Montag, 12. Februar 2007
Kiss me goodby
Die letzten Tage, ja Wochen, fühlte ich mich schlapp, orientierungslos und daraus resultierend regungslos. Mechanisch-automatisch spulte sich das gleiche Schema ab. Kreativität, Lebenswitz und alles andere hatten sich versteckt und ich hatte keine Kraft danach zu suchen. Wir kennen es wohl alle, das Gefühl, wenn so Unebenheiten einen aus der Kurve tragen, wenn gerade keine geistige Leitplanke da ist, dich auf der Bahn zu halten. Der Bueffel schrieb mir in einer mail: „Höre auf dein Bauchgefühl.“ Doch auch das war weg. Gedanken trieben überall hin, ziellos. Springen oder nicht war die große Frage und nachdem ich es mir wirklich nicht einfach gemacht habe, steht mein Entschluss fest. Ein business case, etwas das rechenbar ist, etwas, dessen Risiken sich minimieren lassen, so etwas kann ich relativ schnell entscheiden. Aber das hier ist kein business, das hier berührt mein Leben und genau da musste ich auch ansetzen: Mein Leben. Ich würde es mit niemand tauschen wollen, es ist meins, selbst erarbeitet und eigentlich ist es genau das, was ich immer wollte, es ist das, was ich kann. Dennoch, oder gerade deshalb, stellt sich aber die Frage, nach dem Mehr, nach etwas Anderem. Diese Frage gab es schon immer, ich kann sogar sagen, sie ist schon immer Antrieb gewesen: Meine erste Freundin hieß Maria. Ein bildhübsches Mädchen, klug, witzig und wohnte leider für einen 15jährigen viel zu weit weg. Halle an der Saale war damals so weit, dass uns niemand eine Chance gab. Aber was man will, muss man sich holen, so war es und so wird es immer sein. Niemand kommt und schenkt dir was und wenn doch, dann freu dich über dieses Geschenk, aber erwarte es nicht. Auf diesem Wege wird man nicht enttäuscht.
Maria und ich schrieben Briefe. Damals ging das noch mit der Post und jedes Mal, wenn so ein zerknittertes Ding ankam, freute ich mich diebisch, war aufgeregt und schloss mich auf dem Klo ein. Irgendwann fuhr ich sie besuchen. Gemeinsam gingen wir in einen Jugendclub, in dem ich mich nicht sehr wohlfühlte, denn meine Tasche war über und über mit Cure-Buttons gespickt, eine Band, die die dort verkehrenden Glatzen nicht mochten. Die Stimmung wurde dann auch etwas aggressiv, so dass Maria mich wegzog und wir gemeinsam zum Hufeisensee gingen. Dort lagen wir am Ufer im Gras, schauten in den sternenklaren Himmel und ich fragte sie, ob sie auch gern wissen wolle, was dahinter liegt, ob sie sich vorstellen könnte, das es ein Paralleluniversum gibt, ob sie mit mir dahin reisen würde. Sie sagte zu allem nein. Sie sagte, diese Vorstellung mache ihr Angst und weil es keine Antwort gibt, macht es sie auch verrückt. Sie wollte nicht darüber nachdenken, lieber knutschen und das haben wir dann auch gemacht. Mich beschäftigen diese Fragen aber noch bis heute. Es muss doch noch was Anderes geben und bist du bereit, danach zu forschen? Ja und immer wieder ja lautet meine Antwort, denn nur wer losgeht, kommt irgendwo an.
Im Augenblick sitze ich hier warm und trocken. Seid letzter Woche ist es hochoffiziell, die Gesamtverantwortung Europa liegt bei mir und außer mehr Arbeit und weniger Zeit, hat sich eigentlich nichts geändert. Ich bin stolz auf mich, ich habe erreicht worauf ich hingearbeitet habe und es stellt sich wie immer die Frage: Und nun? Und nun? Gab es schon, als ich in Schweden ankam, Und nun? Gab es, als die Antike und ich das Haus fertig renoviert hatten, Und nun? Gab es, als das Haus in Stockholm einigermaßen fertig war. Und nun? Wird es wohl immer geben. Und nun? Ich könnte diese Position ausfüllen, sie mit meiner Handschrift versehen und darauf hinarbeiten, dass alles alles gut wird. Was anderes bleibt auch nicht, denn viel höher geht es in dieser Firma nicht. Und nun? Und nun schaue ich auf mein kleines, persönliches Universum und versuche mir vorzustellen, was dahinter liegt. Es muss doch noch was anderes geben?
Letzte Woche wartete ich in München auf den ICE. Es war dieser Tag, der sich so richtig anfühlte. Ich fuhr zum Termin und hatte die Gewissheit, sie abends wieder zu sehen. Ein tolles Gefühl! Wie immer, wenn Zeit übrig ist, ging ich in den Zeitschrifthandel, um mir den neuesten Auswurf journalistischer Einbildung anzusehen und entdeckte dabei ein Magazin, nein, es war nicht nur ein Magazin, es war sogar Magazin des Monats. „Player“ heisst es und es fand sich darin eine Reportage über junge Männer, alle so in meinem Alter, die ihre Jobs weggeworfen hatten, um etwas ganz anderes zu tun. Da ist dieser 33jährige Bahnmanager, der auf die Schauspielschule wechselte, der Tchibo-Produktmanager, der Bankangestellte, alle mitten im Leben, alle erfolgreich und alle unzufrieden.
Ja, ich bin es auch. Nicht grundsätzlich, nicht so rigoros, aber doch ein bisschen. „Midelife crises mit 33?“ fragte ich Morphinchen und sie hatte wieder eine schlaue Antwort parat. Alles richtig, doch mir stellt sich die Frage, wo bleib ich? Mit erschrecken habe ich festgestellt, ich war vor 4 Jahren das letzte Mal im Kino. Das letzte Mal Schwimmen war ich mit Zig, auch so 5 Jahre her. „Du liest erstaunlich viele Bücher.“ sagte Frau Morphine. Stimmt, aber es ist mehr ein durchpflügen der Seiten. Früher war dies anders, heute kann ich mich nicht an Einzelheiten erinnern, so werde ich nie intellektuell.
Und dann düsten wir durch den Schnee. Gott liebt mich nicht, macht nichts, ich kann ihn auch nicht leiden. Termine bestimmen, Termine drücken und ich gebe Gas. Schnee hin, Schnee her, wir haben keine Zeit. Nie haben wir Zeit und das, wo ich so gern welche hätte. Zig hat mir vorletztes Jahr einen Schachcomputer geschenkt. Der hat 72 Level. Bis Ostern hatte ich ihn auf 53, im September auf 63 und seit dem steht er da. Keine Zeit etwas zu tun das mir gefällt. Keine Zeit, sie zu verbringen mit der Person, die mir gefällt. Das alles gefällt mir nicht, ich fühle mich unzulänglich, nicht teilhabend, ich kann nicht mal was Vernünftiges bloggen, selbst wenn du Zeit hättest, bekämst du das nicht hin, mögen spitzfindige Gesellen sagen und ich erinnere meine Maxime: Die Dinge die du willst, musst du dir holen. Wir holt man sich Zeit?

Heut habe ich gekündigt. Ich springe. Ich verlasse mein kleines Universum, um mal zu schauen, was dahinter liegt. Der eine sagt, du bist mutig, der andere sagt, du bist dumm. Ich sage: Ich bin ich, ich werde es immer sein und das alles ist auch nur der Anfang einer Reise. Wo sie hingeht? Das weiß man nie, aber man kann versuchen sich treu zu bleiben und dann bekommt man schon eine Ahnung. Am 28.02.2003 bin ich mit meinen Träumen, Wünschen und Hoffnungen in Schweden angekommen. Nun, knappe 4 Jahre später, kehre ich zurück. Nicht geschlagen, nur erfahrener, mit anderen Wünschen und Hoffnungen und es wird sowieso alles anders kommen, tut es immer.
Der letzte ausschlaggebende Grund für diese Entscheidung war natürlich sie. Sie ist die Schönste, sie hat viel zu geben und sie fordert auch, mit ihr lässt sich gut feiern und von ihr will ich so schnell nicht mehr weichen: Hamburg, die einzige Stadt.
Und nie wieder will ich in Morphines Augen schauen und die Frage, „Wann sehen wir uns wieder?“ mit einem: „Ich weiß es nicht.“ beantworten. Nie wieder! Nie wieder 2. Beziehungsliga!
Dreieinhalb Wochen to go; ich habe meine Kündigungsfrist runtergehandelt, nächste Woche noch kurz nach Irland, Sachen eintüten, dann ist es noch eine Woche bis es heißt:



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let me kiss you "hello".
und dir sagen: ich bin stolz auf dich. und auf uns.
das bahnhofsbild... der letzte lange abschied. no words left to say.
wie gern würde ich dich schon heute in die arme nehmen können. und ein wenig klugscheißen: ich dachte immer, es heißt "good-bye"? ;)

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Nix, ditte is amerikanisch, ne?

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amerikanisch gibt´s nicht. das wär ja dann sowas wie kultur ohne kultur. ;)

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Gibt es wohl!
Es gibt ja auch schwäbisch und bayrisch....und wir behandeln betreffende Personen trotzdem als Deutsche

z.B: In Amerika: Travel Cot
In England: Travel Bed

eigentlich same same


alles klar?

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ich bin dagegen! obwohl man, bezeichnete man schwaben als kultur, die amis ja auch als kultur bezeichnen müsste. *gg*

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....solche Töne aus Bayrisch-Kurdistan...

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äy, aldäa! willzu frässä odda waas? ;)

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Oh wow! Ich wünsch Euch alles Gute! Und - mehr Schlaues fällt mir im Moment nicht ein, writer's blogger's block liegt wohl etwas in der Luft.

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Häh? Wer oder was ist bloggers block?

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Schrei nicht so!
Du als Internationaler kennst nicht writer's block? Schreibblockade auf gut Deutsch. Wenn Dir nix Gescheites einfällt. Oder noch schlimmer: gar nichts.

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Ja, doch kenn ich, nur nicht den Namen dafür. Aber was soll ich dir sagen, ist gerade abgefallen. Und nun, wo uns bald nur 2 Stunden trennen, sollten wie mal Essen gehen, oder? Der Büffel natürlich auch....

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Ist Deinen Leute da oben eigentlich nicht der Unterkiefer runtergeklappt? Letzte Woche Beförderung, diese Woche kündigen?

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Unbedingt. Schade ist nur, dass es dann wohl mit dem Stockholm-Besuch nichts mehr wird. *schnüff* Schlüsselkind, sei nicht so egoistisch.

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Yes und Tränen, wann hat schon mal jemand um mich geweint? Auch kein schönes Gefühl!

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nach langem Überlegen also auf zu neuen Ufern ... ich finde es mutig und großartig ... wer wagt wirklich etwas, um seinem Leben noch einmal eine weitere andere Richtung zu geben?
Der Cabman macht's ....
von mir nur die allerbesten Wünsche an Dich und die Liebste !!!
... Hamburg wartet .... dann mal los :-)

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Danke, Kaffee, dann?

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unbedingt ... gern ... :-)

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Da heut alles schneller geht, kommt auch die midlife dingens früher. Ich dachte auch schon öfter bei so manchem, was willst denn bittschön mit 35 machen, wennde jetzt schon...

Hut ab. Meinen vollen Respekt und einen Sack voll Glück und Zufriedenheit für die Zukunft.

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Wunderbar! Ganz ehrlich, ohne groß Hintergründe zu kennen, ich find die Entscheidung extrem lebensbejahend! Und so etwas kann eigentlich grundsätzlich nicht scheitern.
Ich freue mich für dich und würde dir für diese Tat auch mitten in der Wüste, wenn du noch mal mit einem Bus dort liegenbleibst und umgeben von lauter alten Männern bist, ein kühles Bier besorgen. ;-)

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Wow, Respekt (denn es ist doch ein kleines bisschen mutig)!

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Hehe. Fragen Sie doch nächstes Mal gleich mich ;-)

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...ich präferiere ja eigentlich bei Praktikanten das weibliche Wesen, aber für dich würd ich glatt ne Ausnahme machen. Trink ein Bier und proste mal in die Runde...

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Spannend, ist es und bleibt es wohl auch noch ein bisschen :-) Ich bewundere den Mut und die Entschlossenheit, aber hast schon Recht: man mus tun, wonach man sich fühlt und dann kann eigentlich nichts mehr schief gehen

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Mutig, mutig, Herr Cabman !
Ich ziehe den Hut!
...aber bei ihnen habe ich auch keine Angst, sie sind ein Kater und alle Kater und Katzen, fallen, wie man weiss, immer auf die Beine, egal von welcher Höhe sie auch springen...

Und dass sie nach Hamburg wollen, finde ich natürlich sehr nett, da kann man ja ab und zu mal wieder ein Käffchen trinken gehen. :-) ..ich bringe auch meine Tasche mit.

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Simply: Glückwunsch!

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Hey
solche Brüche machen die Seele groß und größer. Habe ne Menge davon hinter mir, wenn auch nicht imnmer freiwillig.

Und Hamburg ist in Weizenreichweite, cool... :o)

Viel Glück! Obwohl ich glaube, soviel davon brauchst du gar nicht, um es zu schaffen...

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Go for it!
Es bleibt spannend. So soll's im Leben sein.

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willkommen zu hause.

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Sehr spannend. Aber das laberte ich ja schon, wennste schon bemerkt hast. ;-)

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wow...
...da bin ich, die verkitschte schimmerschnecke, aber zutiefst beeindruckt. herzlichen glückwunsch.

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Gerade Sie? Nun bin ich überrascht.

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Respect!

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