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Donnerstag, 1. Mai 2008
Im Mai schlagen nicht nur Bäume aus
cabman, 20:58h
Ich weiß nicht, was Sie heute so getrieben haben, ich jedoch war dagegen, nämlich gegen den Aufmarsch der Rechten in dieser, meiner geliebten Stadt, denn Braun steht dem Hanseaten, wenn auch nur zugereist, überhaupt nicht.
Nicht das wir uns missverstehen, ich habe genauso wenig eine Linke Gesinnung wie eine Rechte, aber ich bin sehr wohl gegen die Extreme jegliche Randlagen, denn ich bin die „neue“ Mitte und sehe diese und jene Geisteshaltung daher als Gefahr.
Deswegen und nur deswegen war es mir heute ein Anliegen, meine Stimme zu nutzen und mit meiner Anwesenheit zu kommunizieren: Hier ist einer, der euch nicht mag. Und genau das ist es, was dieses Land und diese Demokratie brauchen, wenn sie nicht in eine totalitäre Struktur verfallen will – EIGENVERANTWORTUNG.
Ich halte nichts von den Forderungen eifriger Politiker und Gewerkschafter, diese und jene Partei oder Organisation zu verbieten, solange diese sich im Rahmen der gültigen Gesetze bewegt. Ein Demokratie muss unterschiedliche Meinungen zu lassen und verkraften können. Denn Freiheit, dieses hohe Gut, das wir nur zu selten als solches erkennen, ist immer nur die Freiheit des Andersdenkenden, um es mal mit Rosa Luxemburg zu sagen.
Also fuhr ich rüber zur „Fuhle“, was mir ein leichtes war, denn großräumig war alles abgesperrt. So konnte ich alle vier Spuren der City-Nord nutzen – ein Fest für den Radler.
Da es bereits im Vorwege zu Ausschreitungen kam, hatte die Polizei wohl etwas wie eine Bannmeile um den Aufmarsch gezogen, denn mehr als die Rücken der Vertreter des Schwarzen Blocks gab es nicht zu sehen, wohl aber zu hören, vor allem die Sirenen der Polizeiwagen. Ich glaube, ich habe mein Lebtag noch nie so viele Polizeifahrzeuge gesehen wie heute.
Nach dem der Umzug die Fuhle Ecke Hebebrandstrasse passiert hatte, lieferten sich die Polizei und Hardcore-Gegendemonstanten ein Rennen hin zum Ohlsdorfer S-Bahnhof, denn genau da hin zogen die Rechten.
Ich muss schreiben, so ein schwarzgewandteter Mob ist schon sehr beeindruckend, wenn nicht sogar beängstigend. Schlimmer war jedoch, als dieses Mädchen mich verdächtigte, ein Nazispion zu sein. Sie machte dieses daran fest, dass ich telefonierte und eine Ben Sherman Jacke trug.
Liebes Mädchen,
stellvertretend an alle deine Party-Demonstranten möchte ich Dir schreiben: Das Recht und die Freiheit Mensch zu sein, also die Dinge, die heute von eurem Demo-LKW aus den Boxen dröhnte, musst du auch mit zugestehen. Denn wenn nicht, seid ihr nichts anderes als das, was ihr zu bekämpfen glaubt - eine verkackte, elitenbildenden und ausgrenzender Horde übler Ignoranten: Ihr stündet den anderen in nichts nach, außer der Farbgebung.
Und ich halte es für sehr beachtlich, das scheinbar der einzige Weg eurer politischen Meinungsäußerung darin besteht, Sachschäden zu verursachen. Davon halte ich gar nichts, ich finde es nicht mal lustig, mir fällt dazu nur ein: Dumm ist der, der Dummes tut.
PS Wenn du wieder nach Hamburg kommst, kopier den richtigen Teil vom Stadtplan, dann weißte auch wo du bist.
Das war nämlich ein Problem. Einige wussten nicht, wie sie in Richtung S-Bahnhof kommen sollten. War so einfach auch nicht, da wirklich jeder kleine Winkel abgesperrt war. Was glauben Sie, was es in den Ringstraßen für ein Verkehrschaos gab?

Egal. In Ohlsdorf fand der Spuk ein Ende, denn dort wurde die Demo der Rechten aufgelöst. Unter massiven Polizeischutz checkten die Nazis ein, begleitet von so sinnentleerten Sprüchen der Gegendemonstranten wie: „Nie wieder Deutschland.“
Dieser Spruch ist so dumm und hohl, dass man ihn eigentlich nur milde belächeln kann. Vielleicht versteh ich ihn auch nur nicht, wer weiß?

Fakt ist, dass dieses Ding wieder wahnsinnig Geld gekostet hat, weiss der liebe Herrgott, wie viele Millionen das werden, aber, die Gesellschaft und die Demokratie sollten es sich auch etwas kosten lassen. Freie Meinung und Meinungsbildung gehören nämlich zu den Grundpfeilern ihrer selbst. Das ist verdammt wichtig, denn wenn am Ende etwas schiefgeht, dann ist es immer der Mensch, unabhängig von Werten und Gesinnungen oder Einkommen, der a.) zu leiden hat und b.) den ganzen Mist auch wieder aufräumen muss.
In diesem Sinne, bleibt immer auch Mensch und gesteht es dem anderen auch zu. Amen.


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Mittwoch, 30. April 2008
Was für morgen:
cabman, 17:15h
Ich trage eine Fahne,
und diese Fahne ist rot.
Es ist die Arbeiterfahne,
die uns die Einheit gebot.

Hah. Da kommt er wieder, wie jedes Jahr, der Tag dessen Ursprung uns nicht im Bewusstsein ist, weil alles irgendwann einmal in Vergessenheit gerät, wird es nicht gepflegt. Und weil es immer eine handvoll Menschen gibt, die mir erzählen, ich würde ja nicht richtig arbeiten, malochen oder schuften, möchte ich kurz die Hausarbeit anmerken. Dabei werde ich manchmal wirklich schmutzig, was ja manch einem ausschließlich als Indikator für tatsächliche Arbeit gilt.
So ist morgen nicht nur frei, sondern auch Tag der Arbeit und lassen Sie uns gemeinsam, nachdem wir unseren Rausch vom Tanz in den Mai losgeworden sind, ein wenig derer gedenken, die eigentlich nichts zu feiern haben, weil dieser Tag genau das ist, was jeder andere Tag auch ist, nämlich eine Anhäufung von Stunden freier Zeit unmöglicher Möglichkeiten. Im Anschluss freuen wir uns dann über uns und die Tatsache, dass die Gehälter real sinken, die Lebenshaltungskosten steigen, die Armen immer ärmer werden und die Reichen immer reicher, dass die Mittelschicht schneller erodiert als sonnenverdorrtes Ackerland in China und trotz allem der Aufschwung irgendwo angekommen sein soll und wir demnächst ja sogar Vollbeschäftigung haben.
Sollten Sie das alles nicht als Anlass zur Freude erkennen und keine Rote Fahne haben, dann improvisieren Sie gern und marschieren Sie mit in Richtung Zukunft. Die liegt gleich vor Ihnen und möchte gern von Ihnen gestaltet werden und nur von Ihnen, denn wenn Sie wirklich darauf spekulieren, dass jemand anderes dies für Sie tut, dann müssen Sie sich damit arrangieren, dass Sie sich gegebenenfalls arrangieren müssen, vielleicht sogar in der Schweiz. In diesem Sinne.

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Mittwoch, 30. April 2008
cabman, 00:44h
Oha. Habe ich nicht nur ne neue Tastatur, sondern auch gleich was zu berichten, nämlich, dass die Tastatur nicht mehr so schön arbeitsam klackert und ich in Zürich war. Gestern und heute.
Nachdem mein alter Kumpel Max Goldt (Hörn Se ma, wenn man alle Bücher von einem Kerl gelesen hat, der sehr selbstreferenziell schreibt, dann ist man so etwas wie Kumpels, auch wenn man sich nicht persönlich kennt) mal schrieb, man dürfe nicht "Flieger" schreiben, erwähne ich kurz, dass ich mich gestern mit dem letzten Fluchzeuch auf und dahin machte, nämlich nach de Schweiz hin.
Sie kennen dieses lustige Völkchrren, welches dort auf den Bergen wohnt und zwar denen aus steuerflüchtigem Geld? Also ich kenn die und ich mag die, die ich persönlich kenne, sogar sehr.;-)
Kam ich also an und es regnete. Das ist nicht ungewöhnlich, denn da wo ich bin, ist auch Regen, es nervt aber trotzdem.
Frug ich den Taxifahrer, ob meine 70 SFR wohl zur Entlohnung der Wegstrecke hin zum Hotel reichen würden und er antwortete auf völlig korrektem Hochdeutsch und mit dem CHF-Zeichen in den Augen:
„130 ist eher wahrscheinlich.“
„Aha“, so ließ ich von mir vernehmen und weiter „da haben wir ein Problem.“
„Nicht wenn Sie eine Kreditkarte habe.“
„Habe ich.“
„Na dann steigen Sie ein.“
„Merci.“ entfuhr es mir, denn man will ja seine Grandeur auch mal zeigen, auch wenn es keinen interessiert.
So zuckelten wir durch das frühabendliche Zürich, nur begleitet vom Plopp Plopp der Scheibenwischer und ich hing meinen Gedanken nach, als der Fahrer die Konversation eröffnete, indem er anmerkte:
„Ihr Hotel liegt auf dem halben Weg nach Zug.“
„Das liegt nur daran, dass dieses Land so klein ist und man ja irgendwie immer irgendwo auf halben Wege ist: Auf dem halben Weg nach Bern, nach Chur, Basel, nach Luzern oder Neuchâtel. Im Augenblick befindet ihr euch auf halben Weg in die Krise, wenn man den Zeitungen trauen darf.“
„Da sagen Sie was“, antwortet der Fahrer, sichtlich angetan, dass ich mehr als eine Stadt in der Schweiz kenne und es entspann sich eine nette Unterhaltung, in deren Verlauf wir auch auf das Thema Ausländer zu sprechen kamen:
„Früher“, so sprach der
„Ja, ja, „ antwortete ich „der Stellenabbau der deutschen Banken muss ja irgendwo aufgefangen werden.“
„Pah. Banken! Die sind überall. Schaffner, Hotelerie, sogar in Krankenhäusern. Und es werden nicht weniger.“
„Tja. Das nennt man Globalisierung und den Wunsch der Menschen, zu arbeiten und dafür anständig bezahlt zu werden. Wer will es ihnen verübeln?“
„Ich finde“, sprach der Fahrer wohl im aufkeimenden Bewusstsein, dass er einen Deutschen als Fahrgast hatte, „dass es wenigstens reguliert werden sollte. So 10.000 im Jahr.“
„Oha. Wir wollen Sie die denn auswählen? Wonach wollen Sie bewerten, wer darf und wer nicht?“
„Das sollte das Los bestimmen.“
„Was glauben Sie, was ihre Industrie dazu sagt?“
„Na was schon. Die werden schreien, die alten Gewinnmaximierer, denen ist doch alles egal, solange die Gewinnspanne passt.“
„Sach ich ja, auf halben Weg in den Untergang und es spielt keine Rolle, welcher Nationalität die Totengräber sind, oder?“
„Das ist auch wahr. So. Wir sind da. Das macht dann 125 SFR.“
„Danke. Machen Sie 130 und geben Sie mir bitte ein Quittung.“
Interessant, oder? Also ich fand es furchtbar spannend. Und was glauben Sie, bei wem ich dann in diesem schicken Hotel mit Blick auf den Züricher See eincheckte?
Bei Mario, aus Boizenburg! Das ist kein Witz. Mario erfüllte alle Klischees, die man nur haben kann: Blonde Strähnchen, Boss-Gürtel in der H&M Hose und Slipper. Aber nett. Sehr nett.
Wenn Sie sich jetzt wundern, woher ich weiß, dass Mario aus Boizenburg kommt, nun, ich habe ihn gefragt, woher er stamme, denn er sprach einen mir vertrauten Akzent. Ganz früher nämlich, da ging ich mal zur Berufsschule und da gab es ein Mädchen, die kam aus Boizenburg, keine Schönheit, eher so eine Person, deren Brille ihre Unansehnlichkeit noch abrundete und so was von zickig. Sie meinte immer, wir sollten mal nen Klassenausflug nach Boizenburg machen, es wäre eine Reise wert. Davon gehe ich aus und ich verspreche, sollte irgendwann einmal der liebe Herrgott oder ein anderer Vorstandschef von einem für mich relevanten Unternehmen die Entscheidung treffen, das HQ nach Boizenburg zu verlegen, dann fahr ich da auch hin. Ehrenwort!
Ganz was anderes.
Geschäftlich war heute auch gut, eigentlich sehr gut, das wollen Sie jedoch nicht wissen. Ich möchte aber trotzdem ein paar Fragen stellen. Ich war heute nämlich in so einem neuen, supertollen und riesigen Einkaufscenter, mal schauen was die in der Schweiz so machen und dabei entdeckte ich dieses:
Das sind allerlei Kräuter und Zutaten aus aller Herren Länder. Sie können das jetzt nicht lesen (vielleicht bei der Vergrößerung des Chilis, da steht Herkunftsland: Thailand), aber es kamen als Erzeugerländer so Namen vor wie Israel, Vietnam, Thailand, Korea.
Mein Fragen:
Glaubt wirklich jemand, dass dies frische Zutaten sind?
Können wir es uns wirklich leisten, in Zeiten, in denen der Barrel Rohöl demnächst die 130$ Marke überschreiten wird, so ein Zeug quer um die Welt zu schippern und es dann in diesen wahnsinnig frischhaltenden Plastikblister zu verpacken, der auch Öl verbraucht?
Kauft der Blogger so etwas, ja?
Es würde mich wirklich interessieren.

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