Dienstag, 20. Februar 2007
Alles Schnee, alles nee


Und dann kommt er halt doch noch mal. Schnee. Was für ein Niederschlag, auch emotional, war ich doch gedanklich schon im Frühling. Stockholm ist immer vom Schnee überrascht, was überrascht, doch nie ist man auf ihn vorbereitet, immer kollabiert der Nahverkehr, immer wird das Räumen der Gehwege vergessen, immer bekomme ich kaltnasse Füße. Aber so ist es wohl mit liebgewonnen Gewohnheiten, selten ist man bereit sie aufzugeben, schon gar nicht, wenn das Budget für die Kommunalreinigung gekürzt wird.
Man kommt dann nach hause und auch da: Schnee. Entgegen dem einen oder anderen Mitglied einer völkischen Berggemeinschaft, kann ich dem Ganzen nichts abgewinnen, außer vielleicht das befriedigende Gefühl, wenn ich mit meinem Besen, der auf den schönen Namen „Peggy Perfect“ hört, jeglichen Schnee vor meiner Tür vertrieben habe. Dieses Gefühl: Jawoll, ich James, Bezwinger der Elemente, Herrscher in meinem Vorgarten, mag er noch so klein sein, so bleibt er mein Reich, habe wieder bewiesen, nichts kann einen Mann mit eisernem Willen und einen Besen aufhalten. Lasset uns kehren, ein und aus, denn das macht doch das Leben aus, oder so. Auf jeden Fall wurde der Beweis erbracht, nicht jedes Schwingen eines Schneebesens lässt süßes Kleingebäck in gierigen Schlund münden oder gar munden, was auch mit der meinigen Abneigung der Speiszubereitung einhergehen kann. Diese ist politisch völlig korrekt und ökologisch rundherum akzeptabel, denn die Nahrungszubereitung frisst Energie und das ein oder andere Nutztier auch.
Anderenorts mögen Käsebrotliebhabern scheppernd die Ringel aus den Socken fallen und sich gar hinderlich dem Entfliehen des Wohnungsschwundes erweisen, doch ich, Trotzer des Elemente, Verzichter auf Feuer, stärke mich für täglich Kampf mit Müsli. Die Verpackung dieses hier hat einen schreienden Aufdruck, der mir recht deutlich von der Neuheit des Produktes kündet. Ich gestehe, nur seinetwegen erwarb ich es, doch fragte ich mich sogleich: Ein Witz? trägt doch es doch den Namen: Klassische Mischung. Wenn etwas klassisch ist, ist es meist bekannt, wenn nicht sogar alt. So gesehen können wir alle Klassiker werden, ich arbeite dran, wenn dies auch völlig klassisch, da nicht neu ist, genau wie mein Müsli.
So stehe ich zu später Stunde in dem Raum, den sie Küche nennen, und denke mir nichts Böses. Wie könnte ich, ich trage Cordhosen und Wollpulli und gar blaue Puschen zieren mein nacktes, fast ebenso blaues Fußfleisch. Dergestalt gehöre ich immer auf die gute Seite, dorthin, wo sie nie zweifeln noch fragen, wo gute Menschen immer alles wissen, alles können und das meist auch noch viel, viel besser. Dennoch erschrak ich, als ein lautes Schaben und Knarzen mich aus der Tiefe der Müsliinhaltsangabe riss. Ein Wildschwein vielleicht? So fragte ich mich hoffnungsschwanger und mit zittrigen Fingern das Handy aus der Jacke klaubend: Heisa, etwas für die Weblogin! jubellierte ich des Weiteren still in mich und pantoffelte zum Fenster hin. Ein freundlicher Besuch durch Nutztierverwandte ist so abwegig nicht, besonders nicht hier. Gern erinnere ich der zwei Rehe, die einst an einem Herbstabend vor meinem Küchenfenster standen. Vielleicht 50 cm verglaster Abstand, mehr war es nicht, doch unerreichbar blieb es, sie zu berühren. So etwas soll es geben, auch in Ehen.
Egal. Jedoch wie enttäuscht war ich, als mit Waidmannsblick ich meinen Vorgarten beäugte in Erwartung eines recht so prächtigen Schwarzrockes, es abzulichten und zu präsentieren doch gewahr wurde ich bloß meines Nachbarn Lennart im Kampf mit neuem, fallfrischen Schnee? Sicher, auch er war schwarz verhüllt, der Lennart, doch er ist nicht widerborstig. So winkte ich ihm in Anerkennung seiner schneeräumenden Verrichtung und beschloss, nun, wo die Nacht auf samtenen Pfoten leise und andächtig über die Stadt geschlichen kam, sich auf den Dächern der Häuser niederließ, sie umschloss, dass ich dem Schnee die Freude gönne, mag er da liegen beleiben bis er sich eines Besseren besinnt, oder besonnen wird. Mir egal, dunkel wurde es und somit Zeit für meine verordnete Maltherapie:




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