Dienstag, 8. August 2006
Cabman und die grossen Tiere
Ich bin ja all-terrain-fähig. Ob nun die frisch gebohnerten Hallen der Botschaften, die marmorverkleideten Säle der Handelskammer, Konzernzentralen, Konzerthallen, die hinterletzte Spelunke, der Bolzplatz, ne richtige Gammeldisco, ne richtige Edeldisco, ein Club der out ist, ein Club der in ist, HG`s Auto, bei Mutti, oder nur daheim. Alles kein Problem für mich, denn es geht ja nur darum sich anzupassen. Das kann ich gut, da bin ich sehr beweglich und das sollte man auch sein.
Letztes Jahr im November oder Dezember, was weiß denn ich, es war jedenfalls arschkalt, waren Maria und ich zur Verabschiedung des scheidenden Präsidenten der schwedischen Nationalbank eingeladen. Und weil es gerade so passend war und die Banker ja immer die Rentabilität im Auge haben, haben se daraus ein richtiges happening gemacht und auch gleich mal den Nachfolger vorgestellt. So.
Das ganze fand in so einem altehrwürdigen Gebäude statt und weil es so alt war, denn wir haben ja nicht alles weggebombt, damals, waren die Fenster auch alt. Das hat da gezogen wie Hechtsuppe, aber die Tische waren schön eingedeckt. GentleCabman, wie ich nun mal bin, habe ich den Platz mit Maria getauscht, denn sie saß direkt an so einem historischen Fenster und sie sagte: “Das ist lieb von Dir.“, worauf ich gequält lächelte und antwortete, das mache ja nichts, bin ich halt morgen krank. Daraufhin grinste se und sacht: „Das ist so heroisch.“ Ne Miniheldentat also.
Da saßen wir nun, ich fein beschlipst, Maria im Kostümchen und lauschten dem sehr sachkundigen Mann zu Fragen der Außenhandelsbilanz, der Zinsentwicklung und dergleichen. Das war alles furchtbar interessant und dann gab es endlich Essen, denn ich hatte extra nicht gefrühstückt.
Die Suppe war zwar nicht mit Hecht, aber genauso kalt, wie eigentlich der ganze Rest des Essens, kein Wunder, die armen Mädels mussten das Essen von ganz unten in den ersten Stock schleppen und es zog ja auch. Fahrtsuhl gab es nicht, denn das Gebäude ist alt und da haben die Mädels auch meinen Respekt, weil sie unterwegs nicht genascht haben. Da es nun so gezogen hat, kam es zu phänomenaler Wellenbildung in meiner Tomatensuppe. Aus der lugten auch drei Croissants heraus, wobei ich mich immer frage, warum die eigentlich da drin sind. Ich denk mir aber nichts dabei, denn ich habe auch ein bisschen länger gebraucht, bis ich herausfand, dass Entenbrust an Reis nur bedeutet, dass sie die olle Ente daneben legen, also neben den Reis, denn auf dem Teller sollte sie schon sein. So etwas gab es bei Mutti nicht und es wäre auch ziemlich komische gewesen, hätte sie, danach gefragt, geantwortet: Heute gibt es Bratwurscht an Kartoffelbrei. Bei uns hieß das mit. Mit dem Ende des Lunchs kam dann auch der große Auftritt des Neuen und der sah nicht nur fast so aus wie der Alte, sondern hat auch das gleiche erzählt. Ich glaube die hatten denselben Script- Schreiber, oder auch nicht. Vielleicht haben Banker einfach nur nicht viel zu sagen.
Als das ganze vorbei war, hatten wir noch die Möglichkeiten Fragen zu stellen, ich hatte gar keine, außer die, was wir da eigentlich aßen, diese zu stellen schien mir aber unpassend, daher sagte ich zum Neuen halt einfach: Viel Glück im Amt, schüttelt ihm die Hand, er grinste, sagte artig Danke und das war es auch schon.
Maria und ich gingen uns noch nen Bagel und einen heißen Kaffee holen, denn satt waren wir nach dem Showessen nicht und kalt war uns auch. Das war jetzt das Vorgeplänkel.

Gestern haben die Antike und ich gar nichts gemacht. Wir haben Sommer, das Wetter ist fantastisch und so beschlossen wir, uns nur zu sonnen. Ich saß da mit Ben und Jerry und dem Spiegel auf meiner nigelnagelneuen Sonnenliege, die ich nur kaufte, weil sie mit 50% Rabatt angeboten wurde. Insofern habe ich mir also für 399SEK 50% gekauft, denn die Liege brauchte ich gar nicht. Das sind ja so Milchmädchenrechnungen, wie ich sie liebe. Ehrlich.
Ich las den wirklich betrüblichen Artikel der Generation Praktikum und darüber verfiel ich so in Traurigkeit, dass ich den ganzen Pott von I-Ah Ben&Jerry aufaß. Und davon bekam ich Bauchschmerzen. Wir sehen, die Praktikanten sind an allem Schuld!
Na wie dem auch sei, die Sonne stand schon tief, da fing die Antike an rumzumosern, dass sie ja nun im Schatten läge. „Ja“, sagte ich, „das liegt an den Bäumen.“ Da schaute sie mich an und antwortete:
“Ich glaub wenn die Urlaubszeit vorbei ist, werde ich mich mit der Kommune anlegen.“

Man muss hier dazu sagen, dass unser Nachbargrundstück parkähnlichen Charakter hat und der Kommune gehört. Auf dem stehen massig Bäume, auch irgend so ein indischer Baum, der einzige in ganz Schweden und den will die Antike jetzt weg haben. Na, ich freute mich jedenfalls, denn das zeigte mir, dass es ihr schon wieder besser geht und wünschte ihr viel Glück, als sie sagte: „Du kennst doch den Präsidenten der Nationalbank. Wir könnten doch ein paar Unterschriften einholen und wenn der da mit draufsteht, dann fällen die das olle Ding bestimmt.“ Also kennen wäre jetzt übertrieben, ich habe dem mal die Hand geschüttelt, aber er ist unser Nachbar, wohnt zwei Reihen hinter uns und hat auch das Endhaus. Deswegen geh ich aber noch lange nicht zu ihm und frage, ob er den Baum auch weg haben will, sage das auch so zur Antiken und da war sie mukschig.

So. Weil die Überschrift ja lautet: Tiere, muss ich noch ein Zweites bringen:
Betreffende Person heißt (könnte ich hier reinschreiben, mach ich aber nicht wegen Frau Guugel) und ist schwedischer Wirtschaftsminister. Der war Anfangs des Jahres bei uns zu Besuch, um sich Inspiration zu holen. Das ist so verwunderlich nicht, denn wir sind extrem exportlastig, dass freut den Minister, denn da bleiben die Arbeitsplätze im Land, die Steuern auch und wir fluten die Welt mit unseren Produkten. Wir haben dafür sogar mal den Exportpreis bekommen und zu dessen Verleihung wollte ich unbedingt mit, denn der wird vom König verliehen. Ich sah mich da schon, mit der Kronprinzessin anbandeln und hätte gesagt: „Eure Hoheit mögen Sie einem loyalen Untertanen die Ehre erweisen und ein Tänzchen wagen.“ Dann hätte sie mich angelächelt mit ihrem Königslächeln und hätte gesagt: „Aber sehr gern. Sie sind so eloquent und sehr charmant. Können Sie Walzer?“
„Aber sicher doch, ein gar königlicher Tanz gerade Ihrer Würdig.“
Und dann hätten wir losgelegt und alle hätten getuschelt: „Siehe da, die Prinzessin scheint verliebt. Wer ist dieser galante Tausendsassa an ihrer Seite?“ Wir hätten getanzt und getanzt und ich hätte ihr tausend schöne Sachen ins Ohr geflüstert, hätte sie bestrickt (für Frau lunally bestricken= bezaubern, nach Ullsteins Synonymem-Lexikon 1960; ich schneide das mal in Scheiben, da haste leichter zu tragen: BE ST RI CK EN, bitte schön;-)) und wir hätten laut gelacht, so laut und ungeziemlich wie es nur der Königsfamilie vorbehalten ist und dann hätten wir geheiratet und ich wäre Prinzessinengemahl geworden und hätte im Schloss gewohnt und hätte repräsentiert was das Zeug hält. Ehrlich. Jeden Tag repräsentieren und freundlich sein und danach wieder repräsentieren und zuhause auch. Immer repräsentieren.
Und was war? Pustekuchen, ich war in Slowenien und habe gearbeitet, denn einer muss ja das Schiff auf Kurs halten. Ich weiß noch nicht einmal wo in Slowenien und hätten die Städte da, wüsste ich es wahrscheinlich auch nicht. Ich müsste HG fragen, vielleicht waren wir ja in einer Stadt.
So. Der Herr Minister war also da und schön wäre noch gewesen, wenn mir das einer vorher gesagt hätte. So bekam ich die mail an dem Tag, wo er schon längst da war, das war irgendwie zu spät, aber das ist ja besser als nie. Was ich aber auch nicht wusste, war die Tatsache, dass er mit uns reden wollte. Und dann stand er auch schon mit seinem Stab an meinem Schreibtisch und sein Stab war so ein mürrisch dreinblickendes Kerlchen, Typ Hochschulabsolvent oder Praktikant, dessen Anzug viel zu groß war, außerdem trug er einen schwarzen Gürtel zu braunen Schuhen, so etwas geht gar nicht und seine Krawatte war auch schlecht gebunden. Neben ihm sah der Minister tausendmal besser aus und dieser stellte sich auch gleich jovial vor, gibt mir die Hand und dann ging es auch schon los. Ich musste die Zeit über immer zu seinem Assi schauen, denn der schrieb alles auf nem Collegeblock mit. Na, denk ich mir, wird Zeit das die von den Profis lernen, wenn se nicht mal die Kohle für ein Diktiergerät haben. Das ging dann ne Weil so hin und her und die beste Frage, an die ich mich erinnern kann war: Worin siehst du denn die schwierigste Herausforderung in deinem Job? Weil ich ja ehrlich bin und gern helfe, antwortete ich wahrheitsgemäß:
Die schwedische Mentalität. Thore, der die ganze Zeit daneben saß, feixte sich eins und der Herr Minister wollte gerade nachhaken, als der Assi sagte: Wenn wir den Zeitplan halten wollen, müssen wir jetzt los.
Das fand ich gar nicht schlecht, denn da ersparte ich mir langes Gerede.
So. Der Minister hatte dann noch eine Unterredung mit dem Reeder, der wollte da aber nicht allein hin und weil kein anderer da war, musste Björn mit.
Der kam danach zu mir und meinte: “Da nimmt der Reeder mich mit, damit ich bremse wenn er dabei ist, sich um Kopf und Kragen zu reden und was macht er? Genau, ignoriert mich. Wenn das, was er sagte, morgen in der Zeitung steht, sind wir am Arsch.“ Tja. Das konnte ich mir gut vorstellen. Björn und ich sind dann noch auf ein Bier und am nächsten Tag stand nichts Gefährliches in der Zeitung, aber ich war drin, nämlich im Bild, dass in der Zeitung war. Zwar nur sehr grobpixelig und nur im Hintergrund, aber ich kann sagen, ich war schon mal in der FTS. Da habe ich gleich die Antike angerufen und sie gefragt, ja, denn Artikel hatte sie schon gelesen, nee, mich hatte sie da nicht gesehen. Da war ich wohl schon damals eher unbedeutend für sie.

Hier könnten jetzt noch ein paar Tiere folgen, dass lass ich jetzt aber, wegen der Länge. Die LÄNGE James, fasse dich kürzer! Irgendwann schreib ich aber bestimmt auch mal, wie ich den Herrn Chef von I-AhAudi Accessorie`s kennen lernte und er mir zuraunte, wenn ich mal nen Schirm brauche: Nur anrufen; wie ich den Herrn Chef von I-AhStiftungWarentest kennen lernen durfte; wie ich mit den Jungs von I-AhBioland versackt bin und zwar mit Einkornbier, 100% biologisch und knallt wie Hefe; wie ich mit dem Dänischen Botschafter für Deutschland in Berlin eine Diskussion um Käse hatte und noch so zwei andere, aber auf jeden Fall, die Geschichte von Kriss Nissen, dem Rennfahrer und VW-Motorsport Chef. Denn ich bin schon mal mit Kriss Auto gefahren und zwar Porsche und das war ne Mordsgaudi. Und auf jeden Fall auch die, als ich in diesem schicken Restaurant war, warum ich da nicht hingehörte und warum da so viele Ferraris vor der Tür standen. Aber am aller aller Liebsten sind mir eigentlich die leisen Geschichten von Dimi, der mir noch genau erklärte, wie sein Countryclub im Keller aussehen würde und warum er nicht mehr Gitarre spielen kann, oder die vom traurigen Mädchen Natalie. Und wenn ich so nachfühle, dann könnte das sogar gehen, das mit Natalie, die mich mal kurz aus der Bahn warf, mit ihrer Geschichte, ihrem Leben. Aber alle wie sie da sind, sind sie ein Teil von mir und weil ich hier heute niemanden gehen lassen kann ohne die Kernaussage zusammenzufassen: Das Wichtigste, die Moral von dieser Geschichte: Passe Dich an. Egal wie groß oder klein das Tier ist, dass du triffst, behandle alle mit Respekt, denn dann kannst du mit Dimi in seiner Kneipe abhängen, oder dem Herrn Minister kluge Tipps geben. Und wenn wir das nächste Mal den Preis bekommen und da bin ich sicher, dann hole ich mir die Prinzessin, das ist aber nicht so sicher;-) So und morgen werde ich schluesselkinds und cosmomentes Logos fertig machen, denn ich habe ja immer noch Urlaub. Das vom Zigarrillo bestimmt auch.


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