Dienstag, 19. Mai 2009
Auch Du, mein Freund, ein Unterschichtenmensch?



Soho. Ich war unterwegs, was nichts Ungewöhnliches ist und habe, wie es sich für einen guten (wenn schon nicht hochbekannten;-)) Blogger gehört, Ihnen auch etwas mitgebracht (s.o.).

Es handelt sich dabei um einen sogenannten Landschaftsstrich. Nachdem die Rätselraterei sich auch irgendwann in Langeweile verkehrt, was nichts verkehrtes, eher ganz Natürliches ist, wie andere Formen der Ausscheidung auch, lass ich mal die Frage wo das sein könnte, verrate es selber (Saarland) und schwenke zum Hauptthema:

Neben der ganz erstaunlichen Meldung, die ich heute Morgen in der Saarbrücker Zeitung las, nämlich die neuesten Erhebungen zum Thema Armut in Deutschland, war der eigentlicher Burner die Meldung aus der Branchenpostille.

Die markige und sehr eingängige Überschrift lautete:

Fleisch droht zum Unterschichten-Produkt zu werden

Neben den üblichen Erklärungen, denen dicht die Verteufelungen folgten, dass rotes Fleisch u.a. das Risiko an Herzinfarkt und Krebs zu versteben deutlich erhöhen, wurde eine viel interessantere Meldung publiziert. Ich zitiere mal wörtlich:

"Durch zahlreiche Skandale in Misskredit gebracht, haben sich weite Teile der Bevölkerung vom Fleisch und seinen Verarbeitungsprodukten zurückgezogen. Vor allem wohlhabende und gebildete Kreise konsumieren nach der jüngsten Nationalen Verzehrstudie weniger Fleisch. Der Göttinger Professor für Lebensmittel-Marketing, Achim Spiller, brachte den Sachverhalt auf die zugespitzte Formel: Fleisch droht zum Unterschichten-Produkt zu werden."

Aha, so dachte ich, während ich mir mein frisches Rührei, fein bestreuselt mit frischem Schnittlauch, einverleibte und fragte mich weiter: Ob es diese schnittige These auch in den 50er oder 60er Jahren gegeben hätte, wo die Helden der Montan-Industrie noch richtig kloppten? Oder was würden wohl die Werftarbeiter bei Blohm und Voss dazu sagen?

Ich weiß es nicht, hege aber eine enorme Aversion gegen Schubladendenken, herablassende Borniertheit und schnodderige selbgefällige Typen, wie es sie auch unter den Bloggern gibt. Wir können nunmal nicht alle hochbezahlte Schreibtischjobs und FAZ Abo haben. Nicht?

Also habe ich mir sogleich im 5* Hotel, dessen Erwähnung weniger dem Protzen gilt, sondern mehr zur Verdeutlichung des Umfeldes dienen soll, die Leute am Buffet angeschaut. Glauben Sie mir, die allerwenigsten von denen würden wir zu Unterschicht oder den Bildungsfernen zählen. Wirklich nicht. Dennoch: Fast alle hatten frischen Speck und, au Teufel noch eins, auch Salami(!) auf dem Tellerchen. So jedoch nicht ich. Nein. Ich hatte nur Rührei, Lachs und etwas Obst. Welch ein Glück, nicht? Man muss ja heute auf alles achten, neben Dresscodes gibt es nunmher auch Fresscodes, so scheints.

Ich will auch gar nicht lange darauf rumreiten. Nur manchmal wundere ich mich halt. Besonders über solche affektierten Leute wie den Professor. Vielleicht wollte er mal mediale Beachtung finden, was hiermit geschehen sein soll.

Und damit der Bogen zu der Saarbrücker geschlossen wird:

Ich habe das Gefühl, dass es in den "armen" Gegenden dieses unsers schönen Landes weniger Fast Food Filialen gibt. Ich muss das mal prüfen. Fakt ist jedoch, und ich bin aus beruflichen Gründen oft da, dass mehr und mehr Menschen ihre Hauptmahlzeiten dort einnehmen. Ganz erstaunliche Szenen spielen sich da bisweilen ab. Auch hier ist eine strikte Kategorisierung nicht angebracht, wohl aber einer Ernährungerziehung. Amen.



Korpulente Menschen auf dem Weg zum Abendbrot, Offenburg (liegt in einem reichen Bundesland), letztes Jahr


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