Montag, 4. September 2006
Im Schatten der Akropolis
Die wichtigsten Fragen des Lebens sind zum größten Teil eigentlich nur Probleme der Wahrscheinlichkeit. Die Welt als solche benimmt sich sonderbar, wir alle sind mehr oder minder blind im Nebel des Seins, denn vieles ist eine Frage des Zufall, den wir nicht wirklich ausrechnen können.
Wie wahrscheinlich war es, dass ich an beschriebenem Wochenende, welches einer anderen Frau angedacht war, dieses wunderbare Mädchen in Wien treffe? Wie wahrscheinlich war es, dass dieses Mädchen sich in einer Beziehungskrise befand? Wie wahrscheinlich war es, dass ich ihr den Anstoß gab, ohne das ich mir dessen bewusst war, sich endgültig zu trennen? Wie wahrscheinlich war es, dass wir einander verfielen?
Vorletztes Wochenende war ich allein zuhause und im Stress. Ich kam Freitagnacht aus Deutschland wieder, kümmerte mich um die Wäsche am Samstag und Sonntag flog ich wieder nach Wien, denn die junge Frau, die ich ab sofort die DieP nenne, hatte es sich gewünscht, genauso wie ich, denn ich mag sie unheimlich. So holte sie mich am Flughafen ab. Ich hatte Verspätung und landete gegen 22.50 Uhr. Eigentlich war es auch Idiotie so zu agieren, aber kann es Idiotie geben, wenn das Herz regiert?

Wir tuckerten in ihrem Smart Cabrio durch Wien hin zum Hotel, welches ich gebucht hatte. Wir unterhielten uns und sie ist einer dieser Menschen, die man eben erst kennen lernte, sich aber sofort mit ihm vertraut fühlt. Das Hotel begeisterte sie und auch wenn sie beruflich viel unterwegs ist, so hat sie doch noch nie in einem solchen Hotel genächtigt und sie sagte, sie könne sich für so alte Gebäude begeistern. Ich schmunzelte innerlich und dachte mir, genau wie ich.
Wir saßen unten in der Lobby und tranken ein Zwickel, denn die Bar hatte geschlossen wegen einer solchen Gesellschaft. Das machte uns aber nichts, wir hatten eh nur Augen und Ohren für uns.
Dann war es 00.30 Uhr und ich stand unter der Dusche, es wurde 00.45 Uhr und wir versanken in einem Rausch, den ich so noch nie erlebt habe. Es wurde 04.00 Uhr und wir fielen in schwitzig erschöpften Schlaf. Es klingelte 05.30 ihr Handy, uns zu wecken und sie fragte, „Auf wann hast du dein Handy gestellt?“
„Zu um Sechs.“ Sie schaute mich mit diesem Glitzern in den Augen an und es flammte nochmal die Leidenschaft auf, einfach so.
06.00 Uhr DieP steht unter der Dusche und ich am Fenster. Ich schaue auf Wien, es schläft noch und im Osten geht die Sonne auf. Ich konnte das hier alles gar nicht glauben.
06.30 Uhr ich spürte das heiße Wasser auf meinen Schultern, es entspannte nicht.
06.45 Uhr ich rasiere mich. Die Tür geht auf. DieP steht in ihrem Kostüm vor mir und fragt, ob sie mir zuschauen dürfe.
„Warum nicht?“ entgegne ich.
„Mein Freund mag es nicht.“ Sagte sie und
„Du rasierst dich nass? Das finde ich gut.“
„Nassrasur, Automatikuhr und Hosen mit Knöpfen. Es gibt so Dinge, die nur richtige Kerle tun,“ grins ich sie an und sie löste dabei das Handtuch, das ich mir um die Hüfte geschlungen hatte.
„Schockiert dich das gar nicht?“ Fragte sie verschmitzt.
„Nö. Sollte es?“
„Nee. Ich schaue dich gerne an. Du hast einen schönen Körper.“
„Du aber auch.“
„Erzähl nicht. Ich habe erst wieder mit Sport angefangen.“
„Sieht man.“
„Charmeur. Was machst du für Sport?“
„Gar keinen.“
„Das glaub ich dir nicht. Bei dem Körper.“
„Na ab und an mal ein Situp, 2 Liegestütze und ein Klimmzug.“
„Du spinnst.“
„Nee ist wahr. Ich gehe in kein Fitnessstudio. Habe ich gar keine Zeit für.“
Und dann zog ich mich an, einmal die Businessuniform. DieP ist beeindruckt, wie schnell ich den Schlips binde und wie gut mir das alles stehen würde. Mir war es peinlich und ich entschuldigte mich fast. Ich sagte: „ Es ist nur ein Frage des Trainings, es ist nur Anzug.“
„Stimmt, “ sagte sie, „aber es gibt Leute, denen steht es und dann gibt es Leute, die sehen albern aus. Dir steht es definitiv!“ Und sie kommt auf mich zu und gibt mir einen Kuss.
„Du bist wundervoll.“
„Und du bist dabei, mein Herz zu rauben.“ Sie legte mir den Finger auf den Mund und sagte ich solle nicht so etwas sagen.
07.00 Uhr Frühstück. Sie schaute mich über den Rand ihrer Tasse an. Sie hat so wunderschöne blaue Augen, groß und so blau. Ich strich ihr die Strähne aus der Stirn.
„Ich werde dich vermissen.“
„Ich tue es jetzt schon. Bringst du mich noch zum Auto?“
„Na klar.“ Und dann ging es sehr schnell. Ich beleitete sie, es gab eine kurze aber schmerzvolle Verabschiedung und dann war sie weg. Mir kam es so unreal vor, so geträumt, so wunderschön.
07.45 HG steht pünktlich auf die Minute an der Rezeption. Er grinste und meinte in Wien gäbe es nun mal doch die schönsten Mädchen. „Diese hier ist besonders.“ Antwortete ich ihm und dann fädelten wir uns in den Berufsverkehr ein und fuhren zum Flughafen.
Unterwegs erzählte ich ihm von den Möglichkeiten, die sich mir böten und er wurde traurig. Er sagte, er könne es verstehen, er sagte er könne es aber nur schwer akzeptieren, zu gut würde es zwischen uns funktionieren, ja es hätte noch nie vorher so gut funktioniert. Wir würden doch wachsen, die Zahlen würden passen, alles läuft wie wir es wollen und dann bügelte ich ihn über und sagte ihm, ich müsse zuerst an mich denken. Das konnte er auch verstehen.
10.45 Uhr der Flieger hebt ab. 36 Sekunden und ich bin knappe 12 Stunden in Wien gewesen. Anderthalb Stunden davon hatte ich verschlafen, den Rest genutzt, so gut wie ich ihn nutzen konnte. Jede Minute war es wert. Ich falle in Schlaf und werde erst in Athen geweckt.
Dort trifft mich der Hitzehammer, nicht unvermittelt, aber schwer. 36 Grad. Es brauchte eine Stunde bis ich da bin, wo ich hin wollte. Glaspaläste und Fahnen, es riecht nach Geld.
Das Meeting dauert 3 Stunden, die Ministeriumsheinis können mir nicht wirklich was Neues bieten. Wenigstens wissen sie, wo sie die Fördergelder ausgraben können. Ich spule meine Präsentation runter. Es ist keine Herausforderung, ich habe die schon ein paar Mal gehalten. Wir arrangieren ein neues Meeting für ein follow up am Freitag. Nach einer weiteren Taxifahrt bin ich im Hotel. Luxuriöse Insel fetter amerikanischer Touristen und so Geschäftsleuten wie mir. Ich kann die Akropolis von meinem Zimmer aus sehen. Sie interessiert mich aber nicht. Nicht heute. Ich rufe DieP an und dann falle ich todmüde ins Bett.
Dienstag traf ich die Leute der Firma, die ich selber als Kooperationspartner vorschlug. Wir reisten quer durch Attika. Ich nehme die ganz Firma unter die Lupe, Lagerhaus, Büros, rede mit den Leuten und wir gehen zum Lunch. Danach beginnt das Shootout. Es wird das längste, das ich bis dahin hatte. Siebeneinhalb Stunden. Es geht aber auch um viel. Es werden die Eckdaten für eine Marktöffnung festgelegt. Am Ende haben wir einen Rahmenvertrag, der in sich noch so schwammig ist, dass es mindestens 1 Woche arbeit braucht, bevor alles fixiert ist. Es fühlt sich aber gut an. Alle wichtigen Punkte für uns sind drin. Ich war noch so vom Adrenalin oben, dass ich Maria anrufen musste. Sie freute sich mit mir. Es ist dein Erfolg, sagte sie. Dann ging nichts mehr. Todmüde. Traumloser Schlaf.
Mittwoch besuchte ich hochwichtige Leute außerhalb Athens. Wasserspiele vor der Tür und ich dachte mir, gibt es doch gar nicht: In Athen müssen sie Wasser sparen und hier umspielt es blasierte Eitelkeit. Der Herr Geschäftsführer ist gut drauf, seine Präsentation gut, sehr hilfreich und es entwickelte sich eine nette Diskussion, als mein Telefon vor sich lang hin vibriert. Es war DieP. Ich entschuldigte mich und sagte dies sei ein hochwichtiger Anruf, auf den ich den ganzen Tag wartete und schon war ich aus dem Konferenzraum.
„Hi.“
„Hi, wie geht’s dir?“
„Gut. Was machst Du?“
„Ich habe mich gelangweilt und an auf deinen Anruf gewartet.“
„Erzähl nicht. Du hattest doch heute dieses Meeting.“
„Hab ich auch immer noch.“
„Hast Du eine Pause?“
„Hab ich mir genommen.“
„Wegen mir? Soll ich auflegen?“
„Nee, lass mal. Die wollen ja was von uns.“
„Du bist so lieb. Ich vermisse Dich und ich mach mir Sorgen, was du von mir denken könntest.“
„Wieso?“
„Na weil ich doch einen Freund habe.“
„Es ist mir egal. Ich finde gut, wenn du deiner inneren Stimme folgst. Wie schon gesagt, du musst tun was du für richtig hältst, nur so wirst du glücklich. Tue nichts für mich, tue nichts für deinen Freund; in diesem Zusammenhang solltest du etwas für dich tun.“
„Kannst Du nicht sagen, ich solle mit ihm Schluss machen?“
„Nee. Ich kenn ihn ja gar nicht; ich weiß nicht, was ihr für eine Beziehung habt.“
„Nicht die beste.“
„Dann ziehe Deine Konsequenzen.“
„Ich werde ihn damit verletzen.“
„Kann sein. Kann nicht sein, vielleicht wartet er nur darauf, dass du den ersten Schritt tust.“
„Du bist mir keine Hilfe.“
„Ich kann nicht. Ich werde aber für Dich da sein. Ob du nun nen Freund hast, oder nicht. Ich verurteile dich für gar nichts, aber ich werde dich auch nicht bequatschen.“
„Eigentlich finde ich das richtig toll. Genauso, wie du mich ins Taxi gesetzt hast. Ich meine, all die Männer, die ich kenne, hätten versucht die Situation auszunutzen. Du aber nicht. Darum gingst du mir auch nicht aus dem Kopf.“
„So wird es immer sein. Das hat was mit Respekt zu tun und damit, dass du es auch willst. Wenn du nicht wirklich dabei bist, macht es mir keinen Spaß. Insofern handle ich egoistisch.“

Sie lachte und sagte, so gefalle ihr Egoismus und dann verabschiedeten wir uns und ich ging zurück ins Meeting. Das haben wir auch farblos zu Ende gebracht, dann gab es das übliche und abends bin ich doch noch rüber zur Akropolis. Man ist ja auch Bildungsbürger.
Donnerstag war Donnerstag. Viele Besuche, noch mehr Diskussionen und abends bin ich mit dem potentiell neuen Partner in einer Strandbar versackt. Diese ist ein richtiger Geheimtipp. War gut, war interessant und ich will, das diese Firma den Zuschlag erhält. Ich werde für sie kämpfen. Im Hotel rief ich die DieP an:
„Hi. Wie gehst es Dir?“
„Nicht gut. Ich habe heute mit ihm Schluss gemacht. Das komische ist, als es raus war, fühlte ich mich gut. Für ihn fühlte ich gar nichts, doch für mich war es eine Befreiung.“
„Dann war es die richtige Entscheidung! Und das Beste ist, du hast es ganz allein gemacht. Warum fühlst du dich nicht gut?“
„Weil ich ihm ein Schritt voraus bin und außerdem habe ich dich.“
„Aber noch nicht ganz. Das muss wachsen.“
„Können wir uns nicht sehen? Wann kommst aus Griechenland zurück?“
„Ich fliege am Freitag. Ich habe sogar einen Stopp in Wien, ca. ne Stunde.“
„Wann?“
„Ich lande in Wien um 16.30 Uhr und es geht um 17.20 weiter. Das ist viel zu kurz.“
„Ja, aber ich würde dich auch für eine Stunde treffen wollen, aber es ist auch zu früh. Ich bin dann noch im Büro.“
„Weißt du was, ich werde morgen versuchen, den Flug umzubuchen. Hat am Sonntag ja auch geklappt.“
„Siehst du, das ist was ich meine. Du machst das einfach so. Keine Diskussionen. Du beschließt und tust und vor allem, ich habe das Gefühl, du tust es nur für mich.“
„Ich tue es für uns. Weil du es möchtest, weil ich es möchte.“
„Du hast in den paar Stunden schon mehr für mich getan, als mein Ex-Freund in den letzten 3 Jahren.“
„Wir haben doch noch gar nicht angefangen.“
„Dann lass ich mich überraschen, was da noch alles wartet.“
„Vielleicht kann ich dir das schon morgen Abend zeigen.“
„Es würde mich freuen.“
„Mich erst.“
Und dann war Freitag und es war nicht leicht, aber ich habe den Flug umbuchen können. Ich landete immer noch um 16.30 Uhr, aber der Weiterflug war erst Samstag um 07.00 Uhr. Soviel Zeit hatten wir noch nie gemeinsam. Wir nutzten sie. Schlaf gab es dabei nicht soviel, aber das war egal. Wir hatten viel Spaß, gutes Essen, gute Drinks, ich war das erste Mal in meinem Leben in einer Daddelhalle, wir tanzten, wir redeten und alles alles fühlte sich einfach gut an, so lebendig. Der Abschied war schlimmer als der letzte, sie sagte, es würde noch schlimmer werden mit der Zeit und ich antwortete, nicht wenn wir es ändern. Sie machte grosse Augen:
„Was meinst du?“
„Ein Job ist ein Job. Ob nun Österreich, Deutschland oder Schweden.“
„Du bist ja verrückt. Geh jetzt!“ und dabei lachte sie und gab mir einen Klapps.
Tja. Dann saß ich wieder im Flieger, 32 Sekunden. Gegen 10.00 Uhr landete ich in Stockholm, war hundemüde und hatte noch ein Mittagessen mit Maria. Das werde ich aber nachbloggen, war nämlich auch gut.


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