Montag, 24. Juli 2006
Auch ein Wochenende
Komm ich am Freitag nachhause, denk mir nichts Böses und werde gezwungen mich zu fragen: Wohne ich in Beirut? Der Vorgarten, ein totaler Krater. In dem ganzen Kladderadatsch steht die Antike mit hochrotem Kopf und Spaten und ich frage mich erschrocken, was ich nun schon wieder falsch gemacht habe, weil es so ihre Art ist, wutentbrannt irgendwas machen. Jut, denk ich mir, bist en bisschen spät ausm Büro gekommen, 19.00 Uhr, kann ich aber nichts für, wenn der Stockholmer Nahverkehr in der wirklich stark frequentierten Sommerzeit kollabiert. Land der Mittelmäßigkeit mit Zügen, von denen meine Omma mit leuchtenden Augen berichten könnte, wie die damals als technischer Innovation aufs Gleis kamen.
Du hättest ja auch anrufen können, denk ich mir. Dann verwerfe ich den Gedanken recht schnell, denn wir sind ja nicht zusammen und deswegen gibt’s auch nichts zu melden. Ich sehe aber ihr Gesicht und weil ich sie kenne, weiß ich auch, dass dieser spontane Ausbruch nichts mit mir zu tun hat.
„Was ist denn mit Dir los?“ Frage ich.
„Scheiss Sommer. Nicht passiert. Mir ist so langweilig.“
„Ja“, sach ich „das kenn ich. Aber musstest du hier ne Grossbaustelle aufmachen?“
„Der ganz alte Mist hat mich genervt.“
„Das war vielleicht alt, aber durchaus funktional.“
„Sah aber mist aus.“
Hatte se Recht und nen Plan, wie das alles werden sollte hatte se auch schon. Und weil sie auch ne Nette ist, fragte sie rein rhetorisch nach meiner Meinung, aber so richtig hören wollte sie die eigentlich nicht, denn sie plapperte gleich aufgeregt los, das müsse so, dieses so und jenes könnten wir so machen und schiebt noch schnell hinterher: „Hilfst Du mir?“
Klar helfe ich, is ja auch mein Haus und da hat man dann wohl auch genauso viele Rechte und Pflichten und wenn se so schon alles platt gemacht hat, kann ich ja wenigsten beim Aufbauen mithelfen.
Am Samstag sind wir dann mit der Planung der Antiken im Kopf zum Baumarkt gedüst und haben im Land der Mittelmäßigkeit erstmal erstklassiges Holz suchen müssen. War nämlich total ausverkauft, das gute Druckimprägnierte und der Drive In Baumarkt auch völlig überfüllt. Ich stupse die Antike an und sach: „Kiek mal, da langweilen sich noch mehr Leute.“ Und sie grinst.
Wir haben uns dann das Auto vollgeknallt und sind zur Auslassstelle gefahren. Da versah eine junge Frau Dienst und ehrlich mal, da haben die Schnurrhaare aber geschnurrt. Blond, blaue Augen, Beine von hier bis da, Zuckerlächeln und äußerst nett.
„Wir haben 26 von den bla bla bla dabei und 2 von den Vierkanthölzern bla bla bla“ Sag ich.
„Das sehe ich.“ Und dabei tippt sie die Artikelnummer in ihren kleinen HandPC.
“Ich bin ja sehr beeindruckt, dass Du alle Nummern im Kopf hast.“
„Hab ich gar nicht. Ich denk mir immer was aus.“ Und grinst mich dabei mit sonem Herzrausreissgrinsen an. Tja, da war ich baff und sehr erschrocken, denn ich habe mir vorstellen müssen, was wohl 26 Edelstahlträger kosten und weil ich wohl so stumm war, schiebt die nette Dame hinterher: „War nur Spass.“
„Weiß ich doch. So etwas gefällt mir.“
„Du gefällst mir auch.“ Sacht se und drückt mir die Rechnung in die Hand. Da war ich doppelt baff.
Die Antike hat das alles mitbekommen, feixte sich eins und meinte: „Ich dachte du hättest die DieDu?“
„Habe ich auch. Ich habe auch nichts verkehrt gemacht. Die hat mich angebaggert.“
„Na James, dein Blick hat dich verraten.“
Siehste, kennt die Antike mich wohl auch und ich meinen Blick nicht.
Zuhause ham wir dann ein Schlag rein gehauen, ging auch sehr gut, denn das glaubt mir ja wieder keiner hier, aber der James ist ja nicht nur Schlipsträger, sondern auch begnadeter Handwerker. Keine Kunst, 6 Jahre Scho Schonenlandholzhausrenovierung sind sehr bildend.
„Vielleicht sollten wir uns den Rest für morgen sparen. Wird ja sonst och wieder langweilig.“
„Ja.“
Dann war Sonntag und da ging es genau so locker flockig weiter wie am Samstag. Lennart unser Nachbar schaute kurz vorbei. Der ist 55, Frührentner, Pfeiffenraucher und Liebhaber klassischer Musik. Er textet uns voll, das könne man so, das andere doch so machen und hält uns eigentlich nur auf. Hat er auch ganz gut gemacht, denn als er geht, um uns noch bisschen mit Wagner zu beschallen, fängt es an zu regnen. Gar kein Problem für mich, muss ich die Platten nicht selbst einwässern und habe ein bisschen Zeit, draußen im Geräteschuppen mindblogging zu betreiben. Ich denke so an all die Leute, die ich da auf der blogger.de Plattform erahne aber nicht kenne, freu mich das es die ganz Horde gibt, freu mich drüber, das ihr Zusprecht, Lobt, Kritisiert, Beratet und manchmal schlimmere Kater seid als ich es bin, denk an all die Möglichkeiten und die Risiken, die da am Horizont aufgetaucht sind und erschrecke mich, als die Antike mit ner Tasse Kaffee in der Tür steht:
„Hier, du siehst so aus, als könntest du den gebrauchen.“
„Danke, kann ich, denn ich bin grüblerisch.“
„So kenn ich Dich gar nicht.“
„Ich mich och nicht.“
Der Rest war dann Pippifax, weil ich ja auch fast ne komplette Tischlereiwerkstatt besitze und die Qualität der Arbeit stark von der Qualität des Werkzeugs abhängt und dann hat natürlich eine Planke gefehlt. Ditt is nun aber och kein Beinbruch, weil in Schweden kann man auch sonntags in den Baumarkt, also bin ich hin.
Komme ich da an, grinst die blonde Versuchung von gestern mich an. Ich geh mit meinem Brettchen unterm Arm zu ihr und nur zu ihr, denn bei de Kerle wollte ich nicht bezahlen, die sind nämlich nicht so charmant:
„Na, was vergessen?“
„Nee, ich brauch das Brett auch gar nicht. Ich bin nur deinetwegen hier.“ Das konnte ich mir nicht verkneifen.
„Wir haben hier soviel Holz, dass du jeden Tag kommen könntest.“
„Is ja aber ein günstiges Vergnügen.“
„Das Vergnügen ist ganz meinerseits. Heute kostet es dich 69,-SEK.“
Und dann grinste ich grenzdebil, bezahlte und fuhr nachhause.
Der Rest war dann keine große Sache mehr und als alles fertig war, fängt die Antike an rumzunölen, diese oder jenes hätten wir doch besser so gemacht und bla bla bla.
„Nun lass mal gut sein", sach ich "jetzt liegt die Kohle da im Dreck und bleibt auch da. Wir können es eh nicht ändern.“
„Ja aber findest du nicht auch, dass wir…“
„Nee finde ich nicht und nu ist Schluss. Ich krieg hier gleich nen Fön.“
„Was haste denn eigentlich bezahlt?“
„Geld.“
Und dann hat se noch rumgemosert, weil ich es ihr nicht sagte, weil se dann nämlich bloß wieder die Hälfte bezahlen wollen würde und sagt aber doch:
„Danke James, ich habe mich gefreut, dass du mitgemacht hast.“
„Kein Problem. Wir können schon tolle Sachen machen, oder?“
„Ja, nur leider keine Beziehung führen.“
„Stimmt.“

Weil ich ja nun och schon ein alter Knacker bin und vor allem ein Drehstuhlcowboy, habe ich och von der janzen Plackerei Rückenschmerzen bekommen und bin deswegen mit Harry Rowohlt in die Badewanne. Harry und ich haben da nämlich immer reichlich Spaß und mit niemand anderen würde ich lieber in die Wanne gehen, ähm na ja , da fiel mir schon noch jemand ein, aber die hat kein Buch geschrieben….


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