Mittwoch, 20. Februar 2008
One Love
Mahlzeit! Der Frau Diagonale folgend, die hier irgendwo mal schrieb, ein guter Blogger ist der, der ein reales Leben hat, weil es dann etwas zu bloggen gibt und in der Nachbetrachtung zu letzter Woche, wollte ich Ihnen etwas Interessantes von meiner Kongressteilnahme schreiben. Das war tatsächlich spannend, das Thema auch: „Die Neue Mitte – Das Ende der Extreme“




Jede Menge schlaue Leute waren da, der Jörges, der Friedrich Merz und der Rupert Stadler, um nur ein paar zu nennen und schön war zu hören, dass wir uns über die neue Mitte nicht wirklich sicher sein können. Stattdessen sollten wir nach der Richtigen Mitte fragen, was einer meiner Gedanken ist.




Ich hätte Ihnen auch etwas über die BMW-Welt schreiben können, in der die Auftaktveranstaltung stattfand und über die wahnsinnig tollen WC´s dort. Ich mag ja so Klo-Beobachtungen. Also die BMW-Welt-WC´s sind die neue Benchmark für öffentliche WC´s und sehr technisch, wie überhaupt der Schwerpunkt auf Technik und Design gelegt wurde. Sollten Sie also mal ein, oder Ihr Kind – Mit freundlichen Grüßen, an fröhlich geschiedene, aber tieftraurige Elternteile ohne Sorgerecht, eine Randgruppe, die viel zu wenig Beachtung und auch nie Sonderparkplätze bekommt.- haben, dann fahren Sie mal nach München. Sehr anschaulich und interessant wird alles rund um Motoren, Autos und Motorräder aufbereitet und für Architekturinteressierte ist es eh ein Muss, denn der Bau ist schon sehr beeindruckend.

Weil das aber alles nur von nebensächlichem Interesse ist und mein persönliches Hochlicht letzte Woche das Konzert war, berichte ich in einem gewohnt weitem Bogen von dieser einen Liebe:



Wissen Sie, diese Band ist schon etwas Besonderes für mich. Ich kenne und höre sie, seit ich vierzehn oder fünfzehn bin. Der erste Song ever : Charlotte Sometimes. Immer und immer wieder hörte ich diesen auf einer geliehenen Kassette und war fasziniert.
Ich fuhr dann zu Maik und überspielte das gesamte Album „KISS ME, KISS ME, KISS ME“ von der 8ten Kopie und zwar die von der 4ten. Grandiose DDR-Qualität eben, die lauschige Nächte zur Folge hatte, in der man frenetisch versuchte, herauszufinden, was die denn nun sangen.
Von da an folgte die Entdeckung rückwärts: The Head on the Door, The Top, mit meinen Favoriten The Empty World, die wenigsten werden wohl wissen, dass auch dieses Lied in Anlehnung an dieses Buch enstanden ist. Ich habe es gelesen, gibt es nur auf Englisch und ich staunte nich schlecht. Es sind noch zu nennen:
Japanese Whispers, Pornography, Faith, Seventeen Seconds, Boys Don't Cry
und natürlich Three Imaginary Boys.

Das war ab da meine Musik, meine Richtung. Ich orientierte mich neu, traf neue Menschen, die Freunde wurden und der verbindende Faktor war dieser Sound. In meiner Schule gab es da noch ein Mädchen. Sie hieß Birte, hatte ein hübsches Gesicht und einen viel zu großen Hintern. Wir beide waren die einzigen, die diese Musik mochten, während um uns herum alle „Die Toten Hosen“ und dergleichen hörten. Viel später sollte ich mich mit Birte auf einem Hotelbett in Moskau wiederfinden, eng aneinander gekuschelt, um Robert Smiths Stimme zu lauschen, die aus dem Kopfhörer des Walkmans floss und irgendwann war uns die Musik dann auch egal…

Es wurde 1989, das Jahr in dem ich viel duschte, wegen der Mädchen und anfing mich zu rasieren, aus selben Grund. Eine eigenartige Stimmung vibrierte durchs Land, es lag etwas in der Luft, merklich, aber nicht zu benennen.
Meine Kumpels und ich lebten in dieser Zeit nur von einem Wochenende zum nächsten, von einer Party zur anderen. Die Zukunft war weit weg oder so neblig nur, dass wir es gleich ließen, einen Gedanken daran zu verschwenden. Was zählte war das Jetzt.

Es kam dieser Samstag, an dem ich, nur mit einem Handtuch um die Hüfte geschwungen, vor dem Fernseher stand und „Formel Eins“ schaute. Diese Sendung war Pflicht und die einzige Möglichkeit, neueste Infos über „West- Musik“ zu bekommen. The Cure hatten tatsächlich ein neues Album rausgebracht und die Single war „Lullaby“. Ich freute mich, war aufgeregt und von dem Gedanken besessen, dieses Album haben zu müssen. Damals war dies ein tatsächliches Problem - heute kaum vorstellbar.

Noch am selben Abend traf ich Maik und Ralf und Hiller und natürlich hatten alle dieses Video gesehen und natürlich waren wir von demselben Gedanken beseelt.
Ein paar Wochen später hielt mir Ralf, der immer nur zu Besuch war, weil seine Großeltern ein Wochenendhaus in unserer Gegend hatten, die erste Kopie von Disintegration unter die Nase und grinste. An diesem Nachmittag hörten wir die LP gefühlte tausendmal, lagen dabei entspannt auf dem Rücken, in den Sommerhimmel blickend und rauchend. Tolles Album bis heute, wie ich finde.

Wir hatten viel Spaß in diesem Sommer, der irgendwie so anders war als alle anderen, die davor waren oder danach kommen sollten. Leo fuhr betrunken mit seiner „Simson“ in den Teich und wir hatten diese Mutprobe, mit dem Moped so dicht und so schnell wie möglich am Schwimmbecken entlang zu fahren. Nie fiel einer mit seiner Kiste ins Becken, aber glauben Sie mir, wir hatten einen Heidenspaß, von einem fahrenden Moped ins Becken zu springen. Es gab erste Liebe, Schlägereien, ungelenken Sex und viel zu viel Alkohol, jedoch nie genug Cure-Partys, ein Umstand, der bis heute gilt.

1992. „Wish“ kam raus. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich gerade knappe 2 Jahre im Westen verbracht. Zu Beginn eine schlimme Zeit. Ich hatte ne Scheiß-Frisur, kein Geld, doofe Klamotten und war der Zoni. So etwas kratzte zumindest an meinem Ego. Das Leben war nicht jenes, welches ich kannte und wenn ich Erwartungen gehabt haben sollte, dann wurden sie nicht erfüllt. Ich fühlte mich als Außenseiter und benahm mich auch so.
Nie werde ich das Licht und die Werbung vergessen, es erschlug mich förmlich. Ziemlich schnell fand ich jedoch heraus, dass alles eine große Lüge war. Knäckebrot bleibt Knäckebrot, auch wenn es in einer tollen Verpackung steckt und das Leben ist nur dann aufregend und interessant, wenn man es sich leisten kann - das erste was ich mir leistete war ein Maxi von „Pictures of you“. Ich kaufte step by step alle Platten zusammen und hörte sie auf einem alten Reisplattenspieler, dessen Deckel auch die Box war. Mono. Traurig, dass mir all diese Platten gestohlen wurden, was ich bis heute tatsächlich sehr bedaure.
Dies waren Jahre der Findung, der Orientierung. Ich lernte die Antike kennen, die mir Halt und Auftrieb gab, ich lernte einen anderen Maik kennen, der schon immer im Westen wohnte und so beschissen dran war wie ich. Klar wurden wir Freunde und klar hörte er The Cure, aber noch viel lieber Alice Cooper. Kurz versuchten wir eine Band zu gründen, aber nach 2 Wochen warf ich hin, denn ich konnte einfach nicht Schlagzeug spielen und Bass schon gar nicht.
Das Konzert der Wish-Tour, welches in der Alsterdorfer Sporthalle stattfand, war bis da der größte Event ever in meinem kleinen Leben.

1996. „Wild Mood Swings“. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich mit dieser Scheibe warm wurde. Es mag daran gelegen haben, dass ich gerade mit dem Bund fertig war, die Antike und ich unsere erste gemeinsame Wohnung bezogen und immer pleite waren. Ich hatte tausend tolle Jobs, die immer irgendwie „Produktionshelfer“ hießen und ich habe etliche Firmen in Hamburg von unten gesehen. Dennoch. Wir gaben nicht auf und der Erwerb dieser Scheibe war ein Happening, an das ich mich sehr gut erinnern kann, denn die Antike machte mir damit eine riesige (wenn auch ökonomisch höchst bedenkliche) Freude. Manchmal können es so kleine Dinge sein.

2000. „Bloodflowers“. Mein Studium war zu Ende, ich hatte das Glück eines richtig gutbezahlten Jobs und es ging aufwärts und zwar in voller Fahrt. Die Antike und ich ersteigerten ein Haus in Schweden und das Verhältnis zu meiner Familie wurde immer angespannter. Ich kaufte die CD in Flensburg nach einem Geschäftstermin en passant, kein Gedanken daran verschwendend, dass es früher anders war. Die Zeit hatte sich dramatisch geändert und ich mich auch.

2001. „Greatest Hits“ - erwarb ich, weil es ein Lied beinhaltete, welches es nur darauf veröffentlicht wurde: Cut here.
Noch heute erinnert es mich an diese schwierige Zeit. Vielleicht ist es so, dass Menschen, die eigentlich alles haben und keine Sorge kennen, sich auch nicht mehr umeinander sorgen, ich weiß es nicht. Ich weiß aber, dass ich die Antike beinahe betrogen hätte. Es war keine Liebe oder so etwas, es war purer Sex und Begehren der Zukurzgekommenen. Es passierte nichts, dennoch muss ich etwas an mir gehabt haben, was die Antike skeptisch werden ließ. Im Nachhinein war das wohl der Anfang vom Ende.

2004. „Join the Dots“ und „The Cure“. Wir wohnten in Schweden und die Intensität unserer Beziehung nahm mehr und mehr ab, lief sich tot, irgendwo zwischen Arbeit und verkrampften Versuchen, etwas am Leben zu halten, was nicht mehr leben wollte. Ich begann Blogs zu lesen, war beruflich viel unterwegs und habe beide CD´s bei Skandinaviens größtem Internethändler vor Erscheinen vorbestellt.
Viele Abende verbrachte ich im Auto, fuhr wahllos umher, nur um ungestört diese Musik zu hören und irgendwann war es mit der Antiken und mir aus. Der Rest ist Geschichte, die hier im Blog nachzulesen ist…

Es mag Leute geben, die empfinden es als langweilig, monoton sogar, sich auf eine Band so stark zu fokussieren. Mir ist dies egal, denn ich höre nicht ausschließlich The Cure. Sie sind vielmehr eine Konstante, zu der ich immer wieder zurückkehre. Dabei hat ihr Gesamtwerk ein so breites wie tiefes Spektrum, dass für jede Lebenslage der richtige Song dabei ist.
Und wenn nun hoffentlich bald das neue Album kommen wird, wobei man im Netz von Mai schreibt, werde ich aufgrund dieser Aussage:
"I like the idea of it being more in the style of the “Kiss Me Kiss Me Kiss Me” album with different things happening."
nicht nur unheimlich gespannt sein, sondern bestimmt auch einer der Ersten, die es kaufen werden.

Glauben Sie mir, ich könnte zu etlichen Songs von The Cure eine Begebenheit oder ein Geschichtlein erzählen, könnte sie ausschmücken und zu neuem Leben erwecken. Es wären ihrer viele.
Vielleicht ist es genau diese Tatsache, weswegen ich am Freitag letzter Woche, während des Openings, so ergriffen war und ja, Euer Ehren, das war ich wirklich, denn da unten, auf der Bühne, spielten sie den Soundtrack meines Lebens. Vielleicht hat man mir auch nur vor Augen geführt, dass ich nicht jünger werde, dass diese Liebe irgendwann schon unerwidert bleiben kann und das alles mal ein Ende hat. Egal, denn die Erinnerung bleibt, oder?
Fear of Ghosts
is forcing me apart
and the further i get
from the things that i care about
the less i care about
how much further away i get...


PS Dieses Zitat aus einer der besten "B-Seiten" gleich nach "The Exploding Boy" schicke ich mit freundlichen Grüßen an mindestens 5 Blogger hier.


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