Es ist kein großes Geheimnis, dass ich ab und an in die Tiefen der finsteren Musik abtauche. Ich mag die Leute dort, aber vor allem den unkonventionellen Sound.

Mein Glück dabei ist, dass Püppie auch ganz gern einer solchen Veranstaltung beiwohnt und wir dann gemeinsam bis in den Morgen tanzen, oder dummrumstehen, das aber lässig.

Es ist auch kein Geheimnis, dass insbesondere männliche Hardcore-Anhänger oftmals einer martialischen Kostümierung frönen, bei der manch ein Unverbesserlicher an die Renaissance der HJ glauben könnte.

Sei´s drum, es ist ein Spiel, ein Fetisch, den ich nicht teile, der aber wohl von der Musik befeuert wird. Auch diese spielt mit Klischees, Verboten und tut sich schwer, zu provozieren, wo doch all unsere Existenzen für irgendjemand auf diesem Planeten eine Provokation sind, wo alles schon gesehen und alles gefühlt wurde.

Als nun unten eingestelltes Lied vorneulich im Lieblings-Grufti-Lokal gespielt wurde, die Tanzfläche bebte und alles im Kunstnebel versank, da wunderte ich mich stark über den Text. Ja, ich mag den Beat und die Melodei, aber der Text?
Der Sänger ist Iraner und hat mal laut YouRöhre-Kommentar sinngemäß zur Motivation dieses Songs gesacht:

Wut auf alles, was den Deutschen die Freude am Nationalstolz nehmen will.
Aha. Vielleicht hören Sie sich mal den Song an, lesen den Text mit und halten Sie bitte bis 03:25 durch. Danach sagen Sie mir bitte, ob ich danebendenke. Irgendwie will sich die Ironie nicht zeigen. Nicht das ich es verurteile, was der junge Mann da singt, ich wundere mich nur, denn es gab früher Gruppen, die sind das Image der Nazi-Band nie wieder losgeworden nach solcher Art Texte.

Und heute? Interessiert es wohl keine Menschenseele, ist nicht mehr provokant und wird auch vom total alternativen Alt-Hippi-DJ gespielt. Doch wer ist nun krank? Ich, der ich der Überzeugung erlegen bin, dass dieser Text schlecht sein müsste, oder die, die mir diese Überzeugung indoktriniert haben?

Naja, worauf wir da stolz sein sollen, irritiert mich allerdings auch ein wenig.

ich denke, die sache mit dem stolz wird oft mit einem gesunden selbstwertgefühl verwechselt. die rousseausche unterscheidung zwischen selbst- und eigenliebe trifft das ganz gut: wo egozentrik statt selbstachtung herrscht, kippelt der ganze mensch labil zwischen herdentrieb und größenwahn hin und her.

zu thema ns in der gruftmucke: es gibt schon einige bands, die als rechts gelten. die frage ist bei links und rechts und mitte natürlich immer, wo man was nun genau ansiedelt. so ist es auch in der musikwelt so, dass eine band wie kirlian camera meines erachtens völlig zu unrecht als rechts gehandelt wird. kc treten im martialischen look auf, während in den texten eher kommunistische und sozialistische ideen sowie das konzept das-schöne-schafft-gutes vertreten werden. aber alle gucken nur auf stiefel, glatze, krawatte und schreien "nazi". dabei kommt kc ja aus italien und man dürfte endlich mal sachlich richtig "faschisten" rufen, wo man doch sonst so gerne nazis und faschos verwechselt.
jedenfalls habe ich djs und veranstaltungskonzepte erlebt, die sich weigern, die "rechte musik" zu spielen. man kann sich dann zerfleischen ob l´art pour l´art oder ob der text immer bare münze und nicht vielleicht literarisches und damit fiktionales produkt ist.
lyrics sind ein großer streitpunkt. nicht, weil sie so eindeutig rechts wären, sondern vielmehr, weil sie undifferenziert thesen produzieren. es gibt eine industrial band namens genocide organ, die ein lied klaus barbie gewidmet haben. ich war auf einem ihrer konzerte. sie lassen gewaltverherrlichende videos im hintergrund laufen, wo kinder und unschuldige zivilisten grausam getötet werden. das alles wird als faktum an eine wand projiziert. und wenn man jetzt schreien will, das ist rechtsradikal, dann liegt man trotzdem falsch. es sind zitate in bildern, mit denen die menge die völlig unreflektiert gefüttert wird. ergo: gefährlich ist nicht die musik oder ihre texte, sondern das, was dazu in den köpfen der zuhörer zusammengebraut wird.
trotzdem ist das für die lyrics nur ein halber freispruch. weil wir auch in musik und kunst so etwas wie verantwortung tragen. gerade nachdem uns unsere geschichte gelehrt hat, was demagogie anrichten kann.
trotzdem kann auch übertriebene zensur eine art ideologie werden: wenn wir alles verbieten, was tendenziös rechts sein könnte, weil es zitiert ohne zu reflektieren und ohne zu argumentieren, landen wir genau auf der linken seite des nationalsozialismus. nämlich in einer genauso paranoiden, totalitären monokultur.

Mhhh. Stolz auf dieses Land sein, das finde ich irgendwie merkwürdig. Stolz auf dass, was einige Menschen in diesem Land bewegen und bewegt haben, das vielleicht schon eher. Ich mag das Land. Es hat sehr viele schöne Gegenden, bietet Einiges an Abwechslung und im Großen und Ganzen kann ich mich auch ganz gut mit der Lebensweise hier arrangieren. Aber Stolz? Mhhh.

PS: Mit Mhhh anfangen und enden ist sicher nicht so elegant wie ein schlichtes Aha, geschah aber auch eher zufällig und ungewollt.

Stolz sein - Auf was?

Ich gehöre noch zu dem aussterbenden Menschenschlag, der nicht versteht, wie man auf etwas stolz sein kann, wofür man gar nichts geleistet hat.
Die Freunde die ich habe, den Job den ich gut erledige oder wegen mir auch der Porsche den ich vor der Tür stehen hab, darauf kann ich stolz sein. Aber was kann ich bitteschön dafür, wo ich am Anfang meines Lebens hingeworfen wurde?

Daß der Sänger auch noch mit seinem Migrationshintergrund kokettiert, machts nicht grade besser. Aber wie es aussieht, versucht die Band ja grade ein Comeback. Da kommt ein wenig Provokation und das Gewinnen neuer Zielgruppen (ist ja alles nur ironisch, höhö) sicher nicht verkehrt.