Mittwoch, 29. Januar 2014
Von Solchen und Solchem

Schlaf, löchrig wie 3kg Leerdammer, also sehr, gebiert einen Tag in dessen Verlauf sich die Summe der zu erledigenden Tätigkeiten zur Eiger-Nordwand der Demotivation aufschichten.

Dann endlich landen wir pünktlich 23.30 Uhr in Budapest und es ist als wären wir nur von der einen Suppe in die andere gehüpft: 4° Grad, Nebel und Nieselregen. Europäische Union halt.

Im Schlepptau habe ich einen neuen Mitarbeiter. Zarte 25, erste berufliche Auslandsreise, aufgeregt bis Meppen und mit einem erstaunlichen Staunvermögen.

Als ich nach dem Aussteigen auf ihn warte, denke ich kurz darüber nach wie das war, ich 25jährig: Ich wohnte bereits in der für mich einzigen Stadt Deutschlands, studierte und war gerade erst 10 Jahre von einem eingeschränkt zukunftsfreudigen Leben in der DDR entfernt und die weiteren 15 Jahre bis hier hin, lagen damals noch nicht einmal im Bereich des Vorstellbaren, wohl aber eine Ahnung davon.

Und als der Neue dann endlich dem Flieger entstieg, stellte ich fest, dass unsere beiden Leben und Erfahrungen im Alter von 25 unterschiedlicher nicht hätten sein können und das ich ums Verrecken nicht hätte tauschen wollen. Das ist ein sehr gutes Gefühl.

„Mach mal hin.“, rief ich ihm zu. „ Ich habe keine Lust jetzt hier auch noch hundert Jahre auf ein Taxi zu warten.“ Haben wir dann aber doch.

Erste Regel in diesem Land, immer eines der organisierten Taxen nehmen, auch wenn das bedeutet, dass du warten musst.

Haben wir gemacht und hatten dann dankenswerterweise einen sehr sehr stillen Fahrer, der uns in seiner Klapperkiste nach Downtown fuhr.



Im Hotel dann ein anderer Rookie an der Rezeption. Leicht verpickelt in einer Uniform steckend, die definitiv zu groß für ihn war, ähnlich seiner Aufgabe, uns einzuchecken, denn sein Englisch war öhm rudimentär….vielleicht. Nach so 27,56 Minuten hatte ich meine Key Card und nach weiteren 12 Minuten sogar ein Taxi für den nächsten Morgen vorbestellt.

„Egal wie spät es ist, ich trink jetzt noch ein Bier.“

Haben wir gemacht, war aber ungemütlich, da 17 angetrunkene High Professionals, die scheinbar ihrem Assessmentcenter entfleucht waren und auf ihrer Flucht in eben dieser Hotelbar einkehrten, mit ihrem Verhalten bewiesen, dass ihnen einen essentielle Eigenschaft, die ihr Streben nach Höherem unterstützen würde, fehlte: Rücksichtnahme.

Daher: Sturzbier. War ja auch schon spät.

Nächster Morgen. Wahnwitzige Taxifahrt durch ein erwachendes Budapest und einen Fahrer, der unbedingt sein Englisch testen wollte. Ich habe mich irgendwann ausgeklinkt und den Rookie machen lassen. Konnte der dann auch gleich ein bisschen an seinen Skills feilen und das alles zum selben Preis. Ich kann das nicht haben, so früh morgens mit Belanglosem vollgetextet zu werden.

Ich finde Budapest weiterhin toll. Viel toller als Wien, denn noch immer hat es diesen pittoresken Charme, der mich "damals" schon beflügelte und der in Wien immer so aufgesetzt rüberkommt. Man könnte direkt siedeln, in Budapest. Anderes bestimmt auch.

Der Termin war so etwas Anderes. Erlebte ich bisher auch eher selten. Eigentlich gar nicht. Wir haben das Essen unter gelogener Anmerkung einer dringlichen geschäftlichen Angelegenheit ausfallen lassen und uns dann recht schnell verabschiedet und sind zurück zum Flughafen.



„Krasse Nummer“, sprach der Rookie.

„Mhm. Viel krasser ist aber dieses Gefälle zwischen arm und reich. Guck dir mal die Häuser und Typen. Und dann guck mal, was hier teilweise für Autos fahren….“

„?“

„Macht nix.“



Wir haben dann noch ein bisschen Zeit im Vielfliegerauquarium verarbeitet und uns an eine interessanten Interpretation eines Croissants gewagt. Wenn Sie denken, es schmeckte wie es aussah: Falsch. Ganz falsch.

Im Landeanflug auf Hamburg, pünktliche Landung 21.30Uhr, war der ganze Misttag bereits vergessen. Als wir vom Gate zum Ausgang gingen, sprach der Rookie, schwer schnaufend, da falsches Reisegepäck:

„Ich bin jetzt ganz schön platt. Die letzten zwei Tage mit Ihnen waren recht anstrengend. Ich reise ja gern. Also in den Urlaub. Aber so ein Businesstrip ist da was ganz anderes.“

„Stimmt. Überbewertet und unterschätzt zugleich… wie in vielen anderen Jobs auch.“

„Ich denke, man wird sich daran gewöhnen.“

„Das kommt darauf an. Und an manche Dinge gewöhnte ich zumindest mich nie. Fürs Erste würde Ihnen schon mal ein ordentlicher Trolly helfen.“

Und dann habe ich dem jungen Mann noch erklärt, wo er am Vortag seinen Wagen abgestellt hatte. Ts. Ich dachte immer, dass der Hamburger Flughafen recht überschaubar ist… to be continued.

PS Der Dealer hat neuen Stoff gebracht. Kann jetzt gern Einschneien und Zufrieren, ich wäre versorgt, so und auch so und sach mal, seit wann isst Du denn kein Fleisch mehr? Ich muss jetzt umdisponieren....





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Mir kommt es eher vor, das Rücksichtnahme auf dem Weg nach oben ein Blocker ist. Das fehlen selbiger scheint mir eher hilfreich zu sein.

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Von meiner Seite hierzu ein entschiedenes NEIN.

Natürlich gilt es zu prüfen, was es bedeutet, "nach oben zu kommen". Fakt ist aber: In den allermeisten Fällen ist Erfolg, was immer man darunter versteht, ein Katalysator für einen Weg nach oben. Und dieser Erfolg geht Hand in Hand mit Teamplay und dieses setzt ein gewisses Maß an Empathie voraus. Der egoistische Karrierist ist vielleicht für den Augenblick der Sieger. Nachhaltiger und damit längerfristig gesichert ist der kooperative Weg.

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Dem stimme ich zu. Ellenbogeneinsatz macht es um einen herum einsam und man kommt nicht weit damit.

Seit ich vir fünf Jahren diese Nazidemonstration in Budapest gesehen habe, ist mir Bange im diese Stadt.
Also richtige Nazis, keine Klamottenkasper, die der Antifa und den anderen Gegendemonstranten eh zahlenmässig unterlegen sind, dazu massenhaft Unterstützer unter den ganz normalen mittelständischen Leuten.

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Heute von drei Kündigungen mit Freistellung mitbekommen, von einer Produktionslinienverlagerung nach Indien und das Kollegen abgefragt werden wer bereit wäre in Taiwan neue Produktion auszubauen.

Diese Teamplay Regel gilt wohl nicht wenn Umsatz nur um 9% und nicht um 16% steigt.

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@Kittykoma: Jep, Nazitum in diesem Land ist ein Thema, zumindest den Aussagen nach. Was glauben Sie, warum wir schnell weg mussten?

@Herr Strelnikov: Ich glaube der Vergleich hinkt etwas. Ich bewege mich auf der Microebene zwischenmenschlichen Verhaltens. Sicherlich könnten Sie einwenden, dass die Entscheidung der Produktionsverlagerung ebenfalls von Menschen getroffen wurde: Stimmt. Aber wahrscheinlich haben genau diese Entscheidungsträger nicht mal eine Ahnung, wie Sie heißen. In deren Sicht sind Sie Teil der Headcounts. Das kann man gut, oder schlecht finden.

Fakt ist: Solange tatsächliche Kosten, wie Umweltzerstörung durch Flug- oder Schiffstransporte nicht preiswirksam berücksichtigt werden müssen, bleiben solche Verlagerungen für Unternehmen nur Rechenübungen.

Nicht das wir uns missverstehen: Ich bin gegen solches Tun und halte es für den falschen Ansatz. Wieso, könnte ich in einem ellenlangen Kommentar niederschreiben. Mach ich aber nicht. Nachher sind die Leute, die hier lesen, noch von mir enttäuscht, wenn Sie verstehen? ;-)

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Was glauben Sie, warum wir schnell weg mussten?

das hatte ich befürchtet. leider grade (fast) alle irre da.

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Budapest. Hach. So viel Liebe! Eine traumhafte Stadt.

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AMEN.

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wenn nur die leute nicht wären.

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Seit neulich.
Croissants sind erlaubt.

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Aber nur wenn es auch Croissants sind! War übrigens schön mit Dir! Haben wir uns überhaupt für den Kuchen bedankt? Wenn nicht: Vielen Dank! Wir zehren heute noch davon, auch kalorisch!

Lass mal nicht so lange warten bis zum next male.

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