Freitag, 2. März 2007
Auf Wiedersehen!

Machts gut Jungs.


Und das ist also, das Ende. Unspektakulär, unprätentiös, pünktlich. Gibt es was zu bedauern? Ehrlich gesagt nicht. Ich habe alles mitgenommen, was ich an Erfahrung bekommen konnte, manchmal war es mehr als ich ertragen wollte und dennoch bleibt ein Hauch von Wehmut. Ich denke an die Stunden in diesem Büro, an die leidenschaftlichen Kämpfe, die großen Siege und die noch größeren Niederlagen, die Situationen wo du dir ne blutige Nase geholt und nichts daraus gelernt hast, nicht akzeptieren wolltest. Es gibt 3 Kollegen, die ich vermissen werde, denn sie waren ein bisschen mehr. Annika, die ich so bewundere, weil sie sich eben nicht von ihrer Krankheit unterkriegen lässt, weil sie einfach weiter macht, trotz des Wissens, dass ihre Zeit abläuft. Starke Frau, die sich nicht vor diesem Leben versteckt, nie jammert. Und allein dafür habe ich sie so ins Herz geschlossen, ihr immer geholfen, ihr jeden Wunsch erfüllt. Letztes Jahr zur Weihnachtsfeier wollte sie mit mir tanzen, nur diesen einen Tanz und wir haben es getan. Es war nicht wirklich tanzen. Annika kann kaum länger als drei Minuten stehen, ich hielt sie also einfach fest und wir wiegten uns sacht zu den Klängen. Es muss grotesk ausgesehen haben, völlig aus dem Takt, aber hätte nur einer gelacht, hätte ich ihm in die Fresse gehauen. Es lachte aber niemand. Im Gegenteil, Annika bekam bewundernde Blicke und sie entschuldigte sich dauernd, dass es ihr leid täte, dass sie so instabil steht. “Alles ist fein, mach dir keine Sorgen, ich werde dich nicht loslassen“, sagte ich da und habe es auch nicht. Ich wünsche mir für sie, dass sie noch recht lange selbständig bleibt.
Håkan. Mein guter Kumpel Håkan. Von Anfang an waren wir uns sympathisch, es verbindet uns die Musik, Zeichnen und der Cove. Er ist einer der wenigen, die vom Cove wissen, hier heimlich mitlesen und ab und an kam er mit nem Ausdruck eines Textes vorbei und fragte, was es denn auf Schwedisch heißt. Håkan wird Ende März Vater. Er hat sich verändert, ist erwachsener geworden. Seit 17 Jahren hat er nen Führerschein, letzte Woche hat er, wegen der Familie und so, sein erstes Auto gekauft und außerdem ist er fett geworden. „Sympathieschwangerschaft“ nannte er das, als wir gemeinsam dasaßen und uns über diese Welt unterhielten. „Ich würde gehen.“ Sagte er da zu mir und es klang so natürlich und ehrlich. Also. „Tack ska du ha, Håkan! Jag kommer inte att glömma dig och om det finns en chans att vi kunde träffas så skulle vi göra det, för min skull, för din skull och lycka till med bebisen och skål!”
Natürlich Maria. Ich schmunzele immer noch, wenn ich an die Zeit denke, wo alle glaubten, wir hätten etwas miteinander. Nie war etwas, außer Einigkeit. Egal ob wir unterschiedlicher Auffassung waren oder nicht. Ich habe sie nicht angepisst und sie mich nicht. Das war unsere Stärke, unser Erfolgsgeheimnis. Es gibt nicht viel zu schreiben, ausgenommen: Danke für dieses Zeugnis. „Kein Freundschaftsdienst, James. Es ist so.“ Trotzdem Danke!
Und dann kommst du nach Hause. Die Räume sind schon leer, der Kopf noch nicht. 14 Kubikmeter hat der Spediteur berechnet. Alles von mir zusammengestellt. 14 Kubikmeter Leben, handlich portioniert, schön verpackt. Ich habe Übung. Sieben Mal bin ich in den letzten 10 Jahren umgezogen. Immer war was. „Das ist doch nicht leben, dass ist vagabundieren.“ Sagt Lars, der das Haus, in dem er groß wurde, seinen Eltern abkaufte. 450 Einwohner hat das Dorf, 800 Kühe und Lars ist da auch schon gestorben, er wartet nur noch auf seine Beerdigung.
„Du musst doch mal zur Ruhe kommen, deine Lebensmitte finden.“ Und ich denk mir: Da war ich auch schon, konnte sie nicht halten, to much for gravity.
Es ist immer wieder erstaunlich wie viele Sachen sich ansammeln. Wir haben nun schon alles Mögliche gespendet, verschenkt, weggeworfen und trotzdem bleiben tausend Sachen. Die schwersten Kartons sind natürlich die mit den Papieren, die dich erst Sein lassen. Zeugnisse, Geburtsurkunde und Trallala. Sie wiegen schwer, doch bei Weitem nicht so schwer wie die Last, die du mit deinem stärksten Muskel, deinem Herzen, trägst. Dafür gemacht, ein Leben lang zu schlagen, ist es der richtige Ort, um Gedanken zu bewahren. Die Guten wie die Bösen, Unterschiede werden nicht gemacht und deswegen füllt es sich, wenn du deine Zeit ausfüllst. So bleibt nicht aus, dass die Gespenster der Vergangenheit, wie ein Springkasper aus seiner Kiste, plötzlich auftauchen. “Guten Tag, da sind wir“, scheinen sie grinsend zu sagen, „wir wollen nur sicherstellen, ob du auch an uns denkst.“ Ab und an, versichere ich ihnen und ziehe an der Zigarette, während die Parade der ungebetenen Bilder vor mir aufmarschiert:
Mein Kater. Als wir ihn holten, war er so winzig. Ich hatte immer Angst, dass ich auf ihn treten würde. Doch nichts dergleichen geschah und er entwickelte sich prächtig, König der Strasse. Nun ist er weg.
Mein Hund. Aus Spanien eingeflogen. Stunden haben wir in Göteborg auf dem Flughafen gewartet, um dieses Häufchen Elend abzuholen. Wir haben sie aufgepäppelt und nun ist sie weg.
Die Antike, wie sie da die Treppe runterspringt. Die Zeit, als ich genervt nach Hause kam, weil der Flieger zu spät war, weil das Gepäck weg war, weil ich kein Taxi bekam, weil eben manchmal nichts läuft, und daheim wartete eine Tasse Tee auf mich, ein Brot und eine Badewanne. Und dann die Zeit, als ich auch genervt nach Hause kam und ich mein Bettzeug vor der verschlossenen Schlafzimmertür fand. Und dieser Tag, letztes Jahr, als die Frühlingssonne tief stand und es im Haus so still war. Als ich nach der Antiken rief und sie schließlich im Bett liegend fand. Ich fragte was denn los sei und bekam keine Antwort. Sie weinte, ich legte mich neben sie, nahm sie in den Arm und fragte noch mal. Da brach es aus ihr heraus, ein reißender Bach, der das Schmelzwasser nicht verkraftet. Unter bitterlichem Weinen und Schluchzen gestand sie mir, dass sie mich seit sechs Wochen betrügen würde. Ich war unfähig zu reagieren, wusste nicht zu sagen, nichts zu tun, hielt sie weiter fest und sie schlug mich auf die Brust und schluchzte, dass es meine Schuld wäre. Ich habe viele Schläge und Tritte kassiert, aber keine waren so schmerzhaft wie die, dieser kleinen Frauenfäuste, die so verzweifelt versuchten, eine Reaktion bei mir hervorzurufen. Ich konnte nicht. Das war das Schlimmste was sie tun konnte, es war das Abwegigste, was passieren konnte. Es konnte nicht real sein. Und das, was wir, Hammer und Amboss, schmiedeten, dieses stählerner Band, das nie reißen würde, dieser Granitfels im tobenden Meer, explodierte, einfach so, pulverisierte sich, Pulverstaub, am Horizont verschwindend. Selbst wenn ich gewollt hätte, ich hätte die Teile nicht alle fangen können, wir hätten es nicht wieder zusammensetzen können und wir wollten es auch gar nicht. Später, als wir darüber reden konnten, war die Erklärung sehr einfach. Es war für sie der einzige Weg, drastisch zwar, aber effektiv, um von mir loszukommen. Es fing schon vor Jahren an, die Erosion des Felsens, und ich fragte mich oft, welch infames Spiel dies ist, uns Augen zu geben und doch sehen wir Manches nicht. Auch hier, nach durchwachten Nächten, ist die Antwort so einfach wie genial: Weil wir nicht sehen wollen und wer nichts will, kriegt auch nichts. Einfach.
Was folgte ist in dieser Weblogin Geschichte, vieles gebloggt, manches verschwiegen, durchzechte Nächte, Katerlife. Ich habe Schluessi und den Bueffel, Gorilla und Bona, Kuhlumbus und natürlich Morphine und so viele andere kennenlernen dürfen. Manch guter Rat kam von den Bloggern, geschriebene Lebenshilfe und manchmal auch ne mail. Wenn man so will, ist diese Weblogin dann auch Herz, und wenn nicht das, dann liegt zumindest viel von meinem in ihr. So soll es auch sein, immer mit offenem Visier durchs Leben ziehen, wissen wo man steht und nie aufgeben. Egal was hinter der nächsten Ecke wartet, es kann gar nicht so groß und schlimm sein, dass ich davor Angst hätte, es nicht bewältigen würde.
Ich mach jetzt hier zu, schlage diese Seite des Buchs des Lebens um und fang ein neues Kapitel an. Es gibt nichts zu bedauern, nichts zu ärgern und schon gar nicht zu beweinen. Ich sage Tschüss, wir sehen uns wieder, bestimmt und rufe Hallo du leeres Blatt, ich werde dich soll vollkritzeln, dass dir schwindlig wird.
Der Letzte baut die Lampen ab, das bin dann wohl ich am Sonntag und bis dahin tanze ich noch ein bisschen durch die gespenstervolle Leere der Räume, denn wenn alles auseinander bricht, du dich einsam im Regen wiederfindest, sei dir sicher, die eine bleibt: Die Musik. Wir interpretieren sie nur immer neu.

"was that it? was that the jupiter show?
it kinda wasn't quite what i'd hoped for you know... "
and pulling away she stands up slow
and round her the night turns
round her the night turns...



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Das also auch noch
Gibt es etwas Entwürdigerendes, als dem Bus hinterher zu rennen und ihn nicht zu bekommen? Dieses Gefühl der Niederlage schon am frühen Morgen? Ja. Man kann dabei auch noch auf die Fresse fliegen. Gosh darn it!
So, nun mal doppelkurz, oder wie pessimistische Leute wie die stämmige Nutte Ulla Trulla enttäuscht sagen würden: “Halblang?!“ Die Lage ist Hoffnungslos, aber nicht ernst, denn ich tue Kund die Kunde vom Gedankenbefall.

1.Mir fällt auf, dass es für den Job, den ich nun die letzten Jahre allein innehatte, drei, ich wiederhole mich da gern, um die Dramatik der Situation zu unterstreichen, also unglaubliche drei, neue Angestellte gibt. Als glühend passives Mitglied der Gewerkschaft betrachte ich dies mit einem gewissen Wohlwollen und zur Feier des Tages lege ich auch gleich das “Lied vom kleinen Trompeter“ auf. Ich freue mich dann immer, dass der kleine Held Trom Peter hieß, denn wie unschmissig wäre der Titel, würde es vom Schweindudenborstel Alois handeln. Egal. Drei und es beschleicht mich das Gefühl, unterbezahlt gewesen zu sein.

2. Was wie ein Dienst an der Gesellschaft ausschauen mag, ist tatsächlich ein geschickter Zug vom dicken Wurm Erik, Gattung Arschkriecher. Getreu dem Motto:
Teile und herrsche, verteilt er Informationen und behält sich das Recht vor, alles zu wissen. Immer hat er in mir eine Bedrohung gesehen, sage nicht ich, sagen andere und nun ist die Zeit gekommen, seine eigene Machtbasis auszubauen, penibel darauf achtend, dass die Neuen ihm nicht gefährlich werden können. Was der alte Kopffüßer dabei vergisst, ist so alt wie die Managementliteratur: Umgib dich mit den Besten, denn dann fällt ein wenig ihres Glanzes auf dich, sie fordern dich und du wirst besser, oder anders gesagt, die Kette ist so stark wie ihr schwächstes Glied. Und nun haben wir Ana.

3. Ana ist Spanierin. Das als solches ist noch kein Fehler, im Gegenteil, ich mag ja die Internationalität dieser Firma. Mich verwirrt aber schon der Name. Da fehlt doch was. Ana. Kommt nicht zackig wie Anna, hat keine Energie irgendwie. Die lange Ana ist 27 und frisch von der Uni, somit ist mein Status der Jüngste zu sein aufgehoben. Ana wohnt seit 8 Jahren in Schweden und spricht dabei so schlecht Schwedisch, dass selbst ich, dreckiger Ausländer und hochbegabter Wortkreateur, teilweise nicht versteh, was sie da eigentlich sagt. Man kann ja improvisieren, ich tat es auch und gern erinnere ich diese Augenblicke, als ich Challe mal erzählte, ich fühle mich nicht wohl und hätte Schnupfen. Wie übersetzt man Schnupfen? Snubbe vielleicht, weil man es gelesen hatte, ohne zu wissen, dass es ein anderes Wort für Penis ist. Challe musste dann auch lachen und meinte, das wäre doch ne ernste Geschichte. Oder Björn, dem ich mal ganz treuherzig erklärte, dass Thore später kommt, da er seinen Autoschlüssel verloren hatte. Verloren übersetzte ich mit förlossning, das heißt aber gebären. Ich habe alle gebeten mich zu verbessern, denn Sprache lernt man nur, wenn man sie spricht. Sie taten es und Ana spricht nicht viel.
Dann sitzen wir also zusammen und ich erzähle ihr alles über die Märkte, deren Chefin sie mal sein soll und bin erschrocken. Ich sach mal so, einem Sozialpädagogen mach ich keinen Vorwurf, wenn er mit den Worten Nettospanne und so nichts anfangen kann. Geht mir in deren Thematik genauso, aber ich würde auch nicht in deren Jobs arbeiten. Also fängt man bei Null an und erklärt, wenn du ne Spanne von 10% hast und dein Kunde will 5% Rabatt, wie viel müsstest du mehr verkaufen, um auf den gleichen Nettogewinn zu kommen? Antwort: ????? Aha.
Das ist Mini-BWL, keine Kunst für einen Hochschulabsolventen, eigentlich, es sei denn, man betrachtete sein Studium als so ne Art Überbrückungszeit.
Es ging lustig weiter, ich verlor die Lust und dann fragte sie doch noch etwas: Das sind ja so viele Projekt, woher wusstest du, dass du dieses und jenes machen sollst? Vor lauter enthusiastischer Verwunderung wäre dem Vater meiner zukünftigen Kinder, der hoffentlich ich sein werde, fast der teuere Kugelschreiber zerbrochen. Weil es der Job ist? Weil du kreativ sein sollst? Weil du dafür bezahlt wirst, neue Wege zu suchen? Meinst du, du bist hier richtig? Na egal, ich habe dann noch nen Keks gegessen, ihr den Ordner in die Hand gedrückt und viel Glück gewünscht. Erik beglückwünsche ich zu dieser hervorragenden Rekrutierung, lässt sie doch seinen Stern heller strahlen. Ihm sollte aber bewusst sein, wenn der Kopf im Arsch des Reeders steckt, muss dieser nur mal pupsen und schon fliegt man. Und je tiefer man drin steckt, desto stabiler die Flugbahn.

4.Wieso interessiert es mich eigentlich noch? Weil die Antike vielleicht doch recht hatte, als sie vorwurfsvoll meinte: Du bist derzeit nur auf einem anderen Trip, weil sie dich ausgebremst haben, weil du dich langweilst. Du wirst immer ein Shooter bleiben und ich hoffe du findest mal eine Frau, die das akzeptieren kann. Hab ich schon und ich werde mich doch ändern, ich kann aber Sehen und dann fällt mir so etwas eben auf.

5. Ich muss noch meine Hose waschen.


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