Sonntag, 12. August 2007
To Wish Impossible Things
Früher, in meiner Mansarde, über den Dächern der Stadt, schaute ich gern in den Nachthimmel. Ich mochte dieses dunkle Blau, und wenn wir Winter hatten, der Mond voll und alles so hell war, konnte man am Rauch der Schornsteine sehen, aus welcher Richtung der Wind kam. Ich saß gerne da am Fenster, auch im Sommer, wenn der Signalton der vorbeifahrenden Bahn in weiter Ferne gedämpft herüberwehte, wenn sehnsüchtig ich war und mir vorstellte, wo die Fahrt der dort Reisenden hingeht. Die Welt war damals noch groß, zu groß für einen kleinen Jungen.
Ich liebte dieses Zimmer und ich erinnere genau den Geruch, als mein Vater es endlich fertigstellte. Alles roch sauber, neu, unverbraucht. Ich wollte nichts anfassen, es nicht entweihen, nichts unordentlich machen.
Das Zimmer selbst war klein, ich hatte so ein Klappbett, damit man tagsüber Platz hatte, doch ich brauchte ihn nie. Ich lag lieber auf meinem Bett und las, tauchte ein in diese anderen Welten. Gajus und die Gladiatoren, Die Abenteuer des Werner Holm, Das Dschungelbuch - Wegbegleiter meiner Kindheit.
Es gab einen Kleiderschrank, einen Schreibtisch und ein Buchregal. Die Wände waren weiß bis auf eine Stelle, da hing ein Poster von Johnny Cash. Ich mochte dieses eine Lied von ihm über alles, es heißt Ring of fire und ich entdeckte es an dem Tag, als mein Vater diese Stereoanlage kaufte.
Ich weiß noch, dass jede Menge Streit dem Kauf vorausging. Das Geld muss knapp gewesen sein, denn meine Mutter war dagegen. Doch, wie so oft, setzte sich mein Vater durch und dann stand eines Tages ein funkelndes, futuristisches Ding in der Schrankwand. Ich habe meinen Vater nie wieder so erlebt, aufgeregt, einem Kind gleich, denn es war Stereo, bis dahin unbekannter Hörgenuss, fast Luxus in damaligen Zeiten.
An diesem Tag saßen meine Mama, mein Vater und ich stundenlang vor diesem Teil und hörten fast alle Platten durch. Mein Vater mochte Musik. Er hatte unendlich viele LPs und eine war von Johnny Cash. Ich hörte diesen Song immer und immer wieder. Und wie groß fühlte ich mich, wir ernst genommen, als mein Vater mir zeigte, wie diese Anlage funktionierte, wie viel Vertrauen setzte er in mich.
Man nahm die Scheibe ohne sie zu berühren aus dem Schuber, immer am Rand. Vorsichtig legte man sie auf den Plattenteller, dann jenen Knopf drücken und sie begann sich zu drehen.
Mit einem speziellen Tuch wurde die Platte abgewischt, gerade, ohne den Rillen zu folgen und wenn dies erledigt war, den Tonabnehmer in Position bringen und langsam mit jenem Hebel absenken. Fertig. Ja, ich fühlte mich sehr groß, ich musste, um in mein Zimmer zu gelangen, die Wohnung verlassen und ich wusste wie man die Anlage bediente.
So entdeckte ich die Musik, Bonney M, ABBA, Harpo und eben Johnny Cash waren der Anfang, viele sollten folgen und keine Band mochte ich je mehr als The Cure.
Es dauerte eine Weile, aber ich fand heraus, dass der räumliche Klang noch viel stärker wurde, wenn man die Boxen auf den Boden stellte und seinen Kopf dazwischen legte; Kopfhörer gab es nicht. Das war aber streng verboten, denn man machte dabei alles unordentlich, besonders die Kabel, was meinen Vater störte. Ich tat es aber trotzdem und zwar immer wenn meine Eltern nicht da waren, meist samstags. Weil es mir jedoch nie gelang, die Boxen wieder genau so hinzustellen, wie sie standen, weil der Kabelsalat mich meist verriet, wusste mein Vater genau, wann ich diesen Ungehorsam beging. Er fragte dann: „Na, hast du wieder alles umgebaut, um besser zu hören?“ und ich antwortete ehrlich: „Ja, du weißt ja, so gefällt es mir am besten.“ Er lachte dann meist, struwelte mir durch die Haare und meinte: „Ungehorsam und frech wie Oskar, aber immer ehrlich.“
Ja so war es, immer ehrlich, denn das war die Zeit, wo sie dir noch nicht die Knochen grün und blau schlugen, weil du ne Meinung hattest, wo man dich nicht ignorierte und als Trottel abtat, wo man sich nicht über dich lustig machte, wenn du deine Ängste offen legtest, als man dir zuhörte und versuchte dir beizustehen, wo du dir einer gewissen Wertschätzung sicher sein konnstet. Heute ist vieles anders, ich wünschte es wäre nicht so. Fuck you!

Ein Hoch auf die Beliebigkeit, auf die Einfältigkeit, auf die Ignoranz und auf den Egoismus, auf die Respektlosigkeit, auf die Missachtung und die totale Verweigerung, auf die Trivialisierung, auf die Banalisierung, Stichelein und auf die Arroganz. Und es bleibt wie immer, Musik.



but now the sun shines cold
and all the sky is grey
the stars are dimmed by clouds and tears
and all i wish
is gone away
all i wish
is gone away




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1978 fühlte ich mich das erste mal überhaupt irgendwo zuhause, im punk. das zweite mal, dann schon unter anderem aber sehr wichtig, als ich jonny cash mit rick rubin, das erste mal hörte. und wie sie unschwer erraten können, war ich zuhause-los als kind, darum seufze ich, neidlos, les ich die worte ihres vaters, seh ich dieses kleine zimmer. einerseits gebe ich dem Fuck You! recht, aber ich bin froh heute anders zu leben. (und, The Cure lieben, achja, selbstverständlich!)
ich habe heute dies lebensgefühl der zerstrubbelten haare, was sie so vermissen.....

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Liebe Frau Rachel,
ich danke aufrichtig für diese Worte, sie sind Balsam auf meiner geschundenen Seele und Sie können sich wahrscheinlich nicht vorstellen,wie geschunden sie derzeit ist. Dafür mag ich Sie sehr.
Zum Thema: Der Vater verlor irgendwann diesen Glanz, glauben Sie mir, auch dies eine sehr traurige Geschichte.
Mein Lebensgefühl pendelt derzeit zwischen Ablehnung, Ignoranz und meine wehleidig Grundhaltung.
Ich sollte wieder arbeiten.

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hey aller glanz geht ab, wenn man nicht mal nachrubbelt. mühsal und schmerz, wehleiden her damit! halten auch nicht ewig, es sei denn man flieht. baden sie drin, dann beim kaltwerden aussteigen. und wie sie dann glänzen, hmm, da wird sich jemand freuen. bestimmt.

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Sie mögen recht haben und nie floh ich, stand immer an der emotionalen Front in erster Reihe, kein Feind zu stark, kein Gegner zu groß, schicke mir Legionen, ich werde sie niederboxen, aber jetzt gerade nicht, denn da bin ich mir selber grösster Feind. Ich weiß es. Entschuldigung, dass ich Sie vollnöle. Ich sollte weniger Cure hören, aber geht das?

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nein.

je grösser der feind, je grösser das wachstum. okay, sie stehen ganz hinten, als letzter, dann stellen sie sich einfach vor, der gesamte kampfplatz dreht sich geschlossen um. sie nicht. ha.

ich liebe das nölen!

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Ach wissen Sie, es ist ja eigentlich auch meine Art, mich vorzudrängeln, will immer Erster sein, Warten ist mir verhasst, doch ich gab ein Versprechen, einen Schwur, vor allem mir selber und nun steh ich hier und muß mir selber worthalten. Es fällt mir nicht leicht.

Ich habe Ihnen etwas mitgebracht, weil Sie sich doch mal verloren und weil Sie so nett sind:

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dank ihnen hab ich den herzschlag eine kolibris.

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Warum?
Und ist das gut, oder schlecht?
Muß ich mich für etwas vielleicht entschuldigen?

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ABER NEIN.
das ist gut, habe viel zu niedrigen blutkreislauf.
das hiess rachellinisch: dankeschön.

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Aber bitte schön, Sie haben nichts zu danken.
Ich ziehe meinen Hut und danke Ihnen, you made my day.
Sehr schön, dass Sie sich dazu hinreißen liessen, eine Weblogin aufzumachen.

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oh jetzt geh ich aber. muss das day-made aber zurücklassen, ebenso.
ich muss dringend .... arbeiten.

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Viel Spaß, beehren Sie mich bald wieder;-)

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