Dienstag, 6. November 2007
Na, ...
...Sie haben doch auch geglaubt, ich hätte mein Benjamin Blümchen-Koffer gepackt und mich davon geschlichen. Da haben Sie sich aber geschnitten, die Rechnung ohne den Wirt gemacht, völlig daneben gelegen und nun (interkulturelles Schmankerl für Aphorismeninteressierte) total am Huhn vorbeigeschossen, denn: Ich habe keinen solchen Koffer, nur wenig Zeit und die sogar reichlich.
Den Email-anten sei geschrieben, es wird kommen, eine Antwort und vorab:
Tack ska ni ha, det var väldigt omtänksam! Tack så jätte mycket.
Jut. Kommen wir nun zum heutigen Aufsatz mit dem schillernden Thema:

Kiffen, Krachten und Kreolen, fast Sterben auf dem Weg nach Holland
Oder
Eine Nachbetrachtung, die aber dramatisiert

Las ich heute Morgen im Flugzeug den Bericht zum wirklich verabscheuungswürdigen Übergriff auf zwei Jugendliche auf St. Pauli. Ich denke die Tat ist barbarisch, nicht zu entschuldigen und sollte mit aller Härte bestraft werden.
Dennoch hätte ich ein paar Fragen an die Macher von „Welt Kompakt“:

Warum wird ein Opfer namentlich erwähnt: Nico Frommann (19), Sohn des Bezirksamtsleiters Nord, sowie der Focus auf ihn gerichtet und sein Kumpel, nicht minder in Mitleidenschaft gezogen, erfährt dies Behandlung nicht. Warum? Weil seine Eltern vielleicht „nur“ kfm. Angestellte sind? Ich bin erpicht drauf zu wissen, ob die Leiden des einen Opfers wohl schlimmer sind, da (oh ich erstarre fast vor Respekt) es aus einer Amtsleiterfamilie stammt. Müssen wir dann auch bald die werte Frau Gemahlin mit „Frau Amtsleiterin“ grüßen, obwohl ihr dieser Titel nicht zusteht? Dies interessiert mich im Namen der Gerechtigkeit.

Noch ne Frage: Im ersten Absatz schreibt ihr von drei Türken und einem Deutschen als Täter.
Im letzten Absatz schreibt ihr, dass die Gewalt auf St. Pauli, vornehmlich durch südländische Jugendliche verübt, ein Problem ist.
Nun ist es so, dass für jemanden aus Hamburg der Süden ja schon hinter Harburg anfängt, ergo Niedersachsen demnach fast das Mallorca Norddeutschlands ist. Irrige Menschen, die sich nach Tankstellen benennen und meinen bei Maschen fängt der Wilde Westen an, sind genau dies, nämlich irre und werden daher vernachlässigt.
Ich weiß ja, dass ihr im Korsett der politischen Korrektheit gefangen seid, aber gehe es nicht ein bisschen genauer? Selten hörte man davon, dass niedersächsische jugendliche Landwirtanwärter des Nächtens nach HH kamen, um die Söhne der Stadt mit frisch exhumierten Knollfrüchten zu bewerfen. Ich weiß das. Ich war schon mal in Uelzen. Schlimmer als Uelzen ist allerdings Bad Oeynhausen. Den Mann, den ich dort mal nach dem Weg zum Hotel fragte, gibt noch immer im Lokal diese Geschichte zum Besten: Der Tag, als ich mit dem Auswärtigen sprach! Der Niedersachse kommt nicht raus, also ist diese Verallgemeinerung ebenfalls, im Namen der Gerechtigkeit, zu überdenken, denn so gesehen, könnten demnach auch die Österreicher Südländer sein, aber das geht sich net aus, das geht so net, denn irgendwann ist man soweit südlich auf dem Globus, das Hamburg auch südlich ist und damit hätten wir dann wohl irgendwie alle Schuld, oder?

Na egal, ich saß da so mit meinem Kaffee, gönnte mir diese verzerrten Gedanken, als plötzlich und mit plärrender Stimme, sich der Herr Kapitän aus dem Cockpit meldete.
Es ist nun so, sagte er, wir hätten da ein technisches Problem mit dem Triebwerk, wir könnten nicht weiterfliegen, kein Grund zur Sorge, wir prüfen das, wenn genauere Infos vorliegen käme er wieder durch. Aus.
Totenstille in der Kabine. Kein Zeitungsrascheln, kein Reden, einfach nur Stille, für eine ganze Minute. Was soll ich sagen, man beginnt schon, an komische Dinge zu denken, z.B. schaut man sich die Leute um sich herum an und fragt sich, will ich wirklich mit denen sterben? Jut, mal abgesehen davon, dass es zeitlich gerade total unmöglich ist, aber auch mit diesen Leuten?
Die Antwort war schnell gegeben: Nö. Fettbäuchige Halbglatzenträger mit schlecht sitzenden Anzügen sind keine gute Gesellschaft, ans Himmeltor zu klopfen.



In meiner Unwissenheit schlug ich meinem, zugegeben, etwas veralteten Überlebensratgaber auf und fand die einzige Stelle, die mir in unter Berücksichtigung aller Faktoren sinnvoll erschien:

Was tut man, wenn der vom Starkstrom Getroffene noch an der Leitung hängt?
Man lässt sofort den Strom ausschalten.
Wofür sorgt man weiter?
Dass der Verletzte nicht durch Herabfallen auf den Erdboden Schaden erleidet.

Ich finde das macht Sinn, kann auch für Flugzeuge gelten, so im weitesten Sinne.
Die Geschichte, die mich heute an meine begrenzte Zeit gemahnte, endete wie folgt:

Alles weniger dramatisch als gedacht: Die Schubumkehr eines Triebwerkes war defekt. Wir wurden nach Köln umgeleitet zur Reparatur und ich dachte noch, na toll, fallen wir bestimmt auf diese olle Kirch da, alle überleben, nur ich bleib unglücklich mit dem Auge an der Kirchturmspitze hängen, dem war aber nicht so. Landung gut, Reparatur gut und mit 2 Stunden Verspätung endlich in Amsterdam angekommen. Meeting gut, leicht verspätet, aber gut, Rückflug gut, und nun gerade festgestellt, dass mein totschöner 10,-Euro Fred Perry Schal weg ist. Auch gut, ein vergleichsweise geringer Preis, wenn es denn der Preis sein sollte, ich glaube aber: Da waren bestimmt Niedersachsen in Amsterdam, oder Bayern, oder Franken, aber definitv irgend so ein Südländer, die sind überall!

PS Ja, ich freu mich, dass ich mein Leben habe. Und diese Weblogin gehört dazu, falls Sie sich wundern sollten….


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