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Montag, 4. Februar 2008
Danke, dass ihr auf mich gewartet habt (Aus einer Jugend)
cabman, 22:38h
Hansen hatte eine Kutsche und weil die allein noch keinen Sinn macht, außer dem des Rostens, hatten Hansens auch ein Pferd, das aber nur so genannt wurde, denn eigentlich war es ein Ponyhengst namens Viktor. Ponys jedoch sind etwas für Mädchen, oder deren Köpfe, weswegen Viktor das Pony war, welches Pferd genannt wurde, denn wir waren und sind: rough guys.
Willste mal mein Pony sehen? klingt irgendwie total daneben, wenn man die fesche Cordula anbaggern will, nicht?
Viktor indes war damals nicht nur alt, sondern wahrscheinlich auch schwul, aber bestimmt von Altersstarrsinn anheim gefallen und hatte - seit wir die Mädchen für uns entdeckten - ein beschauliches Dasein.
Meist verbrachte Viktor seine Tage damit, friedlich auf der Weide zu stehen, dümmlich zu äsen und den Gott einen lieben Mann sein zu lassen. Manchmal, aber ganz selten, bekam er noch ein halbe Erektion und rannte, was ja des Ponys Bestimmung ist, irgendwie, wie blöd über die Wiese. Nach ein paar Minuten stand er dann meist pumpend vor Anstrengung in der Ecke, woraufhin Hansen und icke immer Angst hatten und Hansens Mutter die Hoffnung, dass er tot umfällt, wegen Überanstrengung oder ähnlichem. Auf jeden Fall wäre dies aus kostenkalkulatorischer Sicht ein vorteilhaftes Ableben gewesen, wie Hansens Mutter immer tiefseufzend meinte.
An einem wunderschönen Samstag, das war gleich nach dem Wochenende des verhängnisvollen und für ein Huhn gar tödlichen Unfalls mit einem Luftgewehr, an dem ich bis heute eine schwere Bürde trage, die aber ebenso lange von Hansens Mutter ungewusst und damit ungesühnt blieb und noch weit vor dem Wochenende einer beschaulichen Floßfahrt, die jäh und abrupt mit den Worten:
„Sach mal Hansen, hast du die Querverbindungen vernagelt?“
„Nee, ich dachte du machst das?!“
endete. Beide hatten wir danach etwas Schnupfen, aber wesentlich weniger als Spaß und das ist eine Tatsache.
Wie dem auch sei.
An jenem Tag fiel mein Blick auf diese kleine Kutsche, die in der Garage stand und es überkam mich der drängende Wunsch, mit dieser mal eine Runde zu drehen. Insbesondere Hansen, seinerseits mit der wenig gedankten Aufgabe des Stallausmistens betraut, empfand es als tiefe Genugtuung, dass Viktor nun auch mal ranmusste.
Gedacht, getan, war der stattliche Hengst eingespannt und wir Beiden mit cowboyähnlicher Montur ausgestattet: Hansen trug einen Filzhut seines Opas und als Accessoire einen Knicklader, während ich so einen Mexikanerhut und ne Pisti (umgangssprachlich für: Pistole) an meinem Gürtel trug. Dieses (zugegeben) einfache Ensemble wurde durch unsere totschicken DDR-Sportleggins und Gummistiefeln abgerundet.
So fuhren wir los. Einmal quer durchs Dorf und sehr zur Freude aller anderen …ähm, Kinder?
Egal. Früh schon waren weder Hansen noch mir Dinge fremd, die anderen Mitatmern die Schamesröte ins Gesicht getrieben haben. Ich erinnere da eine schöne Geschichte….lassen wir das, für ein anderes Mal.
Hansen jedenfalls meinte, dass wir doch Saxon-Olli abholen sollten. Dieser hieß so, weil er mit den „Großen“ mithalten wollte, die zu jener Zeit Saxon, ZZ-Top und allerlei anderes Gedröhns hörten und mit solchen Pins an ihren DDR-Jeansjacken es jeden wissen ließen. Olli fand das auch toll, hatte keine Ahnung von der Musik und den Pin, den er trug, hatte er aus Pappe und ner Sicherheitsnadel selber gebastelt. Er wäre bestimmt ein besserer Punk gewesen.
Ich fand aber auch, dass Olli mitmachen sollte, war er doch unser Lieblingsopfer und außerdem in den dramatischen Hühnertot verwickelt, genauso wie er Schuld (durch seine eklatante Sehschwäche) an der Schusswunde trug, die ich im rechten Wadenbein seit dem habe.
So kutschierten wir also zu dem Haus, in dem Olli wohnte.
Cowboys wie wir waren, standen Hansen und ich vor der Tür und erschraken sehr, als Ollis Mutter sie öffnete. Also nicht wegen seiner Mutter, sondern weil diese eine noch viel stärker Brille trug als Olli.
„Guten Tag, Frau XY, wir wollen Olli abholen. Ist er da?“ fragte Hansen mit engelsgleicher Zunge.
„Nee, ich glaube nicht. Der ist bei Hansen.“ antwortete Frau Mama und kam dabei ganz dicht an Hansen ran. Glauben Sie mir, Hansen und icke konnten ein Lachen kaum verkneifen und einen wahren Anfall bekamen wir, als Olli aus dem Hintergrund rief: „Mutter, ich bin doch hier!“
Keine Ahnung was lustiger war, die Tatsache, dass sie Hansen auf einer Entfernung von 50cm nicht erkannte, oder dass sie ihren eigenen Sohn im Wohnzimmer nicht wahrnahm, oder das Olli sie Mutter nannte.
Egal. Wir erklärten Olli, dass wir nun Cowboy und Indianer spielen wollten und ob er nicht Lust hätte, mitzumachen.
„Ich bin aber nicht euer Indianer!“ stellte Olli gleich mal sicher und wir beruhigten ihn dahingehend: „Nee, keine Angst, wir schießen nur auf Rentner.“
Olli grinste.
So fuhren wir aus dem Dorf hinaus, schossen mit Mundgeräuschen wie:“ ÖÖÖÖÖHM und Peng, Peng“ auf alle Rentner denen wir begegneten und jedes Kopfschütteln und Vogelzeigen werteten wir als Honorierung unserer unangepassten Jugend.
Im Wald dann gab es weniger Opfer, dafür aber den „Playboy“, den Ollis Onkel aus dem Westen mitgebracht hatte und „Cabinet“.
Alles hätte so weitegehen können, Rauchen, Tittenhefte lesen und rumpöbeln, wenn Viktor nicht aus heiterem Himmel die Auffassung vertreten hätte, dass nun Schluss sei mit dem Rumgekutsche und einfach stehenblieb. Mitten im Wald verweigerte sich Viktor.
Hansen, der die ganze Zeit über die Zügel hielt, meinte zu mir, ich solle Viktor etwas frisches Gras vor die Nüster halten und wenn er es haben wollte, einfach einen Schritt voran machen.
Das funktionierte nicht.
Ich griff beherzt in die Trense und zog. Auch das half nichts.
Nach all diesen Versuchen meinte Hansen, dass Olli die Kutsche mal schieben solle, denn wenn Viktor von hinten Druck bekäme, müsste er ja laufen.
Also schob Olli die Kuschte, während ich vorne zog, als plötzlich und genauso unangekündigt, Viktor seine berühmten 5 Minuten bekam und wie angestochen losgaloppierte.
Ich schaffte es gerade so auf den Kutschbock zu springen und sah, wie erst Ollis Cowboyhut wegflog, dann einer seiner Gummistiefel und ganz zum Schluss verabschiedete sich Olli komplett und flog in den Dreck, was sehr zum Nachteil für seine Brille war.
Hansen rief während der gesamten Zeit immer: “Wahnsinn, was der alte Gaul noch für ein Speed drauf hat!“ und johlte vor Freude.
Ich stattdessen rief: „Halt an! Wir haben Olli verloren!“
Hansen tat es. Glauben Sie mir, Hansen war sehr enttäuscht, dass er die Geschwindigkeit nicht auskosten konnte und ich mit. Aber heh, wir hatten einen Kumpel verloren, oder?
Wir blieben dort stehen und warteten auf Olli, der sehr mürrisch gehumpelt kam. Er war furchtbar betrübt wegen seiner Brille, die wohl sehr teuer oder schwer zu besorgen war, damals im Osten. Mehr aber, und das ist kein Scherz, hat er sich darüber gefreut, dass wir auf ihn warteten.
„Ich hätte gewettet, ihr würdet ohne mich nach Hause fahren.“
„Wären wir auch, wenn der alte Klepper nicht wieder zusammengebrochen wäre“, sagte ich und knuffte Olli grinsend an den Arm.
„Ihr Zwei seid solche Spackenköppe.“
„Stimmt. Willste noch ne Zigarette?“
Wollte er. Merkwürdig genug ging es ohne große Zwischenfälle nach Hause.
Nachdem Viktor befreit und die Kutsche wieder in der Garage verstaut waren, holten sich drei schmutzige Cowboys im 10 Liter Zinkeimer Bier aus der Dorfkneipe. Sie schöpften es mit Marmeladengläsern und saßen gemeinsam auf einer Mauer, während sich bereits die Nacht übers Dorf ausbreitete.
„Geile Geschichte.“ meinte Hansen und nahm einen tiefen Zug.
„Ja.“ antwortete ich und
„Danke, dass ihr auf mich gewartet habt“, sagte Olli, der danach ein anderer wurde….
Willste mal mein Pony sehen? klingt irgendwie total daneben, wenn man die fesche Cordula anbaggern will, nicht?
Viktor indes war damals nicht nur alt, sondern wahrscheinlich auch schwul, aber bestimmt von Altersstarrsinn anheim gefallen und hatte - seit wir die Mädchen für uns entdeckten - ein beschauliches Dasein.
Meist verbrachte Viktor seine Tage damit, friedlich auf der Weide zu stehen, dümmlich zu äsen und den Gott einen lieben Mann sein zu lassen. Manchmal, aber ganz selten, bekam er noch ein halbe Erektion und rannte, was ja des Ponys Bestimmung ist, irgendwie, wie blöd über die Wiese. Nach ein paar Minuten stand er dann meist pumpend vor Anstrengung in der Ecke, woraufhin Hansen und icke immer Angst hatten und Hansens Mutter die Hoffnung, dass er tot umfällt, wegen Überanstrengung oder ähnlichem. Auf jeden Fall wäre dies aus kostenkalkulatorischer Sicht ein vorteilhaftes Ableben gewesen, wie Hansens Mutter immer tiefseufzend meinte.
An einem wunderschönen Samstag, das war gleich nach dem Wochenende des verhängnisvollen und für ein Huhn gar tödlichen Unfalls mit einem Luftgewehr, an dem ich bis heute eine schwere Bürde trage, die aber ebenso lange von Hansens Mutter ungewusst und damit ungesühnt blieb und noch weit vor dem Wochenende einer beschaulichen Floßfahrt, die jäh und abrupt mit den Worten:
„Sach mal Hansen, hast du die Querverbindungen vernagelt?“
„Nee, ich dachte du machst das?!“
endete. Beide hatten wir danach etwas Schnupfen, aber wesentlich weniger als Spaß und das ist eine Tatsache.
Wie dem auch sei.
An jenem Tag fiel mein Blick auf diese kleine Kutsche, die in der Garage stand und es überkam mich der drängende Wunsch, mit dieser mal eine Runde zu drehen. Insbesondere Hansen, seinerseits mit der wenig gedankten Aufgabe des Stallausmistens betraut, empfand es als tiefe Genugtuung, dass Viktor nun auch mal ranmusste.
Gedacht, getan, war der stattliche Hengst eingespannt und wir Beiden mit cowboyähnlicher Montur ausgestattet: Hansen trug einen Filzhut seines Opas und als Accessoire einen Knicklader, während ich so einen Mexikanerhut und ne Pisti (umgangssprachlich für: Pistole) an meinem Gürtel trug. Dieses (zugegeben) einfache Ensemble wurde durch unsere totschicken DDR-Sportleggins und Gummistiefeln abgerundet.
So fuhren wir los. Einmal quer durchs Dorf und sehr zur Freude aller anderen …ähm, Kinder?
Egal. Früh schon waren weder Hansen noch mir Dinge fremd, die anderen Mitatmern die Schamesröte ins Gesicht getrieben haben. Ich erinnere da eine schöne Geschichte….lassen wir das, für ein anderes Mal.
Hansen jedenfalls meinte, dass wir doch Saxon-Olli abholen sollten. Dieser hieß so, weil er mit den „Großen“ mithalten wollte, die zu jener Zeit Saxon, ZZ-Top und allerlei anderes Gedröhns hörten und mit solchen Pins an ihren DDR-Jeansjacken es jeden wissen ließen. Olli fand das auch toll, hatte keine Ahnung von der Musik und den Pin, den er trug, hatte er aus Pappe und ner Sicherheitsnadel selber gebastelt. Er wäre bestimmt ein besserer Punk gewesen.
Ich fand aber auch, dass Olli mitmachen sollte, war er doch unser Lieblingsopfer und außerdem in den dramatischen Hühnertot verwickelt, genauso wie er Schuld (durch seine eklatante Sehschwäche) an der Schusswunde trug, die ich im rechten Wadenbein seit dem habe.
So kutschierten wir also zu dem Haus, in dem Olli wohnte.
Cowboys wie wir waren, standen Hansen und ich vor der Tür und erschraken sehr, als Ollis Mutter sie öffnete. Also nicht wegen seiner Mutter, sondern weil diese eine noch viel stärker Brille trug als Olli.
„Guten Tag, Frau XY, wir wollen Olli abholen. Ist er da?“ fragte Hansen mit engelsgleicher Zunge.
„Nee, ich glaube nicht. Der ist bei Hansen.“ antwortete Frau Mama und kam dabei ganz dicht an Hansen ran. Glauben Sie mir, Hansen und icke konnten ein Lachen kaum verkneifen und einen wahren Anfall bekamen wir, als Olli aus dem Hintergrund rief: „Mutter, ich bin doch hier!“
Keine Ahnung was lustiger war, die Tatsache, dass sie Hansen auf einer Entfernung von 50cm nicht erkannte, oder dass sie ihren eigenen Sohn im Wohnzimmer nicht wahrnahm, oder das Olli sie Mutter nannte.
Egal. Wir erklärten Olli, dass wir nun Cowboy und Indianer spielen wollten und ob er nicht Lust hätte, mitzumachen.
„Ich bin aber nicht euer Indianer!“ stellte Olli gleich mal sicher und wir beruhigten ihn dahingehend: „Nee, keine Angst, wir schießen nur auf Rentner.“
Olli grinste.
So fuhren wir aus dem Dorf hinaus, schossen mit Mundgeräuschen wie:“ ÖÖÖÖÖHM und Peng, Peng“ auf alle Rentner denen wir begegneten und jedes Kopfschütteln und Vogelzeigen werteten wir als Honorierung unserer unangepassten Jugend.
Im Wald dann gab es weniger Opfer, dafür aber den „Playboy“, den Ollis Onkel aus dem Westen mitgebracht hatte und „Cabinet“.
Alles hätte so weitegehen können, Rauchen, Tittenhefte lesen und rumpöbeln, wenn Viktor nicht aus heiterem Himmel die Auffassung vertreten hätte, dass nun Schluss sei mit dem Rumgekutsche und einfach stehenblieb. Mitten im Wald verweigerte sich Viktor.
Hansen, der die ganze Zeit über die Zügel hielt, meinte zu mir, ich solle Viktor etwas frisches Gras vor die Nüster halten und wenn er es haben wollte, einfach einen Schritt voran machen.
Das funktionierte nicht.
Ich griff beherzt in die Trense und zog. Auch das half nichts.
Nach all diesen Versuchen meinte Hansen, dass Olli die Kutsche mal schieben solle, denn wenn Viktor von hinten Druck bekäme, müsste er ja laufen.
Also schob Olli die Kuschte, während ich vorne zog, als plötzlich und genauso unangekündigt, Viktor seine berühmten 5 Minuten bekam und wie angestochen losgaloppierte.
Ich schaffte es gerade so auf den Kutschbock zu springen und sah, wie erst Ollis Cowboyhut wegflog, dann einer seiner Gummistiefel und ganz zum Schluss verabschiedete sich Olli komplett und flog in den Dreck, was sehr zum Nachteil für seine Brille war.
Hansen rief während der gesamten Zeit immer: “Wahnsinn, was der alte Gaul noch für ein Speed drauf hat!“ und johlte vor Freude.
Ich stattdessen rief: „Halt an! Wir haben Olli verloren!“
Hansen tat es. Glauben Sie mir, Hansen war sehr enttäuscht, dass er die Geschwindigkeit nicht auskosten konnte und ich mit. Aber heh, wir hatten einen Kumpel verloren, oder?
Wir blieben dort stehen und warteten auf Olli, der sehr mürrisch gehumpelt kam. Er war furchtbar betrübt wegen seiner Brille, die wohl sehr teuer oder schwer zu besorgen war, damals im Osten. Mehr aber, und das ist kein Scherz, hat er sich darüber gefreut, dass wir auf ihn warteten.
„Ich hätte gewettet, ihr würdet ohne mich nach Hause fahren.“
„Wären wir auch, wenn der alte Klepper nicht wieder zusammengebrochen wäre“, sagte ich und knuffte Olli grinsend an den Arm.
„Ihr Zwei seid solche Spackenköppe.“
„Stimmt. Willste noch ne Zigarette?“
Wollte er. Merkwürdig genug ging es ohne große Zwischenfälle nach Hause.
Nachdem Viktor befreit und die Kutsche wieder in der Garage verstaut waren, holten sich drei schmutzige Cowboys im 10 Liter Zinkeimer Bier aus der Dorfkneipe. Sie schöpften es mit Marmeladengläsern und saßen gemeinsam auf einer Mauer, während sich bereits die Nacht übers Dorf ausbreitete.
„Geile Geschichte.“ meinte Hansen und nahm einen tiefen Zug.
„Ja.“ antwortete ich und
„Danke, dass ihr auf mich gewartet habt“, sagte Olli, der danach ein anderer wurde….
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