Donnerstag, 9. August 2007
Warten auf den Bus
Und dann, zur Stunde als der Morgen mit wirschen Strichen Grau und auch Silber im Osten ins Blau der Nacht vermischte, verließen wir ihn, den Olymp ewiger Jugend.
Wir fanden uns wieder, auf der anderen Seite der Schnellstraße, die Demarkationslinie zwischen urbanen Treiben und ländlicher Idylle. Uns gegenüber, der bedrohliche Schatten der Stadt, Silhouette des gar garstigen Molochs, der so viele Träume und Hoffnungen fraß, sich gar davon zu ernähren schien. So viele Kinder besorgter Eltern, die sich mit nichts weiter als ihrem Enthusiasmus und der Naivität der Jugend hier in ihre Chance und gleichwohl oft auch in ihr Unglück stürzten, doch zu Beginn wussten sie davon nichts.
Sie saß neben mir auf der Bank, wartete wie ich auf den Bus, auf das klärende Gespräch, doch ich konnte nicht. Lauernd, gefüllt mit berstender Ungeduld, wollte ich es von ihr hören, wollte Worte wie Peitschhiebe, wollte darunter zergehen und in nimmer endendes Leid verfallen, nur, nur um nicht schuld zu sein. Um mich nicht fragen zu müssen, ob ich hätte etwas retten können, oder wollen. Ich beanspruchte, dass sie es war, die dieser unserer Beziehung ein Ende bereitete. Doch sie tat es nicht, noch nicht.
“Ich glaube wir müssen reden“, sprach ich in die Dunkelheit.
„Wenn du meinst.“
Dabei hatte sie dieses Lächeln, es waren nur ihre Augen. Der Mund blieb ganz regungslos, doch diese Augen, die lachten mich an. Früher war dies unwiderstehlich für mich, heute glich es einer Provokation.
„Du findest das lustig?“
„Wieso?“, antwortete sie ungehalten und das Lächeln verschwand.
„Interessiert dich denn nicht, was ich zu sagen habe?“
„Ich denke, ich weiß es schon.“
„Und das wäre?“ Hoffnung keimte in mir auf, Hoffnung, dass sie jetzt damit rausrücken würde, sagte, dass dies alles kein Sinn hat und ich somit frei war, auch von Schuld.
„Du möchtest mit mir ein ernstes Gespräch führen. Du bist wahrscheinlich unzufrieden mit unserer Beziehung, unserem Sexleben, mit deinem Job und am meisten haderst du wohl damit, dass du von dem was du alles wolltest nicht mal mehr als die Hälfte geschafft hast, oder?“
„So in etwa. Eigentlich bin ich mit mir zufrieden. Ich…“, weiter kam ich nicht, denn sie fiel mir ins Wort.
„Eigentlich ist aber nicht genug, mein Lieber“, schrie sie fast. „ Nach eigentlich kommt immer ein ABER, verstehst du? Und dieses ABER ist es, dass uns in diese Situation manövrierte, dass dich belastet und damit auch mich. Ganz ehrlich? Ich fühle mich bei dir nicht mehr wohl. Deine ewige scheiß Übellaunigkeit geht mir gehörig auf den Keks. Wärest du doch wie früher. Was glaubst du wie anregend es ist, mit dir ins Bett zu gehen? Glaubst ich habe Spaß dabei? Du kotzt mich nur noch an. Finde zu dir selbst, ich kann dir dabei nicht helfen, denn alle meine Versuche legtest du mir als Bevormundung aus, da hab ich keinen Bock mehr drauf.“
Sie war ehrlich, hatte recht und ich hatte bekommen was ich wollte, doch ich wollte es nicht so.
Der Bus kam. Ich hoffte, wenn wir im Bus wären, würde sie nicht mehr schreien können, es sich in diesen ruhigen Minuten noch mal überlegen, bitte anders ausdrücken, doch statt dessen sagte sie:
„Ich komm nicht mit. Ich fahr mit Tom und schlaf auch bei ihm. Er wartet am Starlight auf mich. Mach´s gut, ruf mich an wenn du weißt was du willst.“
Und dann ging sie. Einfach so.
Ich bleib noch eine Weile sitzen, Nieselregen setzte ein und vermischte sich mit meinen Tränen. Das war gut, denn so konnte keiner der vorbeigehenden Nachtschwärmer, teils bekannt, sehen wie ich weinte.
Ich weigerte mich zu glauben, dass ich nun doch Schuld trüge, wollte nicht akzeptieren, dass ich uns dahin trieb, wo wir nun standen. Ich bin nicht SCHULD, rief die zitterige Stimme im Kopf, es ist diese Drecksstadt, die alle kaputt macht, nicht ich! Nur eine Lüge mehr.


... link (2 Kommentare)   ... comment