Sonntag, 3. Mai 2009
Familien

Heute in ländlicher Idylle des schwesterlichen Gartens den Geburtstag von Frau Mama gefeiert. In den vergangenen Jahren war dies nie mein Ding. Zu aufgesetzt und affektiert bisweilen das Verhalten einzelner Menschen, zu sehr dieses Gefühl im Vordergrund, ein Zootier zu sein. Ich habe mich oft nicht wohl oder dazugehörig empfunden. Doch die Zeiten ändern sich und mit ihnen die Menschen; nicht zu letzt ich selbst.

Also fuhr ich hin, denn auch meine Tante, eine Frau, die ich immer mochte und die mir nie böse wegen Entscheidungen oder Taten war, hatte sich auch angekündigt. 15 Jahre haben wir uns nicht gesehen und es wäre gelogen, zu schreiben, dass sich nie die Gelegenheit ergab. Dementsprechend neugierig war ich, wobei ich es mir nicht anmerken ließ.


Als Tantchen eintraf und die ersten Worte gewechselt waren, stellte sich sofort wieder dieses Gefühl des absoluten Vertrauens ein. Kein Schnack, keine Maskerade. Sie bat mich, die Sonnenbrille abzunehmen, um meine Augen besser sehen zu können, und dann sprach sie: „Ja, du bist immer noch mein kleiner James.“

Was soll man sagen? Es traf mich irgendwo zwischen Herz und Magen und die Zugehörigkeit war da, fühlte sich intensiv an. Wir redeten und ich wollte tatsächlich wissen, wie es ihr geht. Sie erzählte darüber, dass sich nicht mehr so könne, wegen des Beins und der gebrochenen Schulter, dass sie sich aber nicht beklagen wolle, es gibt viele Menschen, denen es schlechter geht. Das war so typisch für sie. Sie ist Diakonissin mit Leib und Seele, deren Leben immer im Zeichen der Hilfe für andere stand. Ja, so erinnerte ich, du warst immer da, wenn es in dieser Familie brannte und sie ergänzte: Und es brannte oft. Damit hatte sie recht, auch wenn Mama das nicht so sehen wollte.

Die Frage, ob sie denn (wie sie es immer ausdrückte) die alte Heimat auch dieses Jahr besuchen wolle, verneinte sie. Es hat mich eine wenig überrascht, denn Tantchen fuhr ziemlich jedes Jahr nach Galizien, der Erinnerung wegen, der Heimat wegen. Sie sagte, auch heute wieder, dass hier nicht ihre Heimat ist. Als ich wissen wollte, warum sie dann nicht fährt, erklärte sie etwas ausschweifig, gerade so, als wolle sie sich entschuldigen, dass es zu viel Geld kostet. Was soll sich sagen. Ich habe sie lieb und nicht vergessen, was sie bereit war für mich, für uns zu tun und ich habe das Geld übrig. Also flüsterte ich, du organisierst es selbst, und ich schenke dir diese Reise. Es konnte niemand außer Mademoiselle und mir hören und es sollte auch niemand anders hören.

Sie hatte Tränen in den Augen, als sie mir antwortet: So machen wir es.

Glauben Sie mir einfach mal, dass es mich mehr als rührte, zu sehen, dass ich meine Tante mit diesem kleinen Ding glücklich machte. Und vielleicht fahr ich sogar mit. Denn Tantchen wollte mir immer schon, die Wurzeln unserer Familie zeigen. Da sie mit ihren 80 Jahren die einzig verbliebene Verwandte ist, die dies tun könnte, sollte ich vielleicht nicht lange fackeln, oder? Sehen se.


Auf dem Heimweg rief der Dicke an und meinte, er lädt uns zum Grillen ein. Wir müssten auch gar nichts mitbringen, außer Bier, wenn wir Lust hätten, sollen wir einfach vorbeikommen.

Na sicher hatten wir Lust und später dann auch Bier. So saßen wir vorhin, viermal Strandgut des Lebens, durch vertrackte Begebenheiten einander bekannt, geliebt und geschätzt vor dem Grill.

Nichts Gestelztes, keine Scharade. Diese Menschen sind auch meine Familie. Manchmal sogar mehr, sind dichter, teilen intimste Gedanken und Ängste. Unserer Tränen schämen wir uns ebenso wenig, wie ein offenes Wort. Es gibt Tage, da sind wir ganz dick und dann gibt es Wochen, in denen hören wir kein Mucks voneinander. Aber ich kann mir sicher sein, wenn es eng wird, dann sind und waren diese Menschen da.

Das ist es, was eine Beziehung ausmacht, das ist der Grund, warum man überhaupt eine Beziehung zu anderen aufbaut. Geben und nehmen.

Insofern schätze ich mich sehr glücklich, dass ich meine zwei Familien habe. Sie sind nicht sehr groß, aber von hoher Qualität. Mag für Sie nichts Besonderes sein, für mich ist es das, denn es war nicht immer so.



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Ich würde dir ja gerne eine E-Mail schicken, aber ich bekomme eine Fehlermeldung:
" Benutzer hat das Speichervolumen ueberschritten"

Lösch doch mal bitte ein paar unbrauchbare E-Mail´s!!! ;-)
DANKE

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Done. Welche traurige Aktivität. Da waren Mails aus 2006, ein Jahr, in dem ich das hier begann und anderes sein Ende nahm. Timy flies when you´re having fun.

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Wer zwei Familien hat,
der kann sich wirklich glücklich schätzen. Zu Zeiten war es mir so vorgekommen, als habe ich keine oder nur meine eigene kleine Kernfamilie mit Frau, Kind und Hund (der nicht mehr unter uns weilt), aber das war eigentlich eine Fehlwahrnehmung.

Sie sollten mitfahren nach Galizien und berichten. Ein aufmerksamer Leser wäre Ihnen sicher. Denn wie der Zufall so spielt, habe ich auch familiäre Wurzeln in der Ecke...

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Ich denke, es ist immer eine Frage der Wahrnehmung und der Kompromissbereitschaft. Bedauerlich ist, dass es erst ein Extrem wie einen Todesfall braucht, um die eigene Sicht wiedermal geradezurücken. Man verrennt sich zu schnell, zu leicht. Aber -und das ist der Trost- wir haben immer die Chance, die Dinge zu revidieren.

Und wenn Sie es lesen würden, ist es ja fast schon ein kaum abzuschlagender Befehl;-))

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Befehle zu erteilen
maße ich mir nicht an (ich kriege beispielsweise auch Krätze, wenn ich in Blogs über den Begriff "Lesebefehl" stolpere). Sehen Sie's einfach als Anregung. Bisschen was über meinen familiären Background in der Ecke findet sich übrigens in diesem Thread. (Daraus geht auch hervor, dass mir kriegswirrenbedingt zu wenig Infos vorliegen, um in der Gegend um Lemberg selber auf Spurensuche zu gehen.)

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Sein Sie nicht immer so streng!
Ui, das liest sich auch so, als hätten Sie reichlich Scherben aufzugklauben, daraus eine Vase der Erinnerung zusammen zu kleben. Sie können ja mitkommen, denn Lemberg ist genau die richtige Richtung und ich hätte jemanden zum Biertrinken, denn Tantchen geht pünktlich 21.00Uhr ins Bett. Wie wär´s?

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Ich fürchte,
so einfach komme ich nicht aus meinen familiären Verpflichtungen raus. Aber Ihr Angebot rührt mich sehr.

Und "reichlich Scherben" sind nicht mal übriggeblieben, denn mein Vater hat vieles so gründlich pulverisiert, dass eine Spurensuche schier aussichtslos scheint. Ich kann ihm deswegen nicht mal böse sein, sich von dem allem zu lösen, war sicher das beste, was er tun konnte.

Was genau meinten Sie mit "streng"?

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Den Ernst, denn Sie manchmal walten lassen, wenn unsereins rumkaspert. z.B.:ich schrieb:
fast schon ein kaum abzuschlagender Befehl;-))

Und Sie reagieren dann so furztrocken:

Befehle zu erteilen
maße ich mir nicht an


Das weiß ich doch, man, deswegen mag ich Sie doch, man, alles muß man Mann erklären. Man. ;-)

Und schade, wegen der Verpflichtungen. Echt.

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Schöne Idee, ihr die Reise zu schenken. Ich bin dafür, dass Sie mitfahren.

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Sehen Sie, ich fand das auch eine gute Idee, nur laut sagen darf man es nicht. Es gibt Neid und daraus resultierend Unverständnis. Es wäre mir eigentlich egal, aber ich habe keine Lust zu diskutieren. Und ich sollte wirklich mitfahren, schon allein wegen der zu erwartenden Kinder. Wäre doch gut, wenn man ein paar Bilder zur Familiengeschichte hätte, oder ;-)

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Also ist das jetzt beschlossene Sache. Sie hauen heimlich mit Ihrer Tante nach Galizien ab - und zeigen uns dann hinterher die Fotos. Denn mit den Kindern wird das ja noch ein bisschen dauern, mindestens ein paar Monate.

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Großartige Idee mit der Reise.
Vergessen Sie Ihren Fotoapparat nicht mitzunehmen.

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Wie könnte ich. Ich entwickle doch so etwas wie Sucht zum Lichtbilden.

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Ja, fahr auf jeden Fall mit! Lass diese Chance auf keinen Fall verstreichen! Ich habe leider 2 solche verpasste Chancen auf meinem Konto zu verbuchen und werde sie nie wieder gut machen können. Ich bedaure das sehr.

Edit: Ich werde sofort meiner Mutter anrufen. Mal wieder hören, wie es ihr geht.

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Genau das ist auch ein Teil der Überlegung. Das kommt nicht wieder, ist unwiederbringlich weg. Das wäre wohl traurig.

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Ja, und man weiß vorher gar nicht, wie traurig einen das machen kann. Vor allem, wenn das Verhältnis zur betreffenden Person so gut gut ist, wie Deines zu Deiner Tante zu sein scheint.

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Oh, es ist ein ausgesprochen gutes Verhältnis, so gut, dass Mama und Schwesterchen wieder mit diesem: Ihr schon wieder-Sprüchen kamen. Ja, wir schon wieder, auch wenn es eine Weile gedauert hat.

Woran hat es denn bei dir gelegen, wenn es nicht zu indiskret ist?

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Wir hatten eigentlich letztes Jahr mal die Idee gehabt mit Gs und meinen Eltern entweder nach London oder in den Norden Teneriffas zu fliegen. Gs Eltern sind kaum aus dem deutschsprachigen Raum raus gekommen, weil sie sich wegen sprachlicher Barrieren nie trauten. Bei meinen Eltern ist das zwar ganz anders gelagert, aber meine Mutter traute sich in den letzten Jahren nicht mehr mit meinem schon damals (leicht) dementen Vater zu reisen, weil es alles andere als entspannend war. Dabei lieben die beiden es, die Welt zu sehen. Bei mehreren Personen hätte sich jeder mal kümmern können. Doch ich hatte damals nicht das Geld, Js und meine Reise zu zahlen.
Mit meinem Vater ist das Reisen heute unmöglich und Gs Eltern wollen nicht mehr. Sie sind enttäuscht, dass wir es letztes Jahr nicht gemacht haben.

Jetzt will ich wenigstens mal mit meiner Mutter für ein längeres Wochenende weg... sobald mein Konto das mal wieder kann (es muss ich gerade noch ein bisschen von Amerika erholen).

Die zweite Gelegenheit ist kleiner und eigentlich unbedeutender aber ähnlich gelagert. Jetzt im Nachhinein hätte ich den Cousin meines Vaters gerne besser gekannt. Er liegt eine Etwage tiefer als mein Vater im Pflegeheim und murmelt oder schreit nur noch. Aber ich glaube, er war ein toller Mensch.

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manche Gelegenheiten sollte man einfach "mitnehmen" ohne sich groß Gedanken darüber zu machen ... falls Sie sich zu der Reise mit Ihrem Tantchen entscheiden ... viel Spaß und vergessen Sie ja nicht ihren Fotoknipser!

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@Diagonale:

Yes. Machen Sie das, fahren Sie mit Mama mal weg. Vielleicht ist dies sogar ein kleiner Trost für die Dinge, deren Möglichkeit vergangen ist.

@Inez:
Manche Gelegenheiten muss man erst schaffen, um sie mitzunehmen.;-)
Ich bin immer verdammt gut darin, Entschuldigungen zu haben, warum ich Manches nicht kann. Es ist nicht gelogen, ich arbeite in der Regel dann wirklich, fraglich nur: Warum?
Aber in dieser Sache schwanke ich tatsächlich und dann, dann geht sie natürlich mit, die Knippse, ich bin doch schon fast süchtig.

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