Donnerstag, 19. Oktober 2006
Vom Wissen und seinen Preis
So. Das waren nun 4 Tage und die restlichen Stunden bis die Bahn geht Schweiz. Zürich, Bern, Basel und wieder Zürich. Von hier nehme ich mit: Ohrenschmerzen vom ewigen oderrr, eine aufkeimende Erkältung und ne halbe Flasche Vicks MediNait sowie ein recht interessantes Jobangebot, aber wer will schon in Bern wohnen? Dann ist mir aufgefallen, dass vom Jahreszeitenvoraushüpfen eine wichtige Zeit des Jahres von mir übersehen wurde: Halloween! Jawoll. Ich entschuldig mich dafür demütigst, bitte um gerechte Bestrafung und sende eine kleine Halloweengeschichte in die unendlichen Weiten des Netzes.
Diese ließe sich vortrefflich lesen, so wie damals in der Schule, einer ließt den Part des Raben, einer des Gelehrten und einer den Rest. Wie ich darauf komme? Keine Ahnung, wäre aber witzig und weil mein Account gleich ausläuft, poste ich das ganze jetze mal. Morgen dann Österreich, aber nur wenn die Bahn will.


Die Erde liegt danieder, bedeckt vom weißen Totentuch. Flüsse und Seen vom Eiskönig geküsst, ruhen in regungsloser Starre, und Stille allerorten mein Atmen schreien lässt. Ich folge ihm mit sachtem Schritt durch tiefe Wehen und bitterkalter Nacht, erhellt nur durch flackerndes Licht der Petroleumlampe dort am Stab.
Ich folge dem Pfad, ausgetreten von so vielen, die denen, die den letzten Weg schon hinter sich hatten, Geleit gaben.
Am schmiedeeisernen Tore ich mich wieder fand, da, wo der Eintritt niemals Glück verheißt und dessen Durchschreiten von Trauer und Bitterkeit begleitet wird.
„Wie kannst du es wagen, die Ruhe der Toten zu so später Stunde zu stören?“ Sprach es aus der Dunkelheit mit krächzender Stimme, die Mark und Bein erschüttern ließ.
„Wer da, der mich pflegelhaft und feig aus dunkler Deckung zur Rede stellt.“ Antwortete ich mit fester Stimme, hoffend die Angst zu verbergen, die mich überfiel.
„Weil du es nicht siehst, ist es noch lange nicht versteckt und das, was du in deinem Herzen versteckt glaubtest, kann sehen ich. Du hast Angst, doch wovor? Bist du gekommen Unheil zu verrichten?“
„Zeig Dich erst, dann will ich dir vielleicht verraten, was im Schilde ich führe.“
„Zu sehen bin ich, wenn du willst. Hebe deinen Blick!“ Krächzte es.
Ich tat wie mir geheißen und da, plötzlich, ward ich gewahr, ein Rabe saß auf dem Pfosten da zur Rechten, der das Tor zur Hälfte in Angeln trug. Ein Rabe! Fuhr es mir in den Sinn, wie kann es sein, das reden er vermag? Mir grauste es und ich schüttelte den Kopf, dieses Trugbild meiner übernächtigen Fantasie abzuschütteln. Ein Trugbild musst es sein, für wahr!
„Schwer fällt es dir zu glaube, dass reden ich kann, nicht wahr?“ Spottet der Rabe von hochoben auf mich herab und stolzierte von links nach rechts. „Du glaubst eine Einbildung wäre ich, doch lass dir sagen, ich bin so wirklich wie du.“
„Aber wie kann es sein, das der Sprache der Menschen du mächtig bist?“ Fragte ich ungläubig doch ohne Angst.
„Ihr Menschen, “ rief er aus „wisst so vieles und so vieles wisst ihr nicht. Nie werdet ihr es erfahren, weil blind und taub ihr seid. Hättest bei Tag du mich getroffen, wenn Trubel und Gezedere eurer kleinen Welt mit ihren großen Sorgen taub dich machten, dann hättest wohl kaum du mich gehört. Hättest du?“
„Wissen tue ich es nicht.“
„Natürlich nicht. Du bist ein Mensch. Und nun sage mir, was führt zu nächtlicher Stunde dich hier raus zum Ruhehof der Toten?“
„Forscher bin ich und Gelehrter, die Erforschung des menschlichen Körpers bin gekommen ich.“
„Hier!“ Rief der Rabe voller Erstaunen.
„Hier, wo des Todes Lieben liegen? Wie mutig musst du sein, dass du es wagst, an seinem Eigentum dich zu vergehen?“
„Hah! Eigentum. Wir Menschen sind niemandes Eigentum!“
„Nicht mal Gottes? Nicht mal dessen, den ihr so verehrt?“
„Niemandes! Gott ist eine Erfindung! Ich glaube nicht an ihn!“
„Und was ist mit dem Teufel?“
„Angst vor dem Teufel ich nicht habe, daher einen Gott ich nicht brauche. Ich bin ein Mann der Wissenschaft!“
„Wohl an, du scheinst mir gerade der Rechte. Zeigen will ich etwas dir und nur dir und nur heute!“ Mit diesen Worten schwang der Rabe sich auf und in hohem Bogen er zu mir geflogen kam. Er landete auf meiner Schulter und flüsterte: „Das, wonach suchen du kamst, kann geben ich dir auch ohne Müh. Doch bist bereit du, mir auch etwas dafür zu geben?“
„Was solle dies sein? Ich bin arm, habe keinen Taler. Was also, so frage ich Dich, könntest du von mir bekommen?“
„Nichts was dich ärmer macht, doch wissen wirst du, wenn ich es holen tat. Willst sehen du nun, wie ihr Menschen funktioniert, willst mit Wissen deinen Kopfe füllen?“
„So sei es, denn wenn es mich nicht ärmer macht, kann es mich nichts kosten. Zeige mir nun wie die Dinge sind, die wir nicht sehen, doch spüren.“
„Abgemacht.“ Rief der Rabe und vor mir, aus dem Nichts, erschien der Körper eines Mannes. Er war nackt mit grauer Haut. Doch als ich ihn berührte, verschwand diese und ich sah die Muskelnfasern und allerlei Gewebe. Als ich es wieder tat, konnte die Adern ich sehen, es war wunderschön. Ich schrieb alles in mein Tagebuch, die Dinge die ich sah, zeichnete sie, die ganze Nacht hindurch wie im Fieber, wie im Rausch, ich konnte nicht anders, denn Neugier hatte mich gepackt. Es war so einfach, ich gebrauchte nicht mein Skalpell und als der Morgen im Osten ergraute, sprach der Rabe: „Ist dein Wissensdurst nun gestillt? Sahest du, was zu sehen du kamst?“
„Oh, es war mehr als zu erhoffen ich wagte. Mein Dank gilt dir, denn du hast mich zu einem Gelehrten gemacht. Nun weiß ich alles und vieles wurde klar“
„Nichts weißt du! Nichts von dem was es zu wissen gilt.“
„Ich weiß nun wie und warum wir leben.“
„Oh nein, das weißt du nicht und wirst es nie! Ich werde dich nun verlassen, Mann der Wissenschaft. Wir werden uns nicht wieder sehen, drum sag Adieu ich dir und gedenk meiner.“
„Das werde ich, Adieu!“ So flog er davon und ich habe ihn seit dem nicht wieder gesehen, wohl aber seiner gedacht, denn als nach Hause ich kam, glücklich dessen was mir widerfuhr, so freudig, die Nachricht gleich meinem lieben Weibe zu künden, da fand ich sie jung und schön und tot im Ehebette. Ich wusste, der Rabe hatte sie geholt, mein liebes Weib und wie unwahr hatte ich gesprochen, denn wenn es mich auch nicht ärmer machte, so kostete es mich doch die Liebe ihrer, was mehr kann man verlieren, welch höheren Preis hätte zahlen ich können?


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Wie einfältig wir doch sind, wie einfach wir uns verführen lassen, nach Wissen streben wir und vergessen uns dabei. Was nützt all das Wissen, wenn wir nicht mehr lieben können, gibt es denn kostbareres als die Liebe?

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Wir in unserem "Kulturkreis" haben das Wort "Wissen" sowieso verkommen lassen, indem wir es immer mehr eingegrenzt haben auf die materiellen Dinge, auf alles, was man sehen, anfassen, zählen oder wiegen kann. Andere, auf die wir gerne herabblicken, haben das Wissen um das Wissen viel besser kultiviert.

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