Neuer Tag, dieser startet in Sacramento. Er ist jung, ich bin es nicht, nur müde. Schlafbefreit laufe ich ums Hotel. Angenehm ruhig ist es, kein Verkehr, ein bisschen diesig, ach ja, es ist ja Wochenende.
Herr A. schlägt vor, dass wir deswegen etwas kürzertreten und die Zeit nutzen sollten, das Nappa Valley anzusehen. Davor will er aber unbedingt zu einem Hotspot der amerikanischen Frühstückskunst.
Wir landen dann in einer Art überfülltem Gartenbaucenter mit angehängtem Restaurantbetrieb. Angeblich soll es das beste Frühstück in der ganzen Gegend dort und nur dort geben. Ich werde nicht herausfinden ob dem so ist. Die Herkunft der zahlenmäßig übermäßig mäßig schönen feilgebotenen Springbrunnen schon. Made in China, assembled in California, ganz wie bei Apple.
Gefragt, ob wir reserviert hätten, antworten wir: natürlich nicht. Oh, das ist schlecht. Wegen Corona. Ihr wisst schon. Klar. Herr A. ist sichtlich zerknirscht. Essen scheint ihm wichtig. Immer muss es besonders toll sein. Also erstmal nix mit Frühstück. Herr. A will warten. Weil es wirklich super ist, das Frühstück.
So nutzen wir die zwischenzeitliche Gelegenheit ganz unterschiedlich. Ich schaue mir den wirklichkeitsfernen, feel-good Kommerzexzess kurzberockter, zahnpastareklamelächelnder, meisterhafter Ergebnisse plastischer Chirurgie an. Sie sind meist übergewichtig, was man auch für ihre numerische Ausprägung im Anwesenheitsverhältnis zu anderen Anwesenden schreiben kann.
Indem ich den Haupteingang des Gebäudes passiere, betrete ich den ersten Kreis der Vorweihnachtshölle. Menschen, die mich kennen, wissen wie schön ich derlei Veranstaltungen finde. Thematisch wie umgebungstechnisch.
Ich mach ein paar Bilder und schicke sie Cabwoman. Sie antwortet: Du Armer. Kennt mich halt.
Irgendwann frage ich höflich bei Herrn A. nach, wie lange wir denn noch warten wollen. Er sagt, ca. eine Stunde und fragt mich, ob ich es nicht toll finde, also das Gesamtarrangement. Mit all den Springbrunnen.
Das war der Moment, wo mir das Superfrühstück egal wurde und ich zu Herrn A. sagte, dass ich nun wirklich gern ein Stück die Straße runterfahren würde, wo ich auf dem Hinweg ein gewöhnliches Diner sah, und dort würde ich gern einen Kaffee trinken wollen.
Haben wir dann gemacht und endlich gab es auch mal frisches Obst. Das war eigentlich das Beste.
Das planerische Hochlicht des Tages war später Besichtigung eines sehr berühmten Weingutes, dessen Verwalter ein perfekt deutschsprechender Vietnamese ist. Das Weingut war mir eigentlich eal, der Wein auch, den Vietnamesen und seine Geschichte aber fand ich spannend und die Tatsache, dass er mit einer Deutschen verheiratet ist, allemal.
Wir standen nach der Tour rum und der nette Verwalter holte ein paar Flaschen eines besonderen Weines, um diese, in sprachlicher Verbundenheit mit seinen deutschen Gästen, uns zu kredenzen. Einfach so. War kein Programmpunkt.
Eine sonnengegerbte, personifizierte Zahnpastareklame wogte auf unsere Minigruppe zu und überfiel uns wortgewaltig mit all der amerikanischen oberflächlichen Freundlichkeit, die ich so überhaupt nicht ernst nehmen kann. Doch der Verwalte parierte dies erzwungene Kontaktaufnahme in meinen Augen sehr rüde mit abwehrender Handbewegung und einem: "It`s a private session," und huxflux©1 trollte sich die Dame zu einer Gruppe anderer Frauen, welche in sicherer Entfernung warteten.
Wahrscheinlich wirkte ich etwas konsterniert, denn der Verwalter schaut mir in die Augen, winkt ab und meint lapidar erklärend: "Wenn ich hier zu freundlich bin, werde ich die nie wieder los und dann kommt das eine zum anderen. Die haben alle zu viel Sex and the City geschaut und meinen, der kleine Chinese ist immer fröhlich und easy auszunutzen." Kann ich nachvollziehen, den Ärger, er ist ja Vietnamese.
Wir verabschiedeten uns dann artig und fuhren noch zu einer anderen Veranstaltung. Dort hatte jemand eine mittelalterliche Burg gebaut, was zum allgemeinen Erstaunen und großen Bohei bei allerlei jugendlichen Weinliebhabern und zukünftig zu Scheidende aber aktuell frisch Verheirateten führt. War völlig überrannt und ist eine feine Touristenabzocke.
Auf dem Rückweg fragt Herr A. wie uns die Burg gefallen hat.
Toll.
Genauso toll sollte später der Krabbencocktail werden, aber dieser Moment meiner Fassungslosigkeit bedürfte eines eigenen Eintrages. Und die Zeit hab ich nicht, wegen fröhliche Weihnachten, Euch allen.
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(1) huxflux© ist eine anwendungsrechtlich geschützte alternative Ausdrucksform, um die Hohe Endgeschwindigkeit eines Vorgangs, Gedanken oder Handelns deutlich zu machen, deren Nutzung einzig und ausschliesslich J.R. Cabman vorbehalten ist.
PS:
Hund im ersten Schnee. Irre. Der Hund auch.
PPS:
Für Herrn Kid, kleines Weihnachtsmitbringsel für die frequenzlose Rubrik Mit toten Tieren durchs Jahr. Bitte nur öffnen, wenn Sie´s vertragen, das tote Tier.
Geschenk, nur durch Kid37 zu öffnen
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