Montag, 3. September 2007
Und schuld sind wir
Der Sommer liegt in letzten Zügen, fast schon tot, bäumt er sich auf, ab und an.
Regenwolken verhüllen den Tag, lassen die Träume der Nacht nicht entschwinden, zähklebrig, hänge ich an ihnen wie die Fliege an der Klebefalle.
Bitte lass sie nicht gehen, jetzt nicht, noch nicht, lass uns lieber noch einmal Küsse tauschen, unserem Atem lauschen, Herzschlag spüren und in die Dunkelheit entfliehen, hin zum Trunk, zu einem Tanz, dort wo du so schön warst, die einzige, meine Königin der Nacht.
Lass uns unsere schweißigen Gesichter bedecken mit Liebkosungen, lass uns die Wärme spüren, die nur wir zu geben vermögen. Und wenn wir dann wieder hinausgeworfen werden, in einen neuen Tag, in einen neuen Anfang, so nehme ich sie mit, die Gedanken an dich und diese Zeit, die mir so fehlt, wenn du mir fehlst, wenn Fehlen und Warten meine Bestimmungen sind.
Den Sound im Ohr und die Süße deines Duftes trage ich mit mir, im Herzen, überall hin und nichts kann mir nehmen, dies Wissen um dich, den Glauben an uns…denn zwei sind schon ein wir.
„Ein WIR?“ so fragt der eine Mensch und der beschlipste Kater sagt:
„Ja ein Wir, denn der Mensch allein ist nichts. Der Mensch allein bewirkt auch nichts. Nur die Dummen und Vermessenen befinden sich so wichtig, als das sie vermögen würden, die Welt zu drehen, ihr Atem zu geben oder zu nehmen, ganz egal wie groß diese Welt auch ist.“
„Aber, aber, mein Lieber, das ist der Weisheit letzter Schluss noch lange nicht.“
„So? Fürwahr, es gibt sie, die hervorragenden Denker, die Menschen mit ihren Erfindungen, Befindungen, mit ihren Ergüssen und Niederschlagungen, ihrem Geschreibe und Gerede, aber dennoch, es braucht eine Masse, die anderer Leute Arbeit Bedeutung beimisst, sie groß sein lässt. Allein und unerkannt, blieben deren Werke – allein und unerkannt.“
„So gesehen, ist dies wahr gesprochen.“
„Es wird noch wahrer, denn was ist der Feldherr ohne seine Armeen? Ein Nichts. Ein Hitler wäre nur ein weiterer verrückter Österreicher geblieben, hätten nicht Millionen ihm zu dem verholfen, was er aus sich gemacht. Ein Admiral ohne Kriegsschiffe würde nie fremde Gestade bekriegen können, eine NPD würde es nicht geben, ein Schäuble würde diese Land nicht ein Stück weiter zum Polizeistaat treiben, gäbe sich nicht die kritische Masse Volk, die all dies Handeln, diese Existenzen erst ermöglichte und ermöglicht. Die Masse ist die Gefahr, ein Einzelne wäre nur ein Spinner.
Volk bin auch ich, Volk bist auch du, und zwei sind schon ein WIR - WIR tragen desgleichen Schuld, wenn wir uns schuldig machen, die aber auch Verantwortung sein könnte, wenn wir denn wollten, an dem, was uns - scheinbar nur - widerfährt. Denn die wenigsten Dinge widerfahren uns, unabänderlich, nur zu akzeptieren; meistens nehmen wir sie bloß hin, sind faul und behäbig. Darin liegt die Tragödie und sicherlich auch der Untergang des Einzelnen, denn der Einzelne ist machtlos, wird überstimmt, oder überhört, von der Diktatur der Masse, welche da bestimmt, in allen Bereichen, bestimmt was hipp ist, bestimmt was wichtig ist, bestimmt einfach alles, alles. Die Kunst ist es nun, einen Platz zu finden, wo du ein Stück weit du selbst sein kannst, enthoben der Herde, die dich Glauben machen will, die dich, ohne es zu wissen, dirigiert, manipuliert und transformiert, ein Platz eben, wo du einfach du bist, ohne assimiliert zu werden.“
„Und?“, so fragt der eine Mensch, „wo fände sich dieser Platz?“
„Im Herzen, da wo es Raum für viele Menschen gibt, du aber froh sein kannst, wenn er nur von einer Person eingenommen wird, einer wichtigen, welche dich dein WIR sein lässt. Denn Schuld tragen wir alle, dagegen können wir uns nicht wehren, es war so, es wird immer so sein. Doch die, die dabei lieben und geliebt werden, sind glücklicher. Was mehr könnte man verlangen, an diesen Tagen, wo der Herbst mit Gewalt in die Stadt drängt? Etwa Laubsägearbeiten?“


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