Dienstag, 25. April 2006
Uelzen, Uschi und ein Mercedes 600
Hansen, Siggi und ich waren mal in Uelzen und zwar in einer Disco. Wie die hieß fällt mir grade nicht ein, macht aber nichts, weil der, der sich in Uelzen auskennt, vermutlich sowieso weiß wo wir waren. SO groß ist Uelzen ja nicht.
Sollte jemand nicht wissen was, oder wo Uelzen ist, erkläre ich das gern mal kurz in zwei Sätzen: In Uelzen sind zur Erntezeit immer(!) die Strassen durch die vielen Rübentrecker verstopft und dort werden auch die schicken Leitz-Ordner gefertigt, was nicht weiter wundert, weil ja die ganzen Rübenab- und einlieferungsbelege auch abgeheftet werden müssen. Huch, nun ist es nur ein Satz geworden. Da können wir aber nachlegen:
In der FAZ gab es einen Artikel, geschrieben von einem Redakteur, der unbeabsichtigt und unverschuldet in Uelzen notwassern musste (richtig, die Bahn fiel aus), mit folgender Überschrift:
Niemand fährt gern nach Uelzen. Niemand!

Das sagt schon alles, und wenn so etwas in der FAZ steht, muss was Wahres dran sein. Und nun weiter zur Story.

Wir waren also in Uelzen und das sogar freiwillig. Und wo ich so über Uelzen schwadroniere, fällt mir auch gerade wieder ein, wie die Disco hieß: Galerie.
Die Galerie war ein schmucker Schnellbaukasten am Rande der Stadt. Wir bekamen beim Reingehen so einen Stempel, der im schwarzlichtausgeleuchteten Eingang vor sich hinstrahlte. Das war total avantgardistisch und peinlich, wenn man zu Schuppen neigte.
Einmal drinnen wussten wir auch gleich, warum man uns beim einchecken so skeptisch beäugte: Unsere Anwesenheit störte doch empfindlich das diffizile Mengengelage zwischen den Russlanddeutschen und den Rübenbauern, was uns aber nicht störte, denn unter solchen Vorraussetzungen war Uelzen überall und da haben wir uns schon an ganz, ganz anderen Stätten verlustiert.
Im „Haupttrackt“ gab es eine kleine Tanzfläche und eine noch viel kleinere Galerie; oh wie passend, denkt jetzt der eine und der andere wundert sich, hatte die ganze Chose nicht denselben Namen? Stimmt! Und weiter geht’s:

Die Tanzfläche war voll mit Mädchen und Buben der Generation D-Trance 1-3234, die im Stakkato von ungefähr 5000bpm synchron zappelten und wir machten es uns erstmal an der Bar gemütlich. Dort versah ein androgynes Wesen seinen Dienst, das dammich noch eins lasziv und sexy war. Hätte ich mit Sicherheit gewusst, dass das Wesen ein weibliches war, hätte ich es bestimmt angemacht. So bestellte ich aber nur drei Hefe für uns.
Wir schauten uns das ganze Treiben von unseren Barhockern aus an, registrierten die Messer im Blick der Russlanddeutschen, genauso wie die der Bauern und Stiernacken und prosteten allen freundlichen zu, was die aber kein Stück zu würdigen wussten. (Ermahnender Einschub vom Autor: Lieber Uelzener und Zugereiste, seid nett zu Fremden, die frisches Geld in eurer kleine inzestuöse Stadt bringen, in Zeiten der Globalisierung zählt jeder Cent.)
Irgendwann unterbrach der Plattenjockey die ganze Schau und bat alle unter sechzehn Jahren, das Lokal zu verlassen, und das war sie dann auch, die Tanzfläche.
Wie zur Belohnung, so lange ausgeharrt zu haben, erklangen ganz neue Töne: Midnight Oil, ACDC und U2, die alten Öko–Stinker-Pazifisten- Zausel, die ich nicht leiden konnte, weil sie Heike, dass Mädchen auf das ich mal scharf war, mit dem ganzen New-Hippie-Scheiss ansteckten und die, die Marotte entwickelte, Räucherstäbchen bei unseren Treffen anzuzünden, von denen mir immer schlecht und aus der Beziehung dann auch nichts wurde, aber das ist eine ganz andere Geschichte, die ich irgendwann mal hier erzählen werde. (Einschub vom Autor: Meine Ex-Deutschlehrerin hätte sich bei diesem Satz nass gemacht)

Und weiter geht’s, denn wir haben noch viel vor:

Irgendeiner Eingebung folgend, ich glaube es war die Siggis, spielte der Plattenjongleur die, na? Ne Ahnung? Richtig, The Smiths. Und weil ich a.) deren Musik total dufte finde und b.) ein außerordentlich guter Tänzer bin und c.) die Kombination aus a+b es zwingend erforderlich macht, sich rhythmisch zu bewegen, sobald deren Hymnen erklingen, war ich hux flux auf der Tanzfläche und zwar mit Siggi, der immer nur mit Hansen oder mir tanzte.
The Smiths mochte ich ja schon immer. Deren Sänger, der Morrissey (hat gerade eine neue Solo CD draussen) ist ein charismatisches Bürschchen und böse Zungen behaupten ja (Achtung Bildungsteil, dauert aber nicht lange, versprochen), die waren nur so erfolgreich wegen, na? Richtig, dem Morissey. Da ist aber Quatsch, ich glaube nämlich das hängt mit Manschester zusammen, der Stadt aus der die kamen, genau wie die von mir hoch verehrten Herren Joy Division oder, aus neueren Tagen, Oasis, die mit Whats the morning glory eine ganz, ganz zauberhafte Scheibe raus brachten, aber mit Liam einen Riesenarsch als Frontmann haben, den ich noch viel doofer fand, seit ich las, dass er mal was mit der kleinen putzigen Patsy Kensit hatte. In die hatte ich mich doch verliebt, genauso wie in Pia Lund und aus Manchester kommt noch viel mehr tolle Musik.

So, einmal durchatmen, ist ja gleich geschafft und weiter geht’s:

Siggi und ich tanzten also zu den Smiths und das war beim Song There is a light that never goes out und vier Hefe nicht so einfach. Aber heh, ich bin der Cabman, und ich tanzte zu diesen Songs schon mein ganzes junges Leben, das war sozusagen einstudiert. Wir haben wohl auch sehr beeindruckend ausgesehen, denn wie in allerschlimmsten Klassenausflugsdiscothekszenarien, hatte sich ein mitklatschender Kreis (wirklich!) um uns gebildet. Ließen wir uns davon stören? Kein Stück. Der Zeremonienmeister war wohl auch beeindruckt, denn er spielte, sehr zu unserer Freude, This Charming Man hinterher und da ging es dann richtig ab.
Danach folgte nur der übliche Brit-Pop Kram, ein bisschen Fury in the Slaughterhouse, nichts, was animierte weiterzutanzen. Siggi und ich gingen zurück zur Bar und zischten ein Hefe.
Dort zogen wir gerade Hansen auf, der total sauer war, weil er fahren musste und somit nichts trinken konnte, als, und nun halte sich der geneigt Leser fest, denn das ist kein Scherz, ein kleine, sehr dralle und sehr toupierte Blondine auf uns zukam und tatsächlich sagte, sie würde Uschi heißen, und wäre das nicht schon des Lachens genug, war sie auch noch Friseurmeisterin mit eigenem Salon.(Realsatire? Was glauben denn Sie, wie wir uns beömmelt haben?) Hansen und Siggi lagen bereits unter den Hockern, aber ich war sehr beeindruckt, dass sie sich von den Beiden kein bisschen irritieren lies. Ich fragte dann auch, (ja, der Cabman ist Kavalier) ob sie ein Hefe habe wollte. Wollte sie nicht, da ihr Magen das nicht vertrage und Siggi sagte, dass er auch immer vom Hefe furzen müsste und nur um das zu bestätigen, prasselte er auch einen ab. Hansen und ich krümmten uns vor Lachen, aber die Lütte war nicht aus der Fassung zu bringen.
Da sie eindeutig an mir interessiert war, (Einschub vom Autor: So etwas merkt man mit der Zeit) weil sie fand, dass ich gut tanzen könne, fragte ich sie ob sie schon mal einen 600er Mercedes (wie wir an den kamen und warum wir überhaupt in Uelzen waren, ist eine ganz andere Geschichte) gesehen hätte. Hatte sie nicht und Sex im Auto hatte sie auch noch nicht und dann gab es für beides eine Premiere. Und ich kann hier und heute versichern, dass Uschi wusste was sie tat (euer Ehren), die konnte sich bewegen, aber ehrlich! Und damit wäre auch bewiesen, wenn Mann tanzen kann, geht alles leichter, denn die rhythmischen Hüftbewegungen (Der Autor empfiehlt: Smooth und sleazy müssen sie sein!) signalisieren dem paarungswilligen Weibchen: ich bin hier, jung und gesund und würdig, der Vater deiner Nachkommen zu werden, und dann setzt ein biologischer Effekt ein, dem keine Frau widersteht. Man schaue sich nur den Siggi an.
Wir fuhren dann nach Hause, gen Norden. Hansen spielte die ganze Zeit über Joy Divisions Heart and Soul (Autorepeat). Siggi und ich glaubten ja, dass er sich in das Wesen von der Bar verliebt hatte, nur gefragt hätten wir ihn das nie und dann schlief ich ein.


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