und die berufliche Funktion zu vermischen. Es ist ein Arbeitsgerät.“
„Aber eines für Bonzen.“
„Du bist doof.“
„Manchmal schon“ lachte sie.
Wir fuhren durch die dahindämmernde Nacht, leise und ruhig. Straßenlampen tauchten alles in diffuses Licht, alkoholselige Nachtschwärmer bevölkerten die Fußwege, orangenes Licht kündete von der Arbeit der Müllwerker, ganz da hinten ein Blaulicht und in der Eckkneipe “Zur kleinen Pause“ saßen noch immer die letzten Ersten in Decken gehüllt beim Bier. Frau J. wohnt mitten in St. Pauli, auch unglücklich, wie sie mir erzählte, aber trocken.
Vor ihrer Tür, in zweiter Reihe parkend, verabschiedeten wir uns.
„Wo bist du nächste Woche?“ fragte sie.
„Amsterdam, Brüssel, Hamburg, Nürnberg.“
„Du bist ein Vagabund. Wie hält es Püppie mit dir aus?“
„Das frag ich mich auch öfter. Und was machst du?“
„Ich fliege am Montag nach Dubai und bleibe die ganze Woche dort.“
„Oha. Erzähl du mir noch mal was. Von wegen Vagabund und so.“
Sie lächelte.
„Ich sach ja, ich arbeite zu viel. So wird das nie was mit der Liebe.“
„Vielleicht triffst du ja einen Scheich, das wäre nicht das Schlechteste, bei den Spritpreisen.“
„Du bist blöd.“
„Nein, ehrlich, Augen auf im Leben und schick mir ne Postkarte. Ich habe noch nie ne Postkarte aus Dubai bekommen.“
„Ich weiß nicht mal wo du wohnst.“
Ich gab ihr meine Adresse und wir umarmten uns zum Abschied. Doch bevor sie die Tür zuschlug sagte sie:
„Lass uns häufiger sehen. Hat mir gefallen und außerdem würde ich gern Püppie kennenlernen. Mich interessiert schon, welche Frau es mit dir aushält und vor allem wie?“
Sie lachte dabei und ich versprach, dass wir dies tun werden, wenn es in den Terminkalender passt.
Und dann war sie entschwunden.
Ich fuhr nach Hause, langsam und von leiser Musik untermalt, keine Hast, keinen Stress und erfreute mich dabei an dem Gedanken, dass ich Püppie habe, die trotz all der Mühen und meinem Charakter und der wenigen Zeit mich tatsächlich liebt. Was mehr gilt es zu begehren, was mehr zu wollen, was lässt uns glücklicher sein, als die Gewissheit, das es einen ganz besonderen Menschen in unserem Leben gibt? Nichts.
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