Freitag, 30. Januar 2009
Sturmfahrt, volle Fahrt Richtung Eisberg
Rødby /Puttgarden, gestern Abend

Unsereiner - nebst gedanklicher Begleitung seiner selbst - weiß nicht worüber er sich mehr erstaunt zeigen soll. Über die grenzenlose Dummheit dieses Satzes oder Tatsache, dass er völlig unkommentiert blieb.

Wir halten fest: Frau Sunny und ich haben recht. Es kommt nicht darauf an, was einer schreibt. Zuerst kommt es darauf an, wer es schreibt. Selbst wenn es der größte Bullshit ever ist, treu wie andere Herdentiere folgen wir und wollen gar niemals aufmucken. Darüber nachdenken auch nicht. Warum eigentlich nicht?

Sollten Sie mal wieder eine Betroffenheitssendung im Fernsehen schauen, so was mit Juden, oder Diktaturen, und sollten Sie sich danach restlos ratlos fragen, wie konnte das geschehen? Die Antwort wäre: Weil vielleicht niemand etwas dagegen sagte?

Was anderes, weil es bereits genügend Leute gibt, die sich ganz vortrefflich mokieren und austeilen können, in den seltensten Fällen sich aber tatsächlich Gedanken machen:

Wenn ich also durch die Weltgeschichte reise, meist als williger Stiefelknecht des Kapitals, versuche ich dabei auch immer, die Augen offen zu halten. Sie wissen schon, Dinge sehen, Dinge bewerten. Ist wie beim Bloggen.

Die Traurigkeit meiner Beobachtung liegt darin, dass über Ländergrenzen hinweg die Billigkeit Einzug hält. Allerorten lauert der Preisverfall:

London, letzte Woche

Nun, so mag man sich vielleicht der völlig absurden, deswegen aber nicht minder lustvollen Idee hingeben, dass der Preisrutsch doch nur gut sein kann, nicht wahr. Wir alle sind doch auch Verbraucher und als solche wissen wir: Was ich da spare, gebe ich dort aus. Und so bekomme ich mehr fürs Geld. Konsum als Droge, Konsum als Religionsersatz, das alles wurde schon hinlänglich in Blogs erörtert. Ich aber sage: Der falsche Konsum ist gefährlich.

Diese Thematik findet auch nur nochmal Eingang, weil ich in diesem Text nicht richtig verstanden wurde. Es ging nicht um die Schweiz. Geht es nie. Es ging um die drohende Vernichtung eines noch halbwegs funktionierenden Marktes.Und zwar so:


Hamburg Eppendorf, vor zwei Wochen

Wenn Sie ein bisschen mit offenen Augen durchs Leben gehen, dann wissen Sie vielleicht, dass dies eine Werbeschild in den Farben von „Plus“ ist. Zusätzlich lesen Sie vielleicht unten, in der Fußzeile: Unternehmensgruppe Netto – Markendiscount.
Das hat damit zu tun, dass der Merger nach langem hin und her nun doch vom Kartellamt genehmigt wurde. Plus wird es in seiner jetzigen Form nicht mehr lange geben. Schon bald.

Das aber nur am Rande, denn viel interessanter ist die Frage, wie nun 500 Artikel im Preis gesenkt werden können. Glaubt wirklich jemand, dass der damit einhergehende Margenverlust vom Handel allein getragen wird? Nix da. Das versucht man eins-zu-eins auf die Hersteller abzuwälzen. Was glauben Sie, wie die ca. 50.000 Betriebe, die in Deutschland direkt oder indirekt ihr Geschäft mit dem LEH betreiben, dies umsetzen können?

Eigentlich gar nicht mehr. Ganz unbemerkt vom Verbraucher tobt hinter den Kulissen ein ruinöser Wettbewerb. Jeder Player ist der festen Überzeugung, dass er ihn durchstehen, sogar gewinnen kann. Die Zauberworte heißen Effizienz- und Produktivitätssteigerung. Das Problem dabei ist aber, dass alle daran glauben. Und so schaukelt sich diese Entwicklung immer mehr auf.

Alles gut, so würden weniger differenziert denkende Mitmenschen jetzt wahrscheinlich Bloggen, die Billigprodukte den armen Schluckern und mir den handgeformten Käse aus Italien. So einfach ist es aber nicht, denn Billigprodukte in ihrer Masse, zwingen auch den Marken- den Qualitätshersteller, seine Preise zu reduzieren. Das erfolgt im ersten Step durch Rationalisierung im zweiten dann durch Qualitätsverlust durch Einsatz minderwertigere Rohmaterialien, oder ganz einfach Schwindel. Somit leidet die Gesamtqualität eines Marktes, als Folge davon sinken die Preise weiter und dann beginnt das große Sterben, wie das Beispiel aus der Schweiz zeigt.

Das gilt übrigens für so ziemlich jeden Markt:

Shop auf der Fähre, gestern

Und weil es für so ziemlich jeden Markt Gültigkeit besitzt, hat das Ganze auch eine gewisse Dramatik, denn es berührt auf die eine oder andere Weise einen jeden von uns. Die Generation Praktikum kommt ja irgendwo her, nicht? Working poor ist in Europa auch wieder ein Begriff. Die Gründe liegen meiner Meinung darin, dass im Zuge der Rationalisierung, wenn die Jobs schon nicht völlig entfielen, sie auch nicht mehr in dem Umfang bezahlt werden, der ihnen eigentlich zustünde, Sie wissen schon, Effektivität und Produktivität.

Das mündet dann in Kaufkraftverlust. Die Tragödie dabei ist, dass es genau die zuerst und am Härtesten trifft, welche die höchsten Bedarfe haben, oder glauben zu haben. Und so setzt sich eine Spirale in Gang, die nur abwärts führt, denn das bisschen verbliebene Kaufkraft will jeder der Händler für sich vereinnahmen, aber nicht mit Qualitätsprodukten, sondern mit dem günstigsten Preis und immer öfter, denn die Luft ist mehr als dünn, endet das dann so:


Amsterdam, letzte Woche

Irgendwann dann, weil die Frau mit den langen Beinen gerade danach fragte wie es weitergeht, hat sich der Markt konsolidiert, Netto übernimmt Plus, Rewe die extra-Märkte und so weiter und so fort und wir haben 3 Händler übrig, die sich dann in ihrer Preisgestaltung dramatisch ähneln (siehe Stromkonzerne). Wir werden die hocheffizientesten Anlagen haben und ein Heer von Arbeitslosen, denn wir können nicht alle Profi-Blogger oder Monrose sein. Vielleicht könnten wir aber Forscher sein, Grundlagenentwickler, vielleicht sollten wir mehr Geld für Bildung ausgeben, statt es denen in den Rachen zu stopfen, die bewiesen haben, dass sie damit nicht umgehen können.
Vielleicht wäre es Zeit für eine Revolution?


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