Donnerstag, 28. Februar 2008
Eine Frage der Ehre, oder des Anstandes
So. Das waren nun die ersten Intensivgespräche mit den potentiellen Kandidaten.
Was soll man da sagen? Nicht viel, außer, dass ich mich hier kurz über einen Streit auslassen möchte, den ich mal eben mit M. ausfocht.

Ich gebe auch zu, dass mein Favoritkandidat ein wenig schwach auf der Brust erscheint, will heißen, dass ich mir nur schwer vorstellen kann, dass er auf Anhieb gegen gewisse Größen innerhalb unserer Unternehmung ankommt. Dennoch glaube ich, da ich besagten Kandidaten mit dieser Befürchtung konfrontierte, dass er mit der Zeit wieder ein gesundes Selbstbewusstsein entwickelt.

Der junge Mann ist nämlich seit etwas mehr als 16 Monaten arbeitssuchend und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass so etwas am Selbstwertgefühl knabbert. Bei mir würde es das, ganz bestimmt.
Und natürlich gewannen wir schnell den Eindruck, dass der gute Mann unbedingt diesen Job will, es kroch ihm aus allen Poren, aber na und? Das würde uns allen so mit diesen Rahmenbedingungen gehen: Frau in Teilzeit, Kind in der 1.Klasse und arbeitssuchend. Ich kann daran nichts Nachteiliges sehen, ich kann es aber verstehen.

Doch das ist alles nicht der Streitpunkt gewesen. Die Aussage von M., der immer so auf der sozialen Verantwortung rumreitet, ich hätte diesen Kandidaten zu einem deutlich günstigeren Kurs bekommen, als ich nun bot, die hat mich erstaunt, sehr sogar.

Ja, Euer Ehren, auch ich überlegte kurzzeitig, ein geringes Jahresgehalt zu bieten, als eben jenes, welches wir freigegeben bekommen haben. Aber nur sehr kurz, denn schnell empfand ich es als Ungerechtigkeit, den einen, aufgrund seiner schlechteren Ausgangsposition, zu benachteiligen. Sicher hätte er zu dem Kurs unterschrieben und sicher hätte er trotzdem Leistung gezeigt, aber genau so sicher würde so etwas rauskommen und was man dann damit zerstört, kann man nie wieder gut machen.

Ich habe mich damals in Stockholm dagegen gewehrt, den Außendienst rauszuschmeißen, weil es das gute Ergebnis noch verbessert hätte und ich werde auch einen Arbeitssuchenden nicht bei seinem Gehalt bescheißen, nur weil ich es könnte. Es gilt für mich für alle Einsteiger:
Gleiche Pflicht, gleiches Recht, gleiches Gehalt, was danach kommt ist verhandelbar und leistungsabhängig.

Das halte ich für soziale Verantwortung und nicht die Frage, ob ich jemandem Prügel androhe, weil er – juristische geschrieben- mich sexuell belästigt.

Egal, ich kann mich morgen früh im Spiegel gut ertragen und dann wollen wir sehen, wie sich die anderen Kandidaten schlagen.

PS Jetzt mach ich Schluß und fahr rüber ins Hotel, basta!


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Das haben Sie selbstredend richtig gemacht. *daumenhoch*

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Ich streng mich an und versuche gerecht zu bleiben, nicht immer einfach.

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Klasse gemacht. Ein Mitarbeiter, der eine faire Chance und ein faires Gehalt bekommt, ist allemal besser als einer, der sich - wenn auch vielleicht unbewusst - erpresst fühlt.
Und: Geiz ist eben überhaupt nicht geil, weder bei Konsumenten noch bei Unternehmen.

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Geist ist geil!
Ich wünsche mir sehr, das du damit nicht irgendwann selber auf der Strecke bleibst, die Geiz-und Gierigen werden ja nicht weniger in deiner Branche (ach überall!)...

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@mifasola: Merci, genau diese Gedanken hatte auch ich und nicht vergessen: Der Arbeitnehmer ist auch Konsument und wenn er über zu wenig Einkommen verfügt, konsumiert er eben nicht, sondern die Sparrate steigt und ....bla bla bla Theorien

@peddi: Eine meiner Befürchtungen, eines meiner ganz persönlichen Ziele: Nicht untergehen!

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Klingt wie eine weise Entscheidung. Von dir könnten sich mal einige mir bekannte Personen ne ordentliche Scheibe abschneiden...

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Der gesunde Menschenverstand schwindet....mehr und mehr.

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Gut
gegen den Strom geschwommen!

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Eine Entscheidung wider die systemimmanente Logik. Führt auf dauer zum Zusammenbruch - nur was zusammenbricht, weiß man vorher nicht ;)

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die von m. vorgeschlagene gangart entspricht sehr der bei uns praktizierten. wenn man dann so mit den leuten spricht, kommt allerdings nur eines heraus: sowie die ein besseres angebot wittern, sind sie fort. die kosten für die suche nach nachfolgern und die entgangenen arbeitsleistungen durch vorzeitige innerliche distanzierung sind weit höher als die differenz in der bezahlung. von der kontinuität bei längerfristigen projekten mag ich hier gar nicht reden, da wird mir nachgeradezu körperlich übel. in manchen positionen wird jährlich gewechselt. die suche dauert drei monate, die einschulung weitere drei, manche fangen grundsätzlich nur an um sich in ruhe einen "anständigen" job suchen zu können. aber gehaltlich sind sie natürlich auf niedrigem niveau.

choose well, treat well, pay well -> work well.

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So sieht das nämlich aus. Ich bin seit etwa 6 Jahren in der Firma , damals waren wir zu acht. Inzwischen sind wir 10, aber von den Kollegen von damals sind außer mir nur noch 2 dabei. Das tut der Firma sicher nicht gut. Hat aber seine Gründe. Warum ich diese Konsequenzen nicht ziehe??? Wenn ich das wüsste...

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@gonzo: systemimmanent sind nur die Dinge, die wir als solche akzeptieren, tolerieren und mit denen wir kollaborieren. Wer anderes will, muss anderes tun. Einfach, oder?
@Kelef: Genau deswegen. Rekrutierungskosten, allein die Zeit, die Nerven und dann die Einarbeitung, hier hin fliegen, dahin fahren, Termine doppelt machen und dann vielleicht am Ende, so nach 3-4 Monten, steigt der Mensch aus. Habe ich keine Lust zu und ausserdem soll sich der Mitarbeiter wohlfühlen können!

@jammernich: Vielleicht ist Schmerzgrenze noch nicht erreicht?

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Sehr gut. Wirklich sehr gut.

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Danke und dito!

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