Mittwoch, 7. Februar 2007
Wurstrepublik
Früher waren wir realistisch und haben Probleme an- und besprochen, sie dadurch benannt und vielleicht auch gelöst, heute haben wir political correctness und dadurch überhaupt keine Probleme mehr und die, die wir haben, verstehen wir nicht.
Heute Morgen im Hotel in Berlin, hoch oben im Siebten Stock, mit Blick auf die Stadt, da, wo Sonnenstrahlen meine kleines Näschen umschmeichelten, und leise Klänge mich umspülten, während ich mein Spiegelei-auf-Graubrot-Salamibrötchen-Fruchtjoghurt-Obstsalat-Müsli-Birnenjoghurtdrink-Frühstück zu mir nahm, las ich: Friedrich Merz wirft hin! Gut so, will ich ihm da wohlgesonnen zu rufen, ein Land, welches seine größten Talente nicht erkennt, sie im Parteienklüngel und Positionsgeschacher zerreibt, hat solche auch nicht verdient. Wir anderen freuen uns weiter über die Kapriolen von Ulla Schmidt, die, gelinde gesagt, gefeuert werden sollte. Parteinforscher, Soziologen und andere Randgruppen, die eine Daseinsberechtigung brauchen, sind auch schnell zur Hand mit Erklärungen, warum dieses Scheitern und in dieser Form. Ich sage: Alles Schnicki Schnacki, denn der Grund ist offensichtlich, sozusagen ins Gesicht geschrieben, oder eben nicht, denn Merz fehlt der Bart! Männer, die in Geschichtsbücher wollen, müssen Bart tragen. Den Beweis liefert die Geschichte: Dschingis Khan, Ghandi, Bismarck, Einstein, Stalin, Saddam Hussein, Osama bin Laden, Hitler und eben nicht Helmut Kohl, um nur einige Beispiele zu nennen. Auch sehr schön und nahezu idealtypisch der Fall Scharping: Einst abgelichtet mit Schröder und Fischer, genannt die Troika für Deutschland! Erst fiel der Bart und dann der Rest von ihm, nie haben wir wieder was von ihm gehört. Auch nicht schade, eigentlich.
Mir als ambitionierten und engagierten jungen Mann zeigen diese Zusammenhänge allerdings, dass ich, wenn ich dereinst meine Partei gründe, die auf den klangvollen Namen NZD hören wird, unbedingt darauf achten muss, mir einen Bart wachsen zu lassen. Vorher sollte ich aber heiraten, danach wird das dann wohl nix mehr, also mit der Hochzeit.
So. In Magdeburg war ich heute auch, nur um mal zu schauen, was so geschäftlich möglich wäre. Wenn man die Bundeslandgrenze passiert, kündet ein buntes Bild vom Eintreffen in Sachsen Anhalt, dem Land der Frühaufsteher! Jut, ich wunderte mich zuerst auch in Schleswig Holstein, dort kündet ein ähnliches vom Land der Horizonte, was nicht wirklich Sinn macht, denn jeder von uns hat ja nur einen, aber die Möglichkeit, diesen mit zwei Augen zu sehen, erlaubt wohl die Bildung der Mehrzahl. Glauben Sie nicht? Machen Sie mal ein Auge zu, es bleibt nur einer, wenn auch eingeschränkter, Horizont. Warum nun aber die Sachschen Anhaltiner, knapp 2,5 Millionen Einwohner, knappe 18% Arbeitslosigkeit und Strukturprobleme so früh aufstehen wollen sollten, wo sie doch eh keine Jobs haben und auch keine nennenswerten Ausflugsgebiete, das ging mir nicht in den Kopf. Ein Blick ins örtliche Einkaufscenter verrät es: Pommes und Wurst essen. Das ist gesellschaftspolitisch wichtig, da integrierend, frei nach dem Motto, wir haben zwar keine Perspektive, dafür aber berlintaugliche Wurst, schon ab 8.00 Uhr morgens! Ich habe dann auch eine bestellt; ich bin irgendwie immer hungrig. Was soll ich sagen, ich habe keine Ahnung, ob die Wurst so gut ist wie in Berlin, da müsste man wohl jemanden fragen, der mal in Berlin eine gegessen hat, vielleicht den Friedrich, aber auf jeden Fall darf man keine Späße machen mit der Wurstverkäuferin. So sagen, man nehme die Currywurst mit Senf, kommt gar nicht gut, denn hier wird mehr geleistet als nur Wurst verkauft, hier wird Sozialpolitik gemacht, oder die Tante hatte nur nen schlechten Tag. Egal, als ich mir die dicken und schlaffen Körper der perspektivlosen, frühaufstehenden Wurstesser ansah, da wusste ich, warum ich gestern im Restaurant für die Kindertafel Berlin gespendet habe: Wir wollen doch nicht wirklich, dass diese unsere Republik zu einer bartlosen Wurstrepublik ohne, wenn vielleicht auch eingeschränkten, Horizont verkommt, oder?


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