Montag, 2. Oktober 2006
The appearance of japanese Sushi-Monkey
Vor zwei Wochen bin ich mit Maria nach Stockholm geflogen. Wir hatten schon wieder einen kleinen Disput, ob ich nun Urlaub brauche, oder nicht und sie sagte, sie hätte das Gefühl, es müsste sich jemand um mich kümmern. Ich glaub sie hat keine Ahnung, wie Recht sie damit hat. Dann schlief ich ein und wachte erst wieder bei der Landung auf.
Vorletzten Samstag flog ich nach Amsterdam, um mich mit dem Junior zu treffen. Dieser ist weiblich, 42 Jahre alt und die Neuigkeiten, die ich für sie hatte, fand sie erst gut, dann doof und sie sagte, das ist dann wohl unser letztes Candlelight Dinner? Ja, sagte ich, aber begreife das alles hier als deine Chance. Dann zogen wir durch die Clubs, hatten ne Menge Spass und am Ende, welches ziemlich spät war, sagte sie, sie hätte sich seit langem nicht mehr so wohl gefühlt. Stimmt. Ging mir nämlich genauso.
Am Dienstag bin ich von Amsterdam nach Hamburg geflogen, denn am Mittwoch hatte ich da einen Termin. Der AD holte mich ab und meinte, er hätte ein Hotel bei sich in der Nähe gebucht, was da hieß, ich würde irgendwo in der schleswig-holsteinischen Pampa wohnen. War dann so schlimm aber nicht und in seiner Stammkneipe war der Wirt gut drauf, großer The Cure Fan und wir verbrachten dort ne gute Zeit. Den Termin haben wir auch mit Bravour gemeistert und Mittwochabend waren wir schon in Frankfurt.
Dort gab es am letzten Samstag ne tolle Party von einem der größten deutschen EK-Verbände. Alles war kostenlos, die Musik gut und alle Leute bekannt. Ich tanzte erst mit der DieDu und danach mit einer jungen Frau, die einer unsere größten Kunden ist und seit dieser Feier Duzen wir uns auch. Sie sagte, ich tanze gut. Sie sagte ebenfalls, ich gefalle ihr gut. Sie gefiel mir auch, mehr als nur ein bisschen, dennoch war das dann die Stelle, wo ich auf die Bremse trat. Ich erzählte ihr, das hier endet sowieso wieder mit dem japanischen Sushimokey und außer einem sehr langen Händedruck als Verabschiedung ist zwischen uns nichts weiter passiert.
Gestern war ich mit ihr und ihrem Bruder essen. Sie erzählte mir, dass es im Sammeltaxi noch hoch herging. Du kennst doch den und den, der hätte jedenfalls mit der und der. Du hattest Recht James, gut das wir getrennte Wege gingen, das hätte auch anders ausgehen können, denn wir waren alle betütert. Aber James, was ist denn nun der japanische Sushimonkey? Tja. Das habe ich ihr dann erklärt, sie fand es traurig, ich weiß, dass es sich aufgrund der Terminlage bei mir nicht so schnell ändern wird und erzähle meinen Bloggerfreunden, die ich sehr vernachlässigt habe, mal schnell die Geschichte vom Erscheinen des Sushimonkey:


The appearance of japanese Sushi-Monkey


Es bläst ein stürmischer Wind in Stockholm, morgens sind immer noch die Straßenlaternen an und Blätter fallen von den Bäumen, wie anderswo haltlose Liebesschwüre. Ich ziehe den Reißverschluss meines Trojers hoch, den Kopf ein und fische mit klammen Fingern die letzte Lucky aus dem Softpack. So stehe ich da vorm Cafe und kann ihn riechen, den Duft von Gebäck und Kaffee, der unaufhörlich durch die offene Tür strömt, so stetig wie der Fluss von Menschen, die an mir vorbeihasten. Ich bleibe heute hier, mache nichts, denn sie hat gesagt, es würde nur zehn Minuten dauern und dann wäre sie da. Zehn Minuten kann eine Ewigkeit sein und ich nehme die Zeit der Grünphasen der Fußgängerampel. 45 Sekunden Grün, 45 Sekunden Rot. 90 Sekundentakt, alles ist geregelt nur die Gefühlslage nicht; hier ist immer Rot. Ich inhaliere tief und spüre wie sich der Qualm in den Bronchien ausbreitet, wie das Nikotin mich entspannt und plötzlich sehe ich sie. Mit forschen Schritt kommt sie auf mich zu, zielgerichtet, sie pflügt sich ihren Weg durch den Menschenfluss, der Wind hat ihr Haar zerzaust und die Kälte ihre Wangen rot werden lassen. Dann steht sie endlich vor mir, lächelt mich an, mit diesem Lächeln, dass mich schon das letzte Mal weich werden ließ, ich spüre, das mein Herz wie Butter in der Sonne irgendwohin zerfließt.
Wir sitzen im Cafe, Fensterplatz, es ist voll hier. Ich höre ihr zu, allen ihren Geschichten, sie ist so schön, ihre Augen sind gefährlich, ihr Lächeln eine Waffe. Das Gerede der Menschen um uns herum schrumpft zu einem Hintergrundrauschen. Es scheint als hätte sich um unseren Tisch eine Blase der Glückseeligkeit gebildet. Ich vernehme ihre Stimme klar und deutlich. Ihr Lachen ist so glockenhell und draußen beginnt es zu regnen. Wir spielen ein Spiel. Die Frage ist, wessen Regentropfen zuerst auf der Fensterscheibe zum Boden entlang rinnt. Sie gewinnt, lacht und nimmt noch einen Schluck von ihrer heißen Schokolade. Wir reden über dieses und jenes, die Zeit scheint uns unbekannt und dann sagt sie, sie müsse jetzt los, es hätte sie sehr gefreut, dass wir uns mal wieder gesehen hätten, aber nun ist es Zeit zu gehen. So bezahle ich. Vor der Tür gibt es eine Umarmung und schon ist sie wieder weg.
Ich habe noch keine Lust nach Haus zu gehen, da war ich schon, kenn ich schon. Ich schlage den Kragen hoch und schlendere die Einkaufsmeile entlang. Der Regen stört mich nicht. Ich schaue mir die Auslagen an, Gucci, Prada, schöne bunte Markenwelt, schönes buntes Fake und ich denke an Herrn XY, mit dem ich mich neulich traf. Er versprach Grosses, Markenwelten, Herr Cabman, wir verkaufen Emotionen, Herr Cabman, wir verkaufen Gefühl, Herr Cabman. Als wenn ich das nicht alles selber wüsste, ich habe genug Fachliteratur gelesen. Die Frage ist, wenn es so leicht ist, Gefühle zu verkaufen, warum tue ich mich so schwer jemanden zu finden, der welche für mich hat?
Da Handy vibriert in der Tasche. Es ist sie. Sie fragt, ob ich nicht vorbei kommen wolle. Sie sagt, sie würde sich gern weiter mit mir unterhalten. Sie gibt mir die Adresse und ich rufe ein Taxi.
Viktorianischer Prachtbau, zentrale Lage. Ich bin beeindruckt und drücke auf den Klingelknopf. Es gibt keinen Fahrtsuhl, sagt sie, Dritter Stock, links und ich steige die Holztreppe hinauf, die zwar ausgetreten, aber frisch gebohnert ist. Alles riecht so gepflegt, alles hat einen Hauch von Schick.
Sie wartet schon auf mich, steht in der Tür und hat nichts weiter an als ein weißes T-Shirt und eine schwarze Hose. Bei jedem anderen hätte es nach nichts ausgesehen, bei ihr unterstreicht es ihre Eleganz. Sie wirkt verändert, nimmt mir die Jacke ab und schon steh ich mitten in ihrer Welt, die so anders ist als meine. Alles ist sauber und aufgeräumt, ich komme mir vor wie in so einem Katalog oder einem Hotel. Sie fragt mich ob ich etwas trinken wolle, einen Wein vielleicht und dann finde ich mich auf ihrer Couch wieder. Das Zimmer ist groß und hell, mit Stuck an der Decke, so etwas liebe ich. Aus einer sehr kleinen, sehr dezenten Stereoanlage klingen klassische Töne, ich beginne mich wohl zu fühlen.
Sie sitzt neben mir, den Kopf auf die Hand abgestützt, mit dem Weinglas spielend und schaut mich aus diesen blauen Augen an, denen ich immer wieder verfalle.
Wir plaudern belanglosen Kram, meist über die Firmen und stellen fest, so unterschiedlich ist unser Schaffen nicht, wir entdecken für den Moment verbindende Gemeinsamkeit, die ein wenig Nähe schafft, als sie das Glas auf den Tisch stellt, mir direkt in die Augen schaut und sagt, sie will diese Nacht mit mir verbringen, einfach so, sie nimmt sich was sie will und ich lass mich nur zu gern von ihr mitreißen.
Wir küssen uns, oder sie küsst mich, nimmt meine Hand und führt mich von Katalogseite 21, Wohnzimmer, über Katalogseite 32, Flure und Dielen, rüber zu Katalogseite 73, Schlafzimmereinrichtungen. Da geschehen mir Dinge, die ich nicht forciere, wohl aber genieße, in dieser teueren, erkauften Schlichtheit, wo außer unser Handeln alles sehr kontrolliert wirkt. Irgendwann scheinen die Wände einzustürzen und der aufsteigende Luftstrom reißt uns mit wie zwei Federn, die sich dabei umkreisen, ganz nach Oben, da, wo zwei Körper eine Seele haben, wo Zeit und Probleme nicht existieren, wo man losgelöst von der Welt ist, wo die Gefühle im Licht tanzen, wo es immer warm und wohlig ist und trotzdem ist es mit ihr hier ganz anders.
Es ist schon spät, oder früh, als wir erschöpft nebeneinander liegen, die Straßenlaternen beleuchten noch immer die Gehwege, als sich die Nacht auf samtenen Pfoten davonschleicht, nicht ohne mir einen Gruß durchs Fenster zu schicken. Ich flüstere ihr einen leisen Dank, doch sie sagt, es ist noch nicht vorbei, sei vorsichtig.
Die junge Frau neben mir krabbelt aus dem Bett und kommt nach wenigen Minuten wieder, nichts weiter tragend als zwei Gläser Mineralwasser. Sie setzt sich auf das Bett und in der grauen Stille des Morgens trinken wir es schweigend. Diese Frau ist wunderschön, charakter- wie körperlich, makellos. Während ich mir vorstelle, wie es wohl wäre, immer mit ihr aufzuwachen, immer mit ihr zu reden, immer mit ihr die Sorgen und die Erfolge zu teilen, sagt sie unvermittelt, dass dies hier ein Fehler war. Da sehe ich ihn zum ersten Mal, den kleinen hässlichen japanischen Sushimonkey, der mit spitzen Zähnen und hämischen Grinsen hinter ihrem Rücken hervor kommt, bewaffnet mit einem rasiermesserscharfen Küchenmesser; fühle zum ersten Mal, wie er meine Brust öffnet und mit schnellen Schnitten ein Stück meines Herzens filetiert, um es vor meinen Augen zu verschlingen. Es tat verdammt weh, tut es immer noch und wenn sie sagen, die Zeit heilt alle Wunden, dann ist dies auch wieder nur eine Lebenslüge, um uns die Angst vor dem Risiko einer Verwundung zu nehmen.
Ich versuch gar nicht erst sie zu bequatschen, im Gegenteil. Ich tue so als wäre es nur ein weiterer One Night Stand, eine weitere Bekannte, mit der man aus versehen abgestürzt ist, wenngleich wir beide wissen, dass dem nicht so ist, denn wir waren nicht betrunken. Hier war mehr zwischen uns, von Anfang an, seid wir uns kennen und so ist es noch immer. Vielleicht ist eine Frage des Alters, vielleicht ist es eine Frage des Mutes? How knows? How cares?
Ich sammele meine Sachen zusammen und verneine mehr als einmal, dass ich sauer mit ihr wäre und sie bittet mich, sie doch anzurufen, was ich auch verspreche. Und dann, nur ein paar Minuten später, spuckt mich der viktorianische Prachtbau wieder aus; ich verlasse die Katalogwelt, verlasse die, mit der ich so gern ein Stück des Lebensweges gemeinsam gegangen wäre, verlasse aber nicht meinen Wunsch, dass der japanische Sushimonkey doch bitte zur Hölle fahren soll. Dann haben Stadt und Einsamkeit mich wieder.


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