Sonntag, 8. Oktober 2006
Der Elch mit der Kalaschnikow
oder

Wie komm ich nur raus, aus der Geschichte.

[Wer den vorherigen Text nicht gelesen hat, dürfte hier etwas verwirrt werden. So wie ich.]

Ich öffnete die Tür und versuchte, in dem dunklen Gang etwas zu erkennen. Dort hinten bewegte sich etwas, doch ich konnte es kaum erkennen. Es musste etwas großes sein, denn man spürte bei jedem Schritt, den dieses Etwas langsam und gemächlich tat, ein leises Zittern auf dem alten Holzboden und es kam näher und näher und näher. Im Schein der Lampe, die in dem Raum, in dem wir Zuflucht gefunden hatten, brannte, erkannte ich etwas zotteliges, pferdeähnliches mit einer Art Geweih auf dem Kopf. War das etwa ein Elch?

Das dunkle, leicht zottelige Etwas blieb vor mir stehen. Na klar, das ist ein Elch, dachte ich mir, und betrachtete ihn ein wenig genauer: Eigentlich war es ein ganz normaler Elch, der den Elchtest sicherlich locker überstehen würde, das Geweih war riesig, das Fell sah gut gepflegt aus und auf dem Rücken, ja, auf dem Rücken trug er eine Kalaschnikow. Was sollte denn das nun wieder? Er schaute mich an, brummte ein wenig und sagte dann:

"Komische Sache, das, oder? Ich meine, du kommst nach Schweden, verläufst dich im Wald, findest diese komische Hütte und am Ende triffst du mich, den Elch mit der Kalaschnikow. Komisch, äußerst komisch."
"Ja, du hast Recht, alles komisch. Vor allen Dingen du, denn welcher normal Mensch würde denn tatsächlich glauben, dass es Elche gibt, die akzentfrei Deutsch sprechen, überhaupt sprechen und dann auch noch diese Bewaffnung. Jeder weiß doch, dass Elche Paarhufer sind und somit gar keine Finger haben,mit denen sie den Abzug bedienen könnten."
"Das ist interessant, über diesen Aspekt habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Ich dachte, bei euch Menschen genügt es zur Abschreckung, wenn man eine Waffe mit sich herumträgt, auch wenn man sie nie bedienen könnte."
"Du meinst, sie dient lediglich zur Abschreckung? Nein, effektiver wäre wohl derzeit ein Turban und ein Bart und vielleicht ein paar markige Sprüche aus dem Koran, so etwas erschreckt sogar sonst hartgesottene Verteiger der Freiheit, die Kalaschnikow allein tut es da nicht mehr."
"Papperlerpapp. Was soll eigentlich diese Unterhaltung? Willst du hinauszögern, was sowieso unumgänglich ist?"

Worauf wollte er hinaus? Wollte er mit uns kurzen Prozess machen, hier, mitten im düsteren und einsamen Wald, in dem niemand unsere Hilferufe hören könnte, hier, mitten im düsteren und einsamen Wald, in dem man wunderbar unsere Leichen verscharren könnte?

"Ich weiß nicht, worauf du hinaus willst? Was soll denn unumgänglich sein?"
"Jetzt tu doch nicht so. Ich gebe dir mal ein paar Stichwörter: Cabman, Schweden, Kinder, Navi, See, düsteres Haus in dem zufälligerweise ein Powerbook steht, das auch noch zufälligerweise über einen Highspeedinternetanschluss verfügt und am Ende ein Elch, der sprechen kann und eine Kalaschnikow auf dem Rücken trägt? Na, fällt der Groschen, Herr Literat?"
"Also, ich verbitte mir diese Bezeichnung, klar? Ich bin Blogger, also eher Blogerat. Im Blogbusiness läuft alles ein wenig hecktischer ab, Beiträge erscheinen, Beiträge verschwinden, andere können kommentieren, dass hat mit Literaten, wenn man sie denn so bezeichnen möchte, fast nix zu tun. Das ist anders, experimenteller und unprofessioneller."
"Du lenkst schon wieder ab. Deine Geschichte da, die mit dir, mir und den Kindern, die ist doch so authentisch, wie meine Frau nen rosa Tanga hat."
"Das stell ich mir interessant vor, die Sache mit dem Tanga. Was soll das überhaupt hier? Ich meine, stellst du dein eigenes Sein in Frage?"
"Ja, das tue ich, aber nur aus reinem Gerechtigkeitssinn und Lust an der Ästhetik, denn erstens solltest du doch den armen Lesern vom Cabman nicht so einen Unfug hier auftischen und am Ende vielleicht noch echte Angst einjagen und zweitens gefällt mir die Geschichte nicht, denn sie ist unausgegoren."
"Ich lerne, Herr Elch, ich lerne. Und irgendwann gefallen mir die Geschichten auch selber, aber bis dahin muss ich experimentieren und schauen, wie es sich anfühlt. Und was soll überhaupt die Sache mit dem Unsinn? Ist es nicht so, dass hier gelesen wird, weil es Spaß macht, egal ob es real oder nicht ist? Bloggen ist doch mehr, als nur aufzuschreiben, wie der Tag heute war oder der morgige vielleicht sein wird oder ob Mirco Payment und Manuel Trackback gerade wieder etwas über die schöne Welt ZwoNull erzählen. So sehe ich das, Herr Elch. Leider hast du mir grad die Tour ein wenig vermasselt und eigentlich sollte ich sauer sein, auf dich. Bin ich aber nicht, denn diese kleinen Geschichte, die erst ein wenig "Blairwitch Project" war und nun irgendwie nur noch skuril, könnte ja auch zum Nachdenken anregen, oder? Über Dinge, die wir glauben wollen, die wir glauben können, über Dinge, die wir wissen oder nicht wissen, von uns, von anderen Menschen, über uns. Das ist ja schon fast große Blogosophie und, lieber Herr Elch, da hier Blogger lesen, denen der Verstand zum Glück noch nicht abhanden gekommen ist, könnte ich mir vorstellen, könnte zu einer interessanten Diskussion führen. Mit neuen Erkenntnissen, Meinungen, Ideen. Nur eine Vermutung.

"Ach, das wird nix, der Text ist doch wieder viel zu lang."

Wäre das ein Theaterstück, hätte ich mir an dieser Stelle einen schönen Abgang für den Elch mit der Kalaschnikow ausgedacht. Aber das ist kein Theaterstück, sondern ein Gastbeitrag zu einem der besten Blogs, die ich je gelesen habe (Schleim muss sein), ein Beitrag der sich in eine Richtung entwickelt hat, die ich nicht vorhergesehen oder geplant habe. Ich lehne mich jetzt erst einmal zurück, nehme mir noch einen tiefen Schluck aus der Rotweinpulle aus Cabmans Weinkeller , entwirre meinen Kopf und genieße die Zeit des Mittagsschlafs der Kinder. Jetz sind andere dran.


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Uijuijuij
Um mit einem Elch mit Kalaschnikow zu philosophieren, muss ich aber erst noch ein, zwei Jägermeister kippen...

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Nicht,
dass es sich hier am Ende um, wie würde dieser eine von den Klitschkos sage, "schwärre Kohst" handelt?

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Da
sind wir uns einig. Ein bisschen Kuh sollte schon sein. Büffel auch. Und Elch sowieso. Ein nett zu lesender Umweg zum ansonsten trivial klingenden Ziel ist oft das, was den einen oder anderen bewegt mitzukommen. Und den philosophischen Mehrwert gleich mit einzusammeln. :o)

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Ich
bin trotzdem noch nicht zufrieden mit mir. Aber der Wein war lecker. ;-)

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Das klingt, als wärst du auf der Couch des Blogpsychologen eingeschlafen und hättest ein wenig geträumt. Sehr feiner Traum übrigens! Das bringt mich doch ein wenig auf Ideen, die meine Kurzgeschichte betreffen, von der ich mal vor einiger Zeit den Anfang gebloggt hatte. Werd mal ein wenig drüber schlafen und dann hoffentlich was Fortsetzungsmäßiges ausdenken...

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Schlimm ist ja,
dass ich den ganzen Tag träume. Und die Nacht noch dazu. Da verwirrt man sich auch gerne mal selbst. Schreiben Sie, schreiben Sie, ich bin gespannt. Allerdings ist das immer so eine Sache mit Fortsetzungsgeschichten, finde ich.

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... ich lass freuds traumdeutung mal da, wo sie ist und geniess einfach mal.

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