Donnerstag, 4. Januar 2007
Jumping James?

Als ich ein kleiner Junge war, so 10 oder 11 Jahre alt, stand ich auf dem Zehner-Sprungturm im Waldbad. Es ging um nichts weniger, als Mut, Respekt und Anerkennung, ziemlich viel für einen Jungen in dem Alter. Ich fußte allein da oben, wegen der Sicherheit, sagte der besorgte Bademeister. Unten wartete gespannt die Klasse, Chris und natürlich die schöne Freundin unserer Lehrerin. Auf diese Freundin waren wir alle scharf, frühreif eben. Ich stand da so, der See wirkte riesig und der Wind ließ die Badehose flattern, alles schien zu schwanken, alles bewegte sich, und ich, der ich da ganz still stand, bewegte mich mit. Ich hatte keine Angst, eher ein unwohles Gefühl. Die Gedanken surrten wie brennende Pfeile durch den Kopf, ohne ein Ziel zu finden, ohne ein Ziel zu haben. Gedankenbrei. Es gab nur zwei Möglichkeiten, springen oder runterklettern. Ich tastete mich an den Rand und blickte hinab. „Das wirkt noch viel höher, weil deine Körpergröße hinzukommt.“ sagte die Lehrerin. „Und wenn schon“, hatte ich die große Fresse und dann fand ich mich allein da oben wieder. Da war niemand, der mir hätte die Entscheidung abnehmen können, keiner, der mich gegen meinen Willen hätte schubsen können. Und ganz plötzlich war es klar, ich kann nicht runter, es wäre zu peinlich, es wäre eine Niederlage vor mir selbst und schlimmer noch, vor der ganzen Klasse. Ich machte meinen Frieden, was konnte mir passieren? Selbst wenn ich stürbe, es geschieht in Achtung. Ich schaute noch mal hinunter, Chris rief etwas Aufmunterndes, ich sagte innerlich farewell zu allem und jeden, schloss die Augen und sprang. Es passierte nichts. Gar nichts, außer schmerzhafte Eier und das glückliche Gefühl etwas getan zu haben, was sich kein anderer traute. In fact, nur Chris sprang noch, natürlich, denn wir waren wilde Jungkater, keiner stand dem anderen in etwas nach. Die desaströsen Zwei nannte sie uns. Nicht ganz unberechtigt. Das waren der erste Sprung und eine Erfahrung: Entscheidungen trifft man für sich meistens allein.
Als ich vor fast vier Jahren nach Schweden zog war es ähnlich. Ich wusste nicht wirklich, worauf ich mich da einließ. Ich wusste aber, dass ich ins Ausland wollte. Auch da schwankte alles, es gab ein bisschen mehr zu verlieren, ich hatte Verantwortung für die Antike, den Hund, ein Haus in HH, ein Leben eben; kein schlechtes, eigentlich ein ausgesprochen gutes sogar. Verschenkt, denn der innere Wille war stärker, der Wunsch größer und die Gewissheit, Träume nur leben zu müssen, siegte ob des Sicherheitsdenkens. Dann waren der Audi weg, der Laptop, das Handy, alles. Back to Zero, Start from scratch. Wir hatten eine handvoll Euro, einen alten Volvo und einen Traum. Gelebt eben.
Das waren der zweite Sprung und jede Menge mehr Erfahrungen. Sie kosteten Schweiß, Tränen, Geld, ja sogar Blut, eine Familie, eine Beziehung, ein Haus und drei Hunde. Unterm Strich war es das aber wert, denn es bleiben Erinnerungen, das einzige, was du immer mitnimmst, überall hin.
Heute, wo es im Scho Schonenland regnet, stehe ich wieder hoch oben auf meinem gefühlten Zehner. Springen oder nicht? Wieder bewegt sich alles um mich herum, nur ich steh still. Wir Shooter kennen uns, wir sind wenige, wir helfen uns. Ein Anruf, eine Lösung. Bernd, 42 Jahre alt, wohnhaft in Norderstedt, rief vor Weihnachten an. Er suche einen Job, denn er wurde gekündigt, freigestellt bis März. „Ja, ich kenne eine Menge Leute.“ sagte ich zu ihm. Es dauerte nur 1 Woche und ich hatte einen Kontakt. Aber Bernd wollte nicht. Die Frau, das Haus, du weißt James, alte Bäume verpflanzt man nicht. Gut, dann springste eben nicht. Und ich? Ich bekam meine Lösung innerhalb 24 Stunden. Ein Anruf und die Bestätigung: Wir stehen zu unserem Versprechen und sogar ein bisschen mehr. Nun sitze ich hier und die Gedanken sind wieder da, wieder ziellos. Ich bekäme was ich will, aber will ich was ich bekomme? Oder: Springen oder nicht. Ich habe keine Angst, es ist nur ein abwägen. Was gibt es zu verlieren? Nicht viel. Was gibt es zu gewinnen? Alles, denn ich kann alles schaffen. „Und warum überlegst du da noch?“ fragte die Antike, die ich anrief. „Ich weiß es nicht!“ antwortete ich ihr und habe nicht mal gelogen. Vielleicht wird der Kater älter, bequemer, vielleicht ist ihm die Rauflust abhanden gekommen, vielleicht ist es das Wetter? „Es ist aber das was du immer wolltest. Du hast eine Perspektive und ein nettes Mädchen wartet, was ist los mit Dir? Wenn du mich fragst, dann spring verdammt nochmal!“ Eigentlich…
Das Risiko ist marginal, der Gewinn kann überwältigend sein, man muss es sich nur vorstellen können, dann kommt es. Niemand wird sterben, es gäbe Nähe zu der Angeschmachteten und eine Herausforderung, alles paletti. Und dennoch schwankt der Turm und ich mit ihm. Zu viele nette Menschen um mich herum. „Quatsch! Dein ganzes soziales Netz besteht aus business people. Leute die dich brauchen, Leute die du brauchst. Es gibt nichts, aber auch gar nichts, was dich hier hält. Glaub mir. Hast du noch nicht gemerkt, dass dein Netz Löcher bekommt? Denk an Maria, sie wird euch verlassen…“ Und auch damit hat die Antike recht. Alles Job, Job ist alles und dich glaube mittlerweile, er ist es, der mich hier festtackert. Unhaltbar eigentlich, also: Springen oder nicht und warum warte ich bis es regnet, bevor ich vom Zehner springe? Es kann nichts passieren, das bisschen Schmerz einer harten Landung ist schnell verflogen und im Zweifelsfall sucht man sich einen neuen Turm, einen neuen See und wieder wird es heißen: Springen oder nicht und wieder wird man das mit sich allein ausboxen, will ich auch, deswegen bleib ich allein mit mir, kasteie mich, oder frag die Weblogin…


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Zahltag, ein Dramolett oder der lustige Sheriff
1.200 Euro Barabhebung auf der Kreditkarte in London, als ich in Schweden war, lassen mich aufhören. Karte gesperrt.

200 Euro Bussgeld wegen überhöhter Geschwindigkeit heute, finde ich auch überhöht!

Sheriff: Bisschen schnell unterwegs was?
Ich: Ich habe es eilig.
Sheriff: Komm mal mit zum Streifenwagen.
Ich (drinn sitzend): Kann ich eine Rauchen?
Sheriff: Nö, jetzt warteste mal. Also, ich bin dir ne Weile hinterher gefahren. Das waren konstante 125 über mehr als 3 Kilometer.
Ich: Klar, ich habe ja den Tempomat eingeschaltet. Eigentlich auf 130.
Sheriff: Schön. Hier sind nur 110. Du warst 15 km/h zu schnell. Hier, puste mal.
Ich (pustend): *puste*
Sheriff: Na wenigstens kein Alkohol im Blut.
Ich: Ich trinke selten aber richtig.
Sheriff: Gut. Das kostet dich heute 2.000 Kronen.
Ich: Und noch was?
Sheriff: Eintrag im Register.
Ich: Ich habe schon einen.
Sheriff: Bei Dreien biste den Lappen los.
Ich: Dann kann ich ja noch einmal...
Sheriff: Übertreibs nicht.
Ich (auf ein Auto zeigend, dass mit mindest. 160 vorbeifährt): Und was ist mit solchen Leuten?
Sheriff: Jetzt kümmer ich mich um dich.
Ich: Schön, ich fühle mich gut behandelt.
Sheriff (grinst): Unsere Kunden sind uns wichtig.
Ich: Da bezahlt man gern.
Sheriff (übergibt mir die Zahlungsanweisung): Du hast einen Monat Zeit, um zu bezahlen. Vergiss es nicht!
Ich: Richtige Verbrecher haben meinen Kartencode geklaut. Sie ist nun gesperrt, sonst hätte ich gleich bezahlt.
Sheriff: Hoffentlich kriegste das Geld wieder.
Ich: Keine Panik, dein Gehalt ist sicher.
Sheriff: Raus jetzt.
Ich: Soll ich Danke sagen?
Sheriff: Ja, denn ich habe verkehrserzieherisch auf dich gewirkt.
Ich: Glaubt ihr so etwas wirklich?
Sheriff (grinst): Raus! Und viel Erfolg beim Geldeintreiben.
Ich: Dann doch DANKE!


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